Review: Schimmernder Dunst über CobyCounty | Leif Randt (Buch)

An diesem sonnigen Tag beglücke ich euch heute auch mit einem ganz besonders schönen Buch und mit einer – wie ich finde – sehr gelungenen Rezension. Ich habe mir diesmal aber auch noch mehr Mühe als sonst schon üblich gegeben, denn deals.com, beziehungsweise deren Blog This Is What We Love – kurz TIWWL – hat das erste Mal zum Literatur-Tipp geladen und anlässlich der Premiere dieser Rubrik am 23.04.13 – passend zum Welttag des Buches – kommt hier nun mein bescheidener Beitrag.

Literatur-Tipp

Schimmernder Dunst über CobyCounty

Schimmernder Dunst über CobyCounty, DE 2011, 192 Seiten

Schimmernder Dunst über CobyCounty von Leif Randt
© Bloomsbury Verlag

Autor:
Leif Randt

Verlag (D):
Bloomsbury Verlag
ISBN:
978-3-833-30854-3

Genre:
Drama | Satire

 

Inhalt:

CobyCounty, eine Realität gewordene Utopie für alle Kunstschaffenden und Kreativen, ein Ort der Kultur, der nicht enden wollenden Parties, der mondänen Gesellschaft, frei von sozialen Problemen, malerisch am Meer gelegen und von allzu unstetem Wetter stets verschont. Hier lebt der sechsundzwanzigjährige Literaturagent Wim Endersson, der an der School of Arts and Economics studiert hat und seitdem seinen Lebensunterhalt mit der Vermarktung erfolgreicher Schriftsteller verdient. Zu leben an einem Ort, an dem andere Leute Urlaub machen, führt zu einem sorgenfreien Dasein zwischen Apathie und Egalität, doch das stumme Versprechen des Paradieses bekommt Risse.

Langsam schleichen sich Unebenheiten in das makellose Stadtbild: vom subversiven Untergrund ist die Rede, eine Hochbahn entgleist, Häuser gehen in Flammen auf und Wims bester Freund Wesley verlässt die Stadt, während Freundin Carla sich anderweitig verliebt hat. Alles keine Tragödien, insbesondere für Wim, doch was bedeuten diese Veränderungen für das Stadtbild von CobyCounty und warum lässt es Wim so seltsam unberührt, als sich weitere Wolken in Form eines angekündigten Jahrhundertsturms am Horizont abzuzeichnen beginnen.

Rezension:

Schimmernder Dunst über CobyCounty ist der zweite Roman des deutschen Autors Leif Randt und nachdem mich sein Debüt Leuchtspielhaus bereits nachhaltig zu begeistern wusste, stand die Sichtung dieses vergleichsweise dünnen Büchleins von kaum 200 Seiten für mich außerfrage. Mit CobyCounty ersinnt Randt ein Utopia ohne Sorgen und Nöte für dessen Bewohner, beneidet von der Außenwelt, erhaben über Probleme und Schicksalsschläge und der mitunter beliebteste und attraktivste Urlaubsort, den man sich vorstellen kann. Vermutlich bewusst hat der Autor sich entschieden, seinem Paradies keine geographische Verortung zu spendieren und beschränkt sich darauf, die restliche Welt zu referenzieren und CobyCounty explizit autark zu belassen. Wim Endersson, der Erzähler der Geschichte, ist es dann auch, der uns die Folgen eines derart sorgenfreien Lebens aufzeigt, wie es sich jeder im Grunde wünschen würde, indes ohne, dass dieser Wim sich des Umstandes bewusst wäre, als Sinnbild für eine Generation zu stehen, die ihr Leben mehr konsumiert denn lebt.

Man ertappt Wim immer wieder dabei, wie er darüber nachsinnt, wie er sich in bestimmten Momenten fühlen müsste und welches Verhalten man wohl von ihm erwarten würde. So erscheinen seine Tage wie im Halbschlaf durchlebt, wirken viele Szenen wie einstudiert und seine innere Gedankenwelt verkommt zu einer ironischen Sinnsuche ohne jeglichen Elan. Schimmernder Dunst über CobyCounty ist ein unaufgeregter Roman, ein hintergründig satirischer Blick auf die Wohlstandsgesellschaft, ein Abgesang auf die Generation Konsum und den Lifestyle der vermeintlich von Wohlstand und Glück durchdrungenen Oberschicht in einer strahlenden und makellosen Außenwelt, die hier jedoch nach und nach Risse bekommen soll und auch wird, jedoch gleichsam, ohne wirkliche Konsequenzen nach sich zu ziehen.

