Review: Blackbirds | Chuck Wendig (Buch)

Und schon melde ich mich zurück, nachdem ich gestern noch habe verlauten lassen, mit meinem Bücherkonsum nicht hinterherzukommen und offeriere nun entgegen aller Erwartungen eine neue Buch-Kritik.

Blackbirds

Blackbirds, UK 2012, 303 Seiten

Blackbirds von Chuck Wendig | © Bastei Lübbe
© Bastei Lübbe

Autor:
Chuck Wendig

Verlag (D):
Bastei Lübbe
ISBN:
978-3-404-20710-7

Genre:
Fantasy | Mystery | Drama | Thriller

 

Inhalt:

Das Leben von Miriam Black ist geprägt von ihrer ungewöhnlichen Gabe, durch bloße Berührung einer anderen Person eine Vision deren Todes zu haben und bestimmen zu können, wann dieser eintritt. Während sie früher noch versuchte, das Eintreten ihrer Visionen zu verhindern, hat ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben dazu geführt, dass sie sich des puren Fatalismus des Lebens bewusst ist und fest davon überzeugt, das Unabänderliche nicht beeinflussen zu können, auch, weil der Lebensweg eines jeden einzelnen bereits vorherbestimmt ist. So betrachtet sieht sie sich als Boten und Aasgeier, denn sie sucht bewusst die Gesellschaft baldiger Verstorbener, um sie nach Eintritt des Todes um ihre Habseligkeiten zu erleichtern. So vagabundiert Miriam durch die vereinigten Staaten, zieht von Motel zu Raststätte zu Motel und hält sich mit andauerndem Alkoholkonsum und exzessiver Raucherei bei Laune. Ihr bitterböser Galgenhumor bewahrt sie dabei vor dem Verrücktwerden, wohingegen ihre große Klappe sie ein ums andere Mal in neue Schwierigkeiten stolpern lässt.

So lernt Miriam auch den Trucker Louis kennen und sieht für ihn einen grauenhaften Tod voraus – in nicht einmal zwei Wochen. Freilich ohne ihm dies zu offenbaren trennen sich ihre Wege und bald schon macht Miriam die Bekanntschaft mit Ashley. Der allerdings entpuppt sich bald als Trickbetrüger, der sie verfolgt hat, da er um ihre Gabe weiß und sie für seine Zwecke nutzen will. Dumm nur, dass Ashley sich auch auf der Flucht befindet und seine Verfolger über alle Maßen skrupellos und brutal zu Werke gehen. Nicht nur Miriam, sondern auch der unbedarfte Louis geraten alsbald ins Fadenkreuz von Ashleys Verfolgern und gerät in den Zwiespalt wider besseren Wissens zu versuchen, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen oder das Unausweichliche zu akzeptieren.

Rezension:

Mit Blackbirds legt Autor, Drehbuchschreiber und Spieledesigner Chuck Wendig ein unbestreitbar überzeugendes deutschsprachiges Debüt vor, denn die Prämisse seines Romans ist so einfach wie genial: Die Herumtreiberin Miriam Black erfährt durch Berührung, wann und wie ihre Mitmenschen sterben werden. Zweifelsohne keine beneidenswerte Gabe, die in ihr im Laufe der Jahre eine Menge Zynismus sich hat anstauen lassen. Dementsprechend verkorkst wirkt die Figur, streunt durchs Leben, hat keine feste Bleibe und keine hehren Ziele, flucht, trinkt und raucht und ist im Grunde so unsympathisch wie nur sonst etwas, dennoch empfindet man mehr und mehr Zuneigung zu der Überlebenskünstlerin, die im Grunde ja nur mit ihrem Schicksal hadert, auch wenn sie ein ums andere Mal proklamiert, das Schicksal sei unumstößlich festgeschrieben und folglich keine menschliche Handlung selbstbestimmt.

