Review: Unsichtbar | Paul Auster (Buch)

Die 1. Medienjournalistischen Literaturtage

Und weiter geht es auch schon mit unseren heiteren Literaturtagen, die jüngst und inoffiziell bereits verlängert worden sind, da der Bücherstapel bereits wieder Zuwachs bekommen hat, was nicht zuletzt einem Autor zu verdanken ist, den ich erst vor kurzem für mich entdeckt habe und von dem mich bereits zwei Bücher zu fesseln vermochten, ebenso wie das jüngst begonnene dritte, welches übrigens auch verfilmt wurde. Doch das ist – wie man so schön sagt – eine andere Geschichte und soll später erzählt werden, wenn wir zu fraglichen Büchern kommen.

Widmen wir uns also erst einmal einem von mir nicht minder heiß und innig geliebten Autoren, von dem ich auch schon einige Bücher verschlungen habe, wenngleich die meisten davon auf die Zeit vor dem Medienjournal datieren, so dass der Herr Auster hier bisher nur mit einem Buch vertreten war. Das ändert sich ja aber jetzt zum Glück!

Unsichtbar

Invisible, USA 2009, 316 Seiten

Unsichtbar von Paul Auster
© Rowohlt Verlag

Autor:
Paul Auster

Verlag (D):
Rowohlt Verlag
ISBN:
978-3-499-25257-0

Genre:
Drama

 

Inhalt:

Im Jahre 1967 lernt der idealistische und ambitionierte Student Adam Walker den neureichen, sprunghaften und undurchsichtigen Rudolf Born kennen, der sich schon bald zu seinem Gönner aufzuschwingen schickt um gemeinsam eine Zeitschrift zu veröffentlichen. Jedoch geraten diese hochtrabenden Pläne mehr und mehr ins Hintertreffen, als Adam die ebenso geheimnisvolle Margot – Borns Gefährtin – kennenlernt. In Abwesenheit des oft alkoholisierten Mäzen Born beginnt Adam eine Affäre mit Margot. Dies, im Zusammenhang mit einer schrecklichen Tat, die Born später begehen soll, führt zum Zerwürfnis der ungleichen Gruppe.

Dies ist die autobiografische Geschichte, die Adam Walker im ersten Kapitel – Frühling – seines Manuskripts zum Roman 1967 niedergeschrieben hat und welches sein Studienfreund Jim im Sommer 2007 zugeschickt bekommt. Es entspinnt sich eine Korrespondenz und Jim bekommt Sommer zu Gesicht. Doch hier schon stellt sich für ihn die Frage, inwieweit man den Erinnerungen Walkers trauen kann und ob sich tatsächlich alles so zugetragen hat. Jim fiebert einem persönlichen Treffen entgegen, ebenso wie der Wahrheit.

Rezension:

Paul Auster schafft schon seit jeher kleine literarische Meisterwerke, die auch nur deshalb oft so kurz ausfallen, was die Seitenstärke angeht, weil bei ihm jedes Wort, jeder Satz, jede Begebenheit wohlplatziert und bedeutungsvoll erscheint. Sprachlich ist Auster auch in Unsichtbar wieder dermaßen präzise, dass es eine wahre Freude ist, seine Zeilen zu verschlingen. Noch viel mehr Freude macht allerdings, einmal mehr seine fragmentarische Erzählweise zu genießen, die in sich atmosphärisch dermaßen dicht ist, dass sie kein Entkommen zulässt und den Leser dann aber plötzlich damit überrascht, einen Wechsel von mehreren Jahrzehnten zu vollziehen, der darin gipfelt, dass die gesamte Erzählperspektive über den Haufen geworfen wird.

Als genüge die Eröffnung zu Beginn des zweiten Aktes nicht, dass es sich bei dem ersten um den Abdruck eines Manuskripts gehandelt habe, vollzieht Auster hier das Kunststück, einen Briefwechsel, persönliche Geschichten und Erinnerungen, auf dem Computer gespeicherte Notizen und Satzfragmente sowie weitere Teile des Manuskripts und zuletzt Jims Erörterungen zu nutzen, um die Geschichte eines zutiefst tragischen Lebens zu erzählen, eine Geschichte von Reue, Versuchung und Rache, von Schuld und Sühne, der stets die Frage folgt, wie sehr man Erinnerungen vertrauen darf; ja wie zuverlässig die subjektiven, sich teils widersprechenden angeblich autobiografischen Memoiren sein können.

Hinterher ist man freilich im Grunde so schlau wie zuvor und eine Katharsis sucht man vergeblich, doch kann man sich dem Bann, ja Sog, nicht entziehen, denn der Autor hier ein weiteres Mal entfesselt und der so manch unliebsame Überraschung bereithält, während man mit Jim gemeinsam verzweifelt durch die Vergangenheit des so undurchsichtigen Adam Walker stolpert, bei der auch Borns Rolle und Intention stets hinter einem großen Fragezeichen verborgen zu bleiben scheint. Doch in Unsichtbar geht es nicht um Antworten, sondern vielmehr um die richtigen Fragen. Der Roman regt zum Nachdenken an und führt zweifellos auch die eigene Fehlbarkeit vor Augen.

Paul Auster legt also wieder mal einen überzeugenden, tiefgehenden, nachdenklich stimmenden Roman vor, der keiner großen Worte bedarf und – was wie gesagt Seitenstärke aber auch Aufmachung angeht – extrem unscheinbar daherkommt und damit beinahe verhehlen kann, um welch wuchtiges Werk es sich handelt. Allen Literaturfreunden möchte ich daher raten, sich nicht von dem unscheinbaren Äußeren von Unsichtbar täuschen zu lassen und diesem über die Jahrzehnte erfolgreichen Schriftsteller eine Chance zu geben, wenn – aber nur wenn – man bereit ist, einen Blick auf die dunkle Seite des menschlichen Strebens zu werfen.

Fazit & Wertung:

Austers Unsichtbar ist ein literarisches Juwel und entfaltet im Laufe der fortschreitenden und verschachtelten Erzählung eine enorme Sogwirkung und eine seltsame Faszination, der man sich nicht entziehen kann.

9 von 10 widersprüchlichen Erinnerungen

Unsichtbar

  • Widersprüchliche Erinnerungen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Austers Unsichtbar ist ein literarisches Juwel und entfaltet im Laufe der fortschreitenden und verschachtelten Erzählung eine enorme Sogwirkung und eine seltsame Faszination, der man sich nicht entziehen kann.

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Meinungen aus der Blogosphäre:
Buchjunkie
Syn-ästhetisch

Weitere Details zum Autor und dem Buch findet ihr auf der Seite des Rowohlt Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Eine Reaktion

  1. bullion 24. Juni 2012

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