Review: Music From Big Pink | John Niven (Buch)

Eigentlich – so muss ich gestehen – hätte es heute die Rezension einer Graphic Novel werden sollen, doch leider bin ich mit dieser noch nicht so weit gekommen wie ich gerne gewollt hätte und weil es ja Schwachsinn ist, eine Geschichte zu rezensieren, deren Ende man noch nicht kennt habe ich mich prompt dazu entschieden einfach zu tauschen und bekommt heute die für Freitag angedachte Buch-Review und am Freitag dann eben (hoffentlich) das, was heute eigentlich schon an der Reihe hätte sein sollen und dürfen. Als Trostpreis ist das nichtsdestotrotz nicht zu verstehen, denn dass John Niven schreiben kann, sollten versierte Leser ja bereits wissen und für diejenigen welchen, die ihn noch nicht kennen, ist mein Text ja vielleicht noch eine Spur interessanter.

Music From Big Pink

Music From Big Pink, USA 2011, 448 Seiten

Music from Big Pink von John Niven
© Heyne Verlag

Autor:
John Niven

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-67622-0

Genre:
Drama

 

Inhalt:

Mit Mitte vierzig muss der in Toronto lebende Greg Keltner die erschütternde Schlagzeile lesen, der Sänger von The Band, Richard Manuel sei tot aufgefunden worden, habe sich erhängt. Und Greg kommt nicht umhin, sich an das Jahr 1967 zu erinnern, das Jahr, an dem er in New York City lebte, das Jahr, in dem er nach Woodstock zog und das erste Mal das berühmte, pinkfarbene Haus in Saugerties betrat, in dem im selben Jahr, in dem Bob Dylan zusammen mit The Hawks sein Album The Basement Tapes aufgenommen hatte, der Band, die später zu The Band werden sollte und die ihr Debütalbum als Widmung an das Haus Music From Big Pink nennen würden, lange Zeit bevor ihr Ruhm zu verblassen beginnen würde, bevor die unbeschwerte Jugend ihr Ende finden würde und bevor es sich Greg, der kleine Drogendealer, der sich dereinst im Kreis illustrer Berühmtheiten bewegt hatte, dem Leben erliegen würde.

Und so erlebt Greg in seiner Erinnerung erneut, wie er dabei war, als sich eine stilprägende und berühmte Band, nicht irgendeine Band, sondern The Band dabei war selbst zu erfinden und wie er unter ihnen weilte, als der Erfolg sich einzustellen begann.

Rezension:

Nachdem John Niven hierzulande hauptsächlich mit Kill Your Friends bekannt geworden ist und mit Coma und Gott bewahre zwei beachtliche Nachfolger hat abliefern können, hat man sich endlich erbarmt, auch seinen Erstling Music From Big Pink in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Und auch wenn ich bisher nur Kill Your Friends von ihm gelesen hatte, steht auch der Erstling in deutlicher Tradition seiner knappen, lakonischen und pointierten Schreibe. Nicht nur, dass der Autor nicht weniger als die Entstehungsgeschichte einer Band in Romanform vorlegt, nach deren Sichtung sich selbst ein Mitglied der Band selbst zu der Frage hinreißen ließ Ist der Typ etwa dabei gewesen?, sondern auch, dass er ein stilsicheres Portrait der damaligen Zeit abliefert, dass vor Leben zu pulsieren scheint und genau den Zeitgeist von Sturm und Drang wiederzugeben scheint, machen aus diesem rohen, noch ungeschliffenen, dafür umso kraftvolleren Erstling eines großartigen Autors ein gleichsam mitreißendes Leseerlebnis.

In sechszehn knappen Kapiteln auf gerade einmal zweihundert Seiten umreißt er den Werdegang von The Band, ohne dass man jemals das Gefühl hätte, einer Doku beizuwohnen, denn nie spielt sich die Geschichte so in den Vordergrund, als dass man darüber das Schicksal Greg Keltners vergessen würde, der durchaus mit zahlreichen eigenen Tragödien zu kämpfen hat und ganz in der Tradition zum Scheitern verurteilter Protagonisten steht, wie man sie in der Art von Romanen findet, die sich der Musik, dem Drogenkonsum und der Tragik des Seins an sich widmen, wie ich sie so sehr liebe.

Selbstverständlich fehlen eben jene obligatorischen Drogen- und Partyexzesse auch hier nicht und eine gleichsam hoffnungslose Liebesaffäre findet sich genauso, doch wirkt es nie so, als der spiele der Autor mit Versatzstücken, sondern als würde sich alles organisch entwickeln, nicht zuletzt dadurch, dass er neben den Mitgliedern von The Band eben auch prägende Figuren wie Bob Dylan und Konsorten auftauchen lässt, ohne sie zu glorifizieren und ohne die Bodenhaftung zu verlieren, so dass die Geschichte, die im Grunde ein einziger Rückblick Greg Keltners in dessen Jugendjahre ist, sehr geerdet daherkommt und zuweilen noch angereichert wird mit Informationen zu künftigen Ereignissen, von denen die Romanfiguren freilich in dem Moment noch keinen blassen Schimmer haben.

Das Buch endet wie es begonnen hat: Unspektakulär und ruhig, ohne große Katharsis oder eine neue Erkenntnis, aber mit dem guten Gefühl, dem einstigen Drogendealer Greg zurück in die sechziger Jahre gefolgt zu sein, um mit ihm die Entstehung einer Band zu erleben, die nicht nur sein Leben, sondern auch die Musikgeschichte mitgeprägt hat und die es definitiv wert war, erzählt zu werden – und zwar auf genau diese diffuse, nicht immer akkurate, nicht immer ins letzte Detail gehende, in weiten Teilen fiktionalisierte Art und Weise, wie John Niven es uns in Music From Big Pink offeriert.

Fazit & Wertung:

Music From Big Pink ist ein schnelles, lakonisches, rohes und manchmal derbes Werk, das mit seiner brodelnden Unruhe genau ins Jahr 1967 zu gehören scheint und die damalige Zeit vor den Augen des Lesers lebendig werden lässt.

8,5 von 10 Endlosschleifen des Albums Music From Big Pink

Music From Big Pink

  • Endlosschleifen des Albums Music From Big Pink - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Music From Big Pink ist ein schnelles, lakonisches, rohes und manchmal derbes Werk, das mit seiner brodelnden Unruhe genau ins Jahr 1967 zu gehören scheint und die damalige Zeit vor den Augen des Lesers lebendig werden lässt.

8.5/10
Leser-Wertung 8/10 (2 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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