So stolpert sie blindlings in eine von Seite zu Seite dichter werdende Geschichte, die zunächst wirkt, als wäre sie eine beliebige Aneinanderreihung zufälliger Begegnungen, bis sich mehr und mehr die Zusammenhänge erschließen und klar wird, dass es mit Miriams vergleichsweise sorgloser Herumtreiberei nun zu Ende ist. Unterbrochen werden die sich immer weiter zuspitzenden Geschehnisse von so genannten Zwischenspielen. Das kann ein in der Vergangenheit verortetes Interview mit Miriam sein, in dem sie die Regeln und den Ursprung ihrer Gabe erörtert, eine Alptraumsequenz, wenn Miriam einmal mehr darniederliegt oder auch die kurz und knapp eingeworfene Vorgeschichte einer der handelnden Figuren. Derer gibt es übrigens in Blackbirds eigentlich nur sechs nennenswerte, so dass das Ensemble durchaus überschaubar zu nennen wäre, dadurch aber die Dichte der Geschichte unterstützt, die auf ziemlich exakt 300 Seiten eine regelrechte Sogwirkung entfaltet, was nicht zuletzt an der schmissigen Schreibe, dem größtenteils gehetzten Treiben und den knapp gehaltenen Kapiteln geschuldet ist.

Dabei verhält sich Blackbirds in weiten Teilen wie ein Urban-Fantasy-Roman, der auf den Spuren eines auf Papier gebannten Road-Movies wandelt, während es sich im Grunde um einen waschechten Thriller mit übernatürlichem Einschlag handelt. Dieser ist übrigens nichts für sanfte Gemüter, denn nicht nur die Tode der Figuren und so manche Folterszene werden drastisch und explizit geschildert, sondern auch die teils wirklich beklemmenden Alptraumsequenzen stehen dem in nichts nach. Des Weiteren versteht sich Miriam Black wahrhaftig aufs Fluchen und bedient sich einer oftmals extrem unflätigen Ausdrucksweise. Das mag sicher nicht jedermanns Geschmack sein, doch trifft es das Flair der Geschichte und passt vortrefflich zu der desillusionierten und fatalistisch eingestellten Figur, die sich ihrerseits eben auch überwiegend in nicht gerade strahlender Gesellschaft bewegt.

Einzig der Umstand, dass es sich bei Blackbirds um den Auftakt einer Reihe um Miriam Black handelt (was mir vorher nicht klar war) erzeugt eine gewisse Art ambivalenter Gefühle, denn die Geschichte wirkt in sich derart stringent und dicht, der Kosmos um Miriams Vagabundendasein in sich so stimmig und die Katharsis, die sie am Ende erfährt, im Kontext der Erzählung so befriedigend, dass die Gefahr groß ist, dass die tolle Idee sich im Nachfolger Blackhearts abnutzt. Dennoch freue ich mich natürlich bereits auf das Wiedersehen (im November übrigens), denn lange schon nicht mehr hatte ich einen derartigen Pageturner in der Hand, der stilistisch so überzeugend und dennoch roh, dreckig und kraftvoll daherkommt.

Fazit & Wertung:

Blackbirds ist ein düsterer Urban-Fantasy-Thriller, der mit einer spannenden Prämisse aufwartet, die der Autor gekonnt für seine Zwecke zu nutzen weiß. Die rotzfreche und vorlaute Miriam Black wächst einem dabei ganz unerwartet ans Herz, so dass man schon auf den Nachfolger gespannt sein darf.

9 von 10 unheilvollen und erschreckenden Todesvisionen

Blackbirds

  • Unheilvolle und erschreckende Todesvisionen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Blackbirds ist ein düsterer Urban-Fantasy-Thriller, der mit einer spannenden Prämisse aufwartet, die der Autor gekonnt für seine Zwecke zu nutzen weiß. Die rotzfreche und vorlaute Miriam Black wächst einem dabei ganz unerwartet ans Herz, so dass man schon auf den Nachfolger gespannt sein darf.

9.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Bastei Lübbe. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Blackbirds ist am 19.04.13 im Bastei Lübbe Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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