Review: Gun Machine | Warren Ellis (Buch)

Eigentlich wollte ich diesen Beitrag ja schon gestern veröffentlicht haben und er ist auch quasi schon fertig gewesen, aber gestern habe ich mich nach Köln begeben, um im Rahmen eines Bloggertreffens dem DuMont Buchverlag einen Besuch abzustatten. Unerwartet zog sich dieser Besuch dann aber doch länger hin und insbesondere die Rückfahrt war dank gamescom nicht unbedingt reibungslos. Dafür war es ein tolles, witziges, inspirierendes Treffen mit wahnsinnig netten Leuten, auch wenn ich – statt neue Kontakte in der Literatur-Blogger-Szene zu knüpfen mich hauptsächlich mit den netten Verlagsmitarbeitern unterhalten und lebhaft über Filme, Serien und dergleichen diskutiert habe. Sei es wie es will kommt hier nun also erst einmal meine neueste Buch-Kritik und wenn ihr mehr über das Bloggertreffen erfahren möchtet, verweise ich zunächst einmal auf den Bericht auf sharon baker liest, dem ich mich in allen Punkten anschließen kann!

Jetzt aber schlussendlich viel Spaß mit meinem neuesten Artikel!

Gun Machine

Gun Machine, USA 2013, 383 Seiten

Gun Machine von Warren Ellis | © Heyne
© Heyne

Autor:
Warren Ellis

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-43725-8

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Im Grunde ein typischer Tag für den New York Police Detective John Tallow: Er und sein Partner werden in die Pearl Street beordert, weil ein nackter Mann mit einer Schrotflinte bewaffnet seine Nachbarn vom Treppenhaus aus bedroht. Doch dann muss Tallow beobachten, wie seinem Partner während des Einsatzes der halbe Kopf weggeschossen wird, woraufhin er den aufgebrachten Nackten tötet. Während des Schusswechsels wurde allerdings auch die Wand des hinter dem Mann befindlichen Appartements getroffen und einer Eingebung folgend lässt Tallow von der Spurensicherung ein Loch in die Wand reißen, nachdem die ominöse Türe sich einfach nicht öffnen lässt. Hinter der Wand findet sich eine merkwürdige, in Mustern angeordnete, das ganze Appartement einnehmende Waffensammlung.

Tallow lehnte sich an die Wand, direkt neben den Fleck, wo Jim Rosatos Hirnmasse nicht ganz vollständig vom Putz gekratzt worden war. Fast hätte er gelacht.

Während sich Tallow schon mit dem Hass der Spurensicherung konfrontiert sieht, trifft er im Labor auf die geistesgestört anmutenden Forensiker Bat und Scarly, die ihm alsbald eine schockierende Wahrheit offenbaren: Jede der eindeutig identifizierbaren Waffen kann einem ungelösten Mordfall zugeordnet werden und diese reichen bis zu zwanzig Jahre zurück. Während Tallows Lieutenant erkennt, dass ein derartiger Fund eine riesige Blamage für das gesamte Department wäre, schustert sie ihm den Fall zu und sieht ihn schon als Bauernopfer im Ränkespiel der Dienstgrade. Doch Tallow und die ihm zugewiesenen Forensiker geben nicht auf und erfahren bald, dass die Waffen gar thematisch passend zu dem jeweiligen Mordopfer gewählt worden sind. Während Tallow zunächst unbewusst den heimlichen Auftraggebern mehr und mehr auf die Schliche kommt, streift der vielfache Mörder noch immer durch die Straßen, sieht sein Kunstwerk entweiht und plant schweren Herzens, seine Rache an der Zivilisation von vorn zu beginnen.

Rezension:

Nach einer viel zu langen Wartezeit hat Warren Ellis nach Gott schütze Amerika nun endlich mit Gun Machine seinen zweiten Roman abgeliefert, wenn er sich auch als Autor eher auf dem Gebiet der Graphic Novels – beispielsweise mit der vielgerühmten Serie Transmetropolitan einen Namen gemacht hat. Ellis Stil ist dabei auch in diesem Krimi unverkennbar und ungeschönt und mit sichtlicher Freude präsentiert er eine Hardboiled-Story, wie sie eigentlich nur von ihm hat stammen können. Seinem desillusionierten, zynischen, belesenen und jüngst erst aus seiner Lethargie erwachten stellt Ellis dabei die beiden wirklich verqueren Forensiker Bat und Scarly an die Seite, deren Wortgefechte und Zänkereien es allein schon wert wären, einen blick auf dieses Buch zu riskieren, doch der heimliche Held der Erzählung ist der Jäger, der unter einer dissoziativen Wahrnehmungsstörung leidet, sich oftmals gar nicht im modernen Manhattan sondern ihm lange unter Gebäuden und Zivilisation begrabenen Mannahatta zu Zeiten der indianischen Ureinwohner wähnt.

