Da ich derzeit mit meinem Bücherkonsum immer noch nicht hinterherkomme – was daran liegen mag, dass es sich bei allen Büchern, denen ich mich gerade widme, um vergleichsweise dicke Schmöker handelt – kommt hier nun in Ermangelung von Alternativen einfach die nächste Film-Kritik, was ja aber auch nichts schlechtes sein muss, schließlich handelt es sich um einen unglaublich schönen Film, von daher passt das schon ganz gut. Ich für meinen Teil wende mich jetzt aber erst einmal wieder Richtung Haustür und genieße die Sonne. Allen Daheimgebliebenen nun aber viel Spaß mit meiner neuesten Rezension.
Beasts of the Southern Wild
Beasts of the Southern Wild, USA 2012, 93 Min.
© Ascot Elite
Benh Zeitlin
Lucy Alibar (Drehbuch & Theaterstück) &
Benh Zeitlin (Drehbuch)
Quvenzhané Wallis (Hushpuppy)
Dwight Henry (Wink)
Drama | Fantasy
Trailer:
Inhalt:
Gemeinsam mit ihrem Vater Wink lebt die kleine Hushpuppy in einem Ort namens Bathtub fernab der Zivilisation in den Sümpfen der amerikanischen Südstaaten. Hier hat sich eine Gruppe Aussteiger zusammengetan, um gemeinsam der Natur zu trotzen und sich unter einfachsten Bedingungen ihr persönliches Paradies zu schaffen. Die aufgeweckte Hushpuppy ist gänzlich gefangen von dem Zauber Bathtubs und ersinnt sich eine Welt der Magie und Wunder, doch auch der Gefahren. So kommt es, dass Hushpuppy in der Schule von den Auerochsen erfährt und bald schon imaginiert, dass diese aus ihrem Gefängnis im ewigen Eis der Polkappen entkommen und sich in Richtung Bathtub bewegen. Ein unheilvoller Sturm, der den Landstrich überflutet und viele der Häuser in Bathtub zerstört bestärkt Hushpuppy noch in ihrem Glauben.
© Ascot Elite
Während die Bewohner der Sumpf-Kommune eng zusammenrücken müssen und mit unkonventionellen Mitteln den Wiederaufbau der Siedlung planen, fabuliert Hushpuppy weiter über die Bedrohung durch die Auerochsen, doch das tapere Mädchen ist bereit, sich allen Widrigkeiten entgegenzustellen und ihren Platz im Leben einzunehmen, ganz so, wie ihr Vater es sich immer für sie gewünscht hat. Armut, Hunger und Krankheit zum Trotz beginnt für Hushpuppy ein großes Abenteuer.
Rezension:
Beasts of the Southern Wild ist zumindest für meine Begriffe ein Film, wie man ihn in der Form wirklich noch nicht gesehen hat. Theoretisch könnte dies eine klassische Coming-of-Age-Geschichte werden, doch die gerade einmal zehnjährige Erzählerin Hushpuppy straft diese Annahme Lügen, ebenso wie die exotische und von der Außenwelt hermetisch abgeriegelte Welt von Bathtub. Das ganz gar nicht alltägliche Leben dort wird noch unterstützt von dem Schleier der Magie, die das kleine Mädchen um die Welt zu spannen weiß, so dass eine Verkettung von Ereignissen sie glauben lässt, sie habe die Auerochsen, urtümliche Monster aus einer längst vergessenen Zeit, erwachen lassen, so dass diese nun, während die Polkappen weiter schmelzen, die Welt und alles darauf bedrohen. Während Bathtub also droht hinweggeschwemmt zu werden, gibt sich Hushpuppy die Schuld an dem Desaster und glaubt, das Ende der Welt eingeläutet zu haben.
© Ascot Elite
Die kindlich fantasievolle Heldin und ihr Stoizismus machen aus Beasts of the Southern Wild auch zuvorderst etwas ganz besonderes, denn gerade der ungewohnte Blickwinkel, der im Übrigen auch von der Kameraführung mitgetragen wird, lässt den Zuschauer ganz tief in das Erleben Hushpuppys eintauchen, ebenso wie die bedrohlichen Sequenzen der sich nähernden Auerochsen. Dabei verkörpert Quvenzhané Wallis ihre Heldin sehr facettenreich und ist so nie nur ein ungestümes oder naives Kind, sondern ein Kind aus dem Hinterland, welches sich durchaus zu behaupten weiß. Diese Stärke benötigt Hushpuppy auch, beispielsweise wenn sie sich ihrem Vater – dargestellt von Dwight Henry – gegenübersieht, dessen Stimmung von einer Sekunde auf die andere ins komplette Gegenteil kippen kann, so dass man nie weiß, ob man einen cholerischen Trinker oder vielleicht doch einen liebenden Vater vor sich sieht.
Imaginierte Auerochsen und das von Hushpuppy eingeläutete Ende der Welt reichen aber natürlich nicht aus, um einen märchenhaften Film zu drehen und so gibt es mehrere Sequenzen, die in ungewohnt authentischen und glaubhaften Bildern den Zauber des Lebens in Bathtub einfangen und mit einer eigenwilligen, aber unglaublich mitreißenden Bluegrass-Musik unterlegt sind. Beasts of the Southern Wild gelingt es tatsächlich mit einfachste Mitteln, eine lebende, atmende, gefahrvolle, aber auch wunderschöne Welt zu erschaffen und für die Dauer des Films lebendig werden zu lassen. Dafür nimmt sich Regisseur Benh Zeitlin gerade am Anfang auch wirklich Zeit, obwohl ich mir noch mehr Geschichten aus der Welt von Bathtub gewünscht hätte. Wenn dann der Sturm aufzieht, zieht auch das Tempo merklich an, doch bewegt sich der Film zu diesem Zeitpunkt auch schon auf sein Ende zu und so kommt es leider auf den letzten Metern zu einer traurigen Aneinanderreihung viel zu schnell abgehandelter Sequenzen, die mir manchmal beinahe das Gefühl vermittelt haben, etwas verpasst zu haben.
