Review: Homeland: Carries Jagd | Andrew Kaplan (Buch)

Einmal mehr hat TIWWL zum Literatur-Tipp gerufen und einmal mehr bin ich dem Ruf gefolgt, nicht ohne mir indes natürlich Gedanken zu machen, was man diesmal im Rahmen dieser mittlerweile hoffentlich renommierten Sparte offerieren könnte. Meine Wahl mag daher zunächst – gerade im Kontext der vorangegangenen Literatur-Tipps – überraschen, aber Homeland: Carries Jagd erscheint mir dennoch exemplarisch richtig und wichtig im Kontext einer neuen und noch relativ unerschlossenen Literaturgattung, die sich nicht schlicht darauf konzentriert, massenkompatibles Franchise-Material zu einem erfolgreichen Produkt zu schaffen, sondern tatsächlich eine wohldurchdachte, sinnvolle Geschichte im Kontext der eigentlichen Erzählung zu schaffen und dafür ist vorliegendes Buch nun einmal ein Paradebeispiel und verdient sich Hochachtung, wenngleich es noch vor wenigen Jahren als schnödes Fan-Produkt verschrien worden wäre.

Literatur-Tipp

Homeland: Carries Jagd

Homeland: Carrie’s run, USA 2013, 400 Seiten

Homeland: Carries Jagd von Andrew Kaplan | © Heyne
© Heyne

Autor:
Andrew Kaplan

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-26922-4

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

In Beirut soll die CIA-Agentin Carrie Mathison ein Treffen mit einer Kontaktperson namens Nightingale wahrnehmen, doch etwas geht gehörig schief und das Treffen entpuppt sich als Hinterhalt, dem Carrie nur mit größter Not entkommt. Obwohl sie keine Schuld trifft, wird Carrie nach Langley zurückbeordert und bekommt von ihrem Mentor Saul Berenson wie auch dem Leiter des CTC, David Estes, gehörig die Leviten gelesen. Doch vor ihrer Abreise aus Beirut wurden Carrie von einer Informantin Informationen zugespielt, dass ein Anschlag auf ein wichtiges strategisches Ziel in den USA kurz bevorstehen könnte. Da niemand bei der CIA ihren vagen Hinweisen zu glauben bereit ist, begibt sie sich zur NSA, um dort an weitere, dringend benötigte Informationen zu kommen.

Ihr Alleingang fliegt auf und Estes versetzt sie vom CTC zum Office of Collection Strategies and Analysis. Carrie ist außer sich ob der himmelschreienden Ungerechtigkeit und hat mehr und mehr mit ihrer bipolaren Störung zu kämpfen, die sich erneut Bahn bricht und sie aus ebenselbiger zu werfen droht. Doch die Hinweise auf den Anschlag erweisen sich als richtig und auch Saul und David stehen weit mehr hinter Carrie, als sie es sich vorstellen kann, haben sie nicht grundlos vermeintlich strafversetzt in eine Abteilung, die sich auf Analyse spezialisiert hat und ihr folglich alle Mittel an die Hand gibt, weiter zu recherchieren, ohne bei der Obrigkeit unangenehm aufzufallen. Als die Hinweise sich zu verdichten beginnen, dass der berüchtigte Abu Nazir und sein nicht minder gefürchteter Komplize Abu Ubaida in die Anschläge verwickelt sind, wird Carrie erneut in den Feldeinsatz geschickt, um vor Ort die Spuren zu verfolgen und die zwei Terroristen-Führer nach Möglichkeit zu stellen.

Rezension:

»Du wirst als Verbindungsglied zwischen der Abteilung Naher Osten und dem Counterterrorism Center fungieren. Die kümmern sich jetzt um die Alec Station.« Damit gemeint war die einzige CIA-Station, die nicht einem bestimmten Ort zugeteilt war, sondern einem bestimmten Ziel: dem Terrornetzwerk al-Kaida. »Du wirst