Review: Spieltrieb | Juli Zeh (Buch)

Bei dem nun folgenden Buch muss ich gestehen, es handelt sich um eines, das ich nicht unbedingt selbst auf meinen Wunschzettel gesetzt, geschweige denn gelesen hätte, aber aufgrund der Empfehlung meiner Freundin, die mir nahelegte es zu lesen, da einerseits sie es wiederum vor einigen Jahren empfohlen bekommen hat, sie es aber andererseits nie bis zum Ende geschafft hat, habe ich mich natürlich gerne bereit erklärt, mir Spieltrieb einmal genauer anzusehen. Nachdem ich dies nun also getan habe, möchte ich wie gewohnt meine Eindrücke und Erkenntnisse gerne mit euch teilen.

Spieltrieb

Spieltrieb, DE 2004, 566 Seiten

Spieltrieb
© btb Verlag

Autorin:
Juli Zeh

Verlag (D):
btb Verlag
ISBN:
978-3-442-73369-9

Genre:
Drama

 

Inhalt:

Klappentext:
Die atemberaubende Geschichte zweier Jugendlicher, die ein ungeheuerliches Spiel antreibt: Es geht um Sex, Verführung und Macht, um Hass und Liebe – bis aus dem Spiel schließlich bitterer Ernst wird…

Die Geschichte handelt von der anfangs vierzehnjährigen Ada, die gerade frisch auf das Ernst-Bloch-Gymnasium in Bonn gekommen ist, da sie ihrer alten Schule aufgrund eines gewalttätigen Übergriffs verwiesen wurde. Hier lernt sie nicht nur Olaf kennen, der einiges für sie übrig zu haben scheint und begegnet dem Deutsch- und Sportlehrer Smutek, nein, hier geht sie auch die unheilige Allianz mit dem ebenfalls neuen Schüler Alev ein, der gemeinsam mit Ada einen Plan fasst, um Smutek in eine Art Spiel zu verwickeln, aus dem es kein Entrinnen gibt. Einzig der Einfluss des Geschichtslehrers Höfi hält die Spielwütigen zurück, doch mit seinem selbst gewählten Freitod werden Grenzen wie Bedenken fortgespült.

Rezension:

Die Autorin von Spieltrieb beweist – insbesondere zu Beginn und Ende ihres Romans, denn diese bilden den Überbau der in ihnen eingebetteten Geschichte um Ada, Alev und Smutek – , dass ihr ihr Jurastudium durchaus noch präsent ist und sie willens und fähig, Rechtsbegriffe wie auch das Rechtsverständnis einer demokratischen Gesellschaft kritisch und intelligent zu reflektieren. Da wird über Schuld und Unschuld referiert, die Fraglichkeit mancher Entscheidungen der Rechtsprechung erläutert, werden Präzedenzfälle angeführt und das alles in einer sprachlich durchaus ansprechenden Art und Weise. Die Geschichte selbst hingegen stützt sich mehr auf philosophische Diskurse, liebäugelt und kokettiert mit dem Nihilismus und Post-Nihilismus – so bezeichnen sich Ada und Alev gern selbst als die Urenkel der Nihilisten – und lässt durchaus plakativ Musils Mann ohne Eigenschaften in die Erzählung einfließen.

Auch diese Diskurse und Abschweifungen bringt sie in einer sprachlich prägnanten Art da und hemmt den Lesefluss in keiner Weise, jedoch kommt immer wieder und vermehrt der Verdacht auf, dass der angebliche Roman, den man hier vor sich hat, mehr Alibi und Selbstzweck für ihre durchaus interessanten Ansichten und Äußerungen ist. Denn dramaturgisch betrachtet passiert in Spieltrieb nicht wirklich viel. Auf hunderten von Seiten werden in elegischer Art und Weise das Alltagsleben von Ada und ihr Außenseitertum geschildert, Landschaften beschrieben und Erinnerungen aufbereitet. Wir lernen die hierarchischen Strukturen Ernst-Blochs kennen, erleben mit Ada das Weihnachtsfest und lauschen der Schulband, von den meisten schlicht die Ohren genannt bei ihren Proben. Die sprachliche Brillanz büßt also mit fortschreitender Seitenzahl immer mehr an Faszination ein, weil man sich als Leser immer öfter bei der Frage ertappt, wann denn das im Klappentext so großspurig angekündigte perfide Spiel “um Sex, Verführung und Macht, um Hass und Liebe” denn beginnen möge.

Obwohl ich ja sonst nicht aus Büchern zitiere, möchte ich in diesem speziellen Fall auf einen sehr prägnanten und aussagekräftigen Satz hinweisen, der mir auf Seite 345 (!) begegnet ist: “Das Spiel hatte begonnen.” Alles Vorangegangene ist nämlich als weitschweifige und teils überflüssige Ein- und Hinleitung zu verstehen, bevor es dann letztlich (endlich) beginnt. Das Spiel selbst indes enttäuscht durch seinen immer gleichen Ablauf und die Unfähigkeit Smuteks, sich daraus zu befreien, auch wenn man durchaus zu verstehen bereit ist, weshalb es ihm widerstrebt, sich aus den unfreiwillig angebrachten Fesseln zu lösen. Ich möchte auch nicht kritisieren, dass Ada und Alev faktisch keinen Grund für ihr Tun haben, denn dies wird in Spieltrieb in aller Ausführlichkeit und einleuchtend erörtert. Dennoch fragt man sich an mancher Stelle, ob der gesamte Ablauf einem nicht arg konstruiert vorkommt, was wiederum die Mutmaßung untermauert, es könne sich bei dem Roman selbst ebenso um reinen Selbstzweck handeln.

Das Buch selbst weiß durchaus zu überzeugen, aber hier wäre weniger mehr gewesen, weil die künstlich aufgebauschte Seitenzahl tatsächlich nicht notgetan hätte. Juli Zeh hat mich durchaus für ihren Schreibstil erwärmen können, auch wenn insbesondere das Ende der Weitschweifigkeit noch einmal die Krone aufsetzt. Aufgrund der zumindest dramaturgischen Schwächen vergibt die Autorin Punkte, hat es aber durchaus geschafft, dass ich ihr noch einmal eine Chance geben werde, beispielsweise mit Corpus Delicti: Ein Prozess, dessen Seitenzahl im Übrigen nur gut die Hälfte beträgt.

Fazit & Wertung:

Ganz knapp und mit viel gutem Willen erklimmt Spieltrieb das Treppchen zur magischen 8-Punkte-Grenze, denn Juli Zeh ist hier trotz Abstrichen ein interessanter, unorthodoxer und intelligenter Roman gelungen.

8 von 10 philosophischen Diskursen

Spieltrieb

  • Philosophische Diskurse - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Ganz knapp und mit viel gutem Willen erklimmt Spieltrieb das Treppchen zur magischen 8-Punkte-Grenze, denn Juli Zeh ist hier trotz Abstrichen ein interessanter, unorthodoxer und intelligenter Roman gelungen.

8.0/10
Leser-Wertung 3/10 (1 Stimme)
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Weitere Details zur Autorin und dem Buch findet ihr auf der Seite des btb Verlages sowie auf der Homepage der Autorin Juli Zeh

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Als besonderer Service hier noch der Link zum Taschenbuch, der gebundenen Ausgabe sowie dem Hörbuch von Spieltrieb bei Amazon:

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Kommentare (2)

  1. Zeilenkino 3. Mai 2012

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