Review: London Boulevard | Ken Bruen (Buch)

Die 1. Medienjournalistischen Literaturtage

Nach dem imposanten True Blood-Triple-Feature der vergangenen Tage reiche ich nun schon das nächste Double-Feature nach, denn während ich euch heute Ken Bruens Buch London Boulevard präsentieren werde, erzähle ich euch im nächsten Artikel (voraussichtlich morgen), was für einen Film Regisseur William Monahan mit Colin Farrell und Keira Knightley daraus gemacht hat.

London Boulevard

London Boulevard, IE 2001, 262 Seiten

London Boulevard von Ken Bruen
© Suhrkamp

Autor:
Ken Bruen

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46341-3

Genre:
Krimi | Drama

 

Inhalt:

Mitchell ist frisch aus dem Knast entlassen worden und stolpert geradewegs in neue Probleme und zwielichtige Geschäfte, obwohl er sich doch nur ein normales Leben wünscht, mit Frau und Kind, einem kleinen Häuschen und geregeltem Einkommen. Dass diese Träume für jemanden wie ihn nur schwerlich in Erfüllung gehen können ist ihm nichtsdestotrotz nur allzu klar. Daher lässt er sich fast bereitwillig in neue dubiose Machenschaften verwickeln.

Doch Mitchell kommt auch auf dem Anwesen der alternden Diva Lillian Palmer unter, wo er sich anfangs als Hausmeister verdingt und schnell zum privaten Objekt der Begierde für die exzentrische und exaltierte Theaterschauspielerin wird. Doch damit nicht genug, vereinnahmt sie ihn immer mehr, während er sich in eine junge Irin verliebt und der Gangsterboss Gant ganz eigene Pläne mit Mitch hat. Ach ja, und dann wäre da noch Mitchells Schwester Briony, die gelegentlich den Geist ihres toten Mannes sieht und zur Kleptomanie neigt…

Rezension:

Ich stehe ja im Grunde noch ganz am Anfang meiner literarischen Erfahrung mit Ken Bruen, doch nach mittlerweile drei gelesenen Büchern (das dritte folgt alsbald möglich nach) kann ich doch schon mit Fug und Recht behaupten, dass der Autor es wie kein Zweiter versteht, zutiefst lakonische, gescheiterte Existenzen und deren Innenleben zu portraitieren und ihre selbstreflexive Hoffnungslosigkeit auf die Spitze zu treiben. London Boulevard entstand in etwa zur selben Zeit wie der erste Teil der Jack Taylor-Reihe Jack Taylor fliegt raus und diese Verwandtschaft im Geiste merkt man dem Buch deutlich an, denn ebenso wie Jack ist Mitchell dem Alkohol wie auch der Literatur zugetan und schafft es auf schwarzhumorige, knappe und präzise Weise, das Geschehen um ihn herum wie auch sein eigenes Handeln zu kommentieren. Auch die bei Ken Bruen typische Aufzählung von
Namen
Gegenständen
Eindrücken
Banalitäten
findet sich in diesem Roman zuweilen wieder.

Was aber nicht unerwähnt bleiben sollte ist, dass London Boulevard gar keine originäre Ken Bruen-Geschichte ist, sondern er sich schamlos an Billy Wilders Sunset Boulevard bedient hat, was zahlreiche Versatzstücke und Begebenheiten des Romans betrifft, angefangen von der alternden Diva über die Wohnung über der Garage, bis hin zu dem teuren und begehrenswerten Auto und dem seltsam anmutenden Butler. Wie die recht ähnlichen Titel aber schon erkennen lassen macht Bruen keinen Hehl aus seiner „Inspiration“ und schafft es gekonnt, den klassischen Film noir in Literaturform zu überführen und ihm mit der Verlegung des Schauplatzes von L. A. nach London auch eine merklich eigene und passende Note zu verleihen, zumal auch zahlreiche weitere Details an das differierende Umfeld angepasst worden sind.

Bruen macht sich also zwar Wilders Film zu eigen, schafft gleichzeitig aber etwas vollkommen neues und spielt wunderbar mit der Erwartungshaltung des Lesers, so dass London Boulevard zuweilen wirkt wie eine Stilübung, mit der ausgelotet werden soll, wie düster und hoffnungslos es werden darf, ohne den Leser zu verdrießen. Denn das es für Mitch unaufhaltsam abwärts geht, daran kann kein Zweifel bestehen und im Nachhinein meint man, einige wenige Schlüsselszenen ausmachen zu können, in denen eine falsche Entscheidung zu zahlreichen weiteren fatalistischen Ereignissen führen. Es kann keine Rettung, keine Erlösung, keine Katharsis geben und das ist dem Protagonisten mehr als klar, so dass man es als Leser einzig seinem Stoizismus zu verdanken hat, dass der Roman nicht bereits nach wenigen Seiten endet, weil die Hauptfigur sich voll Resignation in die Ecke sinken lässt.

Mitch macht weiter und mit ihm Ken Bruen und treibt uns so unaufhaltsam die Spirale weiter abwärts und auch wenn man oft zu wissen meint, was als nächstes bevorsteht, sind diese Entwicklungen – wenn sie dann eintreffen – immer noch überraschend und schockierend. London Boulevard wird dadurch zu einem Hardboiled-Roman der alten Schule, der mit einem bewusst ambivalent angelegten Kerl mit einem unbedingten Überlebenswillen und dessen wortkargen Sarkasmus im Sturm mein Herz erobert hat!

Fazit & Wertung:

London Boulevard ist ein Konglomerat filmischer Anleihen und eigener Ideen, gleichzeitig aber auch Vorgeschmack auf Jack Taylor. Zudem ist es aber auch ein durchweg überzeugender, bitterböser und lakonischer One-Shot, den man sich als Hardboiled/Noir-Fan durchaus zu Gemüte führen sollte.

8,5 von 10 falschen Entscheidungen

London Boulevard

  • Falsche Entscheidungen - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

London Boulevard ist ein Konglomerat filmischer Anleihen und eigener Ideen, gleichzeitig aber auch Vorgeschmack auf Jack Taylor. Zudem ist es aber auch ein durchweg überzeugender, bitterböser und lakonischer One-Shot, den man sich als Hardboiled/Noir-Fan durchaus zu Gemüte führen sollte.

8.5/10
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Meinungen aus der Blogosphäre:
Zeilenkino

Weitere Details zum Autor und dem Buch findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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