Gerade der zu Beginn so erfolgreich und erfüllt wirkende Wim macht im Verlauf der Geschichte einen Niedergang durch, der anderen Autoren gereicht hätte, ein handfestes Drama zu inszenieren, doch Wim ist so im schimmernden Schein seiner Welt gefangen, bewegt sich beinahe durchgängig auf seiner halbironischen, selbstreflexiven Ebene, dass die Geschehnisse um ihn herum ihn kaum zu tangieren, geschweige denn zu berühren imstande sind. So verlässt Wims bester Freund seit Kindertagen recht überstürzt die Stadt und Wims Freundin Carla, zu der er eine nicht näher definierte Beziehung unterhält, die er als gut organisiert bezeichnet und die in ihren besten Momenten wie eine Karikatur kitschiger Liebesfilme wirkt, sieht sich dazu veranlasst, Wim per SMS über das Ende ihrer Beziehung zu informieren. Der wiederum nimmt – so wörtlich – ihre Entscheidung zur Kenntnis und bereitet sich ebenfalls auf einen neuen Abschnitt vor. Gesagt getan lernt Wim bald CarlaZwei kennen, untrügliches Sinnbild für die Austauschbarkeit einer jeden Person.

So mäandert Wim durch das sich wandelnde CobyCounty und zeigt sich seltsam unbeteiligt an allen ihn umgebenden Veränderungen, ist jedoch dermaßen in seine Lifestyle-Strukturen eingebettet, dass ihn auch die eigene Apathie nie merkwürdig oder tragisch erscheint. Zur wirklichen Selbstreflexion nicht fähig muss sich Wim damit begnügen, das Geschehen um ihn herum hinzunehmen und auch wenn er selbst mehr und mehr zu ahnen beginnt, dass in CobyCounty etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte, sieht er sich außerstande, irgendeine Konsequenz daraus zu ziehen.

All das begünstigt die unaufgeregte Art von Schimmernder Dunst über CobyCounty und auch die reißerisch klingenden Einschläge wie der Absturz der Hochbahn, die in Flammen vergehenden Häuserzeilen und der angekündigte Jahrhundertsturm tragen nicht zu einer Beschleunigung der Geschehnisse bei, weil wir als Leser stets an Wims Seite stehen und dieser mehr interessiert an den Vorkommnissen scheint, als dass sie ihn berühren würden. Ohne sich dessen bewusst zu sein, lebt der Protagonist in einem privilegierten Gefängnis, das ihn sämtlicher lebensbejahender Prämissen beraubt, seien es Rausch, Leidenschaft oder Begeisterung. Ebenfalls ohne es zu realisieren verkommt Wim Endersson dadurch zu einem Abziehbild eines mondänen Twentysomething, der mehr der idealisierten Vorstellung eines künstlerisch begabten und intelligenten jungen Mannes entspricht, als dass er ein eigenes Profil besitzen würde.

In Schimmernder Dunst über CobyCounty bedient sich Leif Randt einer ausgefeilten Sprache, die es ermöglicht, den Fatalismus der Erzählung auf der Metaebene durchscheinen zu lassen und Enderssons Entrücktheit durch dessen oftmals ungewollte Ironie und sinnbildende Überlegungen zu entlarven. Schlussendlich ändert sich im Grunde nichts in der utopischen Welt der stets sonnenbeschienen Straßen, der leise Niedergang in den Figuren selbst ist jedoch dem Leser am Ende nur allzu deutlich.

Fazit & Wertung:

Mit Schimmernder Dunst über CobyCounty baut Leif Randt seine Vormachtstellung als einer der vielversprechendsten deutschen Autoren gekonnt aus und präsentiert in einer unvergleichlich unaufgeregten Art die unterschwelligen Schrecken der Idealvorstellung einer perfekten Welt. Die Figuren drohen nicht etwa aus ihrem vermeintlichen Paradies vertrieben zu werden, sie haben es nie gefunden. Ihre Unwissenheit ist die eigentliche Tragödie dieser literarischen Gegenwartsbetrachtung.

9 von 10 ereignislos verlebten Tagen

Schimmernder Dunst über CobyCounty

  • Ereignislos verlebte Tage - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Mit Schimmernder Dunst über CobyCounty baut Leif Randt seine Vormachtstellung als einer der vielversprechendsten deutschen Autoren gekonnt aus und präsentiert in einer unvergleichlich unaufgeregten Art die unterschwelligen Schrecken der Idealvorstellung einer perfekten Welt. Die Figuren drohen nicht etwa aus ihrem vermeintlichen Paradies vertrieben zu werden, sie haben es nie gefunden. Ihre Unwissenheit ist die eigentliche Tragödie dieser literarischen Gegenwartsbetrachtung.

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Meinungen aus der Blogosphäre:
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Bloomsbury Verlag.

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Schimmernder Dunst über CobyCounty ist am 12.11.12 als Taschenbuch im Bloomsbury Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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Kommentare (2)

  1. Sonja Hartl 22. April 2013

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