Review: Boatpeople | Jens Westerbeck (Buch)

Für meine Verhältnisse war es schon wieder extreme lange ruhig hier, aber nun bin ich ja wieder da und liefere eine neue Review ab zu einem Buch, dass mich ganz wunderbar zu unterhalten wusste, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Boatpeople

Boatpeople, DE 2010, 304 Seiten

Boatpeople von Jens Westerbeck
© Heyne Verlag

Autor:
Jens Westerbeck

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-67628-2

Genre:
Drama

 

Inhalt:

Sein Name ist Nick de la Mooring und er verkauft Luxusyachten aus dem sieben- bis achtstelligen Segment und zu ihm kommen all die dekadenten Millionäre und Milliardäre, denen exklusiver Schmuck, teure Sportwagen, Flugzeuge und Immobilien einfach nicht mehr genügen, um ihre Luxusgelüste zu befriedigen. Ständig bewegt sich Nick in der Welt des Glitzers und des schönen Scheins und sieht Frau und Tochter folglich viel zu selten. Stattdessen treibt er sich mit Messehostessen herum, glotzt fremden Frauen auf die Ärsche oder zwischen die Beine, verlustiert sich mit seinen Verkäuferkollegen, zieht sich Koks rein und schmiert den reichen Kunden Honig ums Maul.

Die Saison findet gerade erst ihren Anfang und Nick besucht die Messe in Cannes, Südfrankreich. Doch es werden die letzten Stunden für Nick in dem Gewerbe sein und in dem Wissen schildert er rückblickend seinen letzten, neunundzwanzigstündigen Exzess in der Welt der Reichen und Schönen.

Rezension:

Boatpeople ist durchaus nicht umsonst bei Heyne Hardcore erschienen, den in der Welt von Nick de la Mooring geht es heiß her und meist sofort zur Sache. Stellenweise wirkt das Treiben wie einem Pornofilm entsprungen und an Details wird nicht gegeizt, doch fügen diese Szenen sich so glaubhaft es eben geht in die übertrieben dekadente Erzählung ein, wo wirklich jeder im Grunde nur darauf aus ist, möglichst viel Geld zu besitzen, möglichst viel Sex zu haben und möglichst viele Drogen zu konsumieren, gerne auch in gewagten und einfallsreichen Kombinationen. Dies mag den einen oder anderen prüderen Leser abstoßen, doch würde dieser (hoffentlich) auch nicht unbedingt zu einem „Hardcore“-Buch greifen mit einer mehr als spärlich bekleideten Frau auf dem Cover und wer sich von Jens Westerbeck, der selbst für fünf Jahre als Yachtbroker gearbeitet hat einen ehrlichen, sachlichen oder glaubhaften Blick hinter die Kulissen des Business erhofft hat, der wird noch nicht einmal den Klappentext gelesen haben und hat es somit nicht besser verdient.

Doch Herr Westerbeck nutzt das Ambiente und seine zweifelsohne vorhandenen Kenntnisse der Branche im Grunde nur als Aufhänger, um die Geschichte eines ambivalenten, innerlich zerrissenen, vergnügungssüchtigen und permanent auf Hochtouren agierenden Protagonisten zu erzählen, dem man trotz Jetset und steter Verfügbarkeit von Frauen und Drogen bald schon nicht mehr sein Leben neidet, sondern mehr bemitleidet, zumal er einen mehr als zynischen Blick auf die Welt hat, die für ihn keine Überraschungen oder Freuden mehr bereithält, die ihn mehr und mehr abzustoßen und anzuwidern beginnt und die ihm letztlich klarmachen, dass er, sollte er Frau und Tochter nicht für immer verlieren wollen, besser jetzt als gleich seinem eigenen Treiben Einhalt gebieten muss. Selbstverständlich ist es seiner tiefen Dekadenz geschuldet, dass sich dies nicht gerade einfach gestaltet, doch auf den letzten Seiten finden Nicks Bemühungen ihr folgerichtiges und konsequentes Ende, welches mir einerseits sehr gut gefallen hat und andererseits auch letzte Zweifel zerstreuen dürfte, ob es sich nicht vielleicht doch um einen autobiografischen Roman handeln möge.

Geschildert wird Boatpeople aus der Sicht von Nick de la Mooring in schnellen, knappen Kapiteln, in denen man sich nicht lange mit Ortsbeschreibungen oder Erklärungen aufhält, sondern gleichsam direkt zur Sache kommt. Die Zeitangaben helfen dem Leser, sich während der neunundzwanzigstündigen Reise zurechtzufinden. Unterbrochen werden die Kapitel, um themenrelevante Wikipedia-Einträge zum Besten zu geben, die beispielsweise das innere Zerwürfnis der Figur zu erklären versuchen und immer dann, wenn Nick in seine Gedanken versinkt oder sich des letzten Treffens mit seiner Familie erinnert, dass ihn mehr und mehr mit Trauer erfüllt. Leider bleibt die innere Zerrissenheit der Figur in weiten Teilen bloße Behauptung, so dass auch Nicks steter Wunsch nach Veränderung, hin zur Normalität, kaum ernstgenommen werden kann, weil bald schon die nächste willige Frau, der nächste Exzess bereitsteht und Nicks gute Absichten zunichtemacht.

Ein Sympathieträger ist Nick also bei weitem nicht und seiner Figur hätte ein wenig mehr glaubhafte Ambivalenz gut getan, dafür sind seine Erlebnisse überaus unterhaltsam und herrlich zynisch geschildert, ebenso wie seine Exkurse zu ausgefallenem Drogenkonsum und noch ausgefalleneren Party-Spielen, so dass Boatpeople ein durchaus empfehlenswerter, wenn auch nicht gerade tief- oder hintersinniger Roman über die Dekadenz der Jetset-Elite geworden, die sich hier so benimmt, wie wir es uns alle sicherlich schon einmal vorgestellt haben. Die Fortsetzung Löffelchenstellung ist auch schon in der Mache und wird – ursprünglich angekündigt für Herbst diesen Jahres – im Februar 2013 erscheinen.

Fazit & Wertung:

Boatpeople präsentiert uns eine schillernde wie gleichsam kaputte Hauptfigur, die sich im wahrsten Sinne des Wortes von Exzess zu Exzess hangelt und dabei viel lieber daheim bei der geliebten Familie wäre. Doch ewig lockt das Weib.

7 von 10 von der Eichel gelutschte Kokskrümel

Boatpeople

  • Von der Eichel gelutschte Kokskrümel - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Boatpeople präsentiert uns eine schillernde wie gleichsam kaputte Hauptfigur, die sich im wahrsten Sinne des Wortes von Exzess zu Exzess hangelt und dabei viel lieber daheim bei der geliebten Familie wäre. Doch ewig lockt das Weib.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Boatpeople ist am 09.05.12 als Taschenbuch im Heyne Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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