Ein Auto brach aus dem Wald und durchbohrte den Jäger beinahe mit seinem Chrom. Der Jäger wirbelte herum und klammerte sich an einen Rotahorn, während das Auto vorbeiraste und sich in ein silbriges Wolfsrudel dissoziierte, das in dunkle Bäume entschwand.

Je nach Kapitel wird der Fortgang der Geschichte aus Sicht von Tallow oder dem Jäger geschildert, die beide lange Zeit kaum aufeinandertreffen, deren Handlungsstränge sich aber selbstverständlich mehr und mehr verdichten, sich annähern, miteinander verzahnen, bis eine Konfrontation unvermeidlich wird. Bis dahin nutzt Ellis die Zeit, uns über die Hintergründe der Geschichte und somit auch über die Motive des Jägers aufzuklären, der bei allen Psychosen und Wahnvorstellungen, sogar eine sozialkritische Komponente in die aberwitzige Story einfließen lässt, wenn es um die Vertreibung der Ureinwohner und die Korrumpierung ihrer Wertvorstellungen geht, wenn quasi geschildert wird, wie die Indianerstämme vom Kapitalismus geschluckt und von der späteren Wall Street ersetzt werden. Das allein verspricht schon spannende Lektüre in dem überdrehten Kontext von Gun Machine, doch dank seiner Erfahrung weiß Ellis die wechselnden Perspektiven auch dafür zu nutzen, ungemein gute Cliffhanger einzubauen und die Spannung noch einmal zu erhöhen.

So abstrus und überhöht die Darstellung des zutiefst abgründig scheinenden New York zunächst wirken mag, relativiert sich auch dieser Eindruck, wenn man gemeinsam mit Tallow das erste Mal dem schreckenerregenden Polizeifunk lauscht, dessen dort geschilderte Abnormitäten sich gegenseitig ein ums andere Mal zu übertrumpfen scheinen, denn spätestens dort wird deutlich, dass es gar nicht so sehr eine durch und durch grausame und pervertierte Welt ist, durch die sich Tallow und Konsorten bewegen, sondern dass dieses Groteske auch ein Stück weit ihrer einseitig pessimistischen Weltsicht geschuldet ist. Gun Machine so viel muss man aber – gerade für diejenigen, die noch nicht in Berührung mit Warren Ellis‘ Werken gekommen sind – festhalten, bedient sich einer harten Sprache und hält mit Gewaltschilderungen nicht hinter dem Berg, so dass man sich doch auf harten Tobak einstellen darf, wenngleich dies sicherlich nicht das prägnanteste Merkmal der Erzählung ist.

An der Kreuzung von Fifth Avenue und East Twenty-Seventh Street hatte ein Mann Augenzeugenberichten zufolge versucht, eine Chase Bank zu überfallen – nur um sich danach als »zerfallender Engel« zu bezeichnen, rauszugehen, einen unbeteiligten Postangestellten zu erschießen, sich die Waffe aufs Auge zu pressen und mit lauter Stimme zu verkünden: »Disneyland war auch scheiße.« Dann hatte er abgedrückt.

Schade ist eigentlich nur, dass das Ende im Vergleich zur vorangegangenen Geschichte recht abrupt herbeigeführt beziehungsweise schnell abgehandelt wird und man sich hier noch weitere erhellende, vertiefende Erkenntnisse gewünscht hätte, doch auch in diesem Fall kann man konstatieren, dass eine weiterführende Analyse der Hintergründe die Geschehnisse selbst lediglich hätte abwerten können und es folglich Ellis‘ Kalkül entsprach, mit nicht zu vielen Worten zu enden, denn ähnlich erklärt es Tallow selbst, als er beschließt, den Jäger nicht beim Namen zu nennen, weil etwas so profanes der Figur, die er geschaffen hat, nicht gerecht würde. Davon ab präsentiert sich Gun Machine aber unumwunden als lohnenswerter und einfallsreicher Hardboiled-Thriller, der dank seiner gesellschaftskritischen Versatzstücke und der extrem schillernden Figuren sogar dem Serienkiller-Genre noch neue Facetten abzuringen weiß.

Fazit & Wertung:

Gun Machine ist ein bitterböser, brutaler und spannender Krimi mit einer clever konstruierten Geschichte voller verschrobener und skurriler Figuren, der nicht zuletzt aufgrund seines beißenden Zynismus und bitterbösen Humors eine Menge Spaß macht.

9 von 10 erschreckenden Polizeifunkmeldungen

Gun Machine

  • Erschreckende Polizeifunkmeldungen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Gun Machine ist ein bitterböser, brutaler und spannender Krimi mit einer clever konstruierten Geschichte voller verschrobener und skurriler Figuren, der nicht zuletzt aufgrund seines beißenden Zynismus und bitterbösen Humors eine Menge Spaß macht.

9.0/10
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Weitere Details zum Buch und den Autoren findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Gun Machine ist am 13.05.13 als Taschenbuch bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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Kommentare (2)

  1. caterina 25. August 2013

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