© Ascot Elite
Mit Blick darauf, wie viel Zeit sich die Macher für das Etablieren des Settings und der Figuren genommen haben, wirkt die letzte Viertelstunde daher leider arg gehetzt und so konnte mich auch die Auflösung des Plots um die Auerochsen leider nicht vollends überzeugen. Beasts of the Southern Wild ist zweifelsohne ein Film, der mitreißt, der packend und emotional erzählt ist und den man sich auf alle Fälle mindestens einmal angesehen haben sollte, doch bleibt am Ende eben „nur“ ein ausgezeichnetes und kein herausragendes Filmerlebnis, was spielend drin gewesen wäre, wenn nicht in der zweiten Hälfte der stilistische Bruch und das angezogenen Tempo die vormals so sorgsam inszenierte Magie in Teilen zerstören würde. Dennoch stimmt das Ende versöhnlich und ich werde jedem, der es hören möchte, diesen Film wärmstens ans Herz legen.
Beasts of the Southern Wild
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Urzeitliche und monströse Auerochsen - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Beasts of the Southern Wild ist ein durch und durch magisches und eindringliches Filmereignis voller großartiger Momente und Sequenzen, dass leider zum Ende hin ein wenig arg überhastet wirkt und damit die Chance auf einen Platz im Olymp der filmischen Schaffenskunst knapp verspielt.
Meinungen aus der Blogosphäre:
Xanders Blog: 8/10 Punkte
Beasts of the Southern Wild ist am 07.05.13 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Ascot Elite erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
Kann man so gelten lassen!
Vielleicht lag es auch an dem wie du sagst gehetzten Ende, dass der Film seinen Zauber – zumindest für mich – nicht bis zum Ende ausbreiten konnte. Der Anfang zumindest (das Feuerwerk!) ist ganz großes Kino.
Ja, am Ende hat der Film in meinen Augen ganz stark abgebaut und wenn ich es nicht besser gewusst hätte (habe ich!), hätte ich manchmal denken können, kurz eingenickt zu sein und etwas verpasst zu haben, so plötzlich kamen da manche Entwicklungen (die Kinder, die aufs Meer schwimmen…).
Ansonsten ist der Film wirklich ganz großes Kino und ich finde es auch fast nicht dreist, für die DVD-/Blu-ray-Hülle den Begriff “Kinomagie” erdacht zu haben.
Hatte ich auch schon in der Hand, letztendlich habe ihn dann doch nicht gekauft. Wird aber irgendwann bestimmt nachgeholt. Klingt nämlich schon recht gut…
Sebastians Review ist natürlich im Vergleich ziemlich vernichtend ausgefallen, da wird man abwägen müssen. Ansonsten pflichte ich dir selbstverständlich bei, da ich ja auch zu dem Lager gehöre, dass den Film richtig richtig gut fand.
Ich glaube, Beasts of the Southern Wild ist wirklich eine Geschmackssache. Ich hab ihn mit Sebastian zusammen geschaut und ging mit seiner Meinung konform. Konnte mir aber direkt vorstellen, dass es ganz bestimmt Leute gibt, die eben ganz anderer Meinung sind als wir. Ähnlich geht es zumindest mir mit Lovesong for Bobby Long – Basti hat ihn noch nicht gesichtet. Allerdings war es da umgekehrt. Ich fand ihn einfach bezaubernd und großartig (einer meiner Lieblingsfilme), während ich aber gleichzeitig wusste, dass es Menschen gibt, die ihn sterbenslangweilig finden werden. :)
Aber davon ab: eine schöne Rezension, die ein etwas anderes Licht auf den Film wirst als Sebastians Review, und auch das muss es ja schließlich geben. :) Ich mag Deinen Schreibstil immer sehr, egal, ob Du was auseinander nimmst oder lobst.
Erst einmal sorry für die verspätete Antwort, aber ich kämpfe gerade ein wenig mit Stress und so, da ist dein Kommentar irgendwie untergegangen. Sicherlich sind viele Filme Geschmackssache und gerade Filme wie “Beasts of the Southern Wild” ganz besonders, so dass ich ebenso nachvollziehen kann, wenn man den Film so überhaupt nicht mochte, dafür kann ich ja zum Beispiel den “Tributen von Panem” absolut nichts abgewinnen und selbst die Blogger, mit denen ich sonst meistens konform gehe sind von dem Film hellauf begeistert gewesen, während ich noch extrem wohlwollend gerade einmal 4 Punkte vergeben habe.
“Lovesong für Bobby Long” steht bei mir leider noch ungesehen rum, da kann ich mir also noch kein Urteil erlauben, aber er wirkt auf mich schon wie ein entschleunigter, unaufgeregter Film und das setzen eben manche gleich mit sterbenslangweilig – Geschmackssache eben ;-)
Und davon ab freut es mich natürlich wenn mein Schreibstil Anklang findet, also vielen Dank für die lieben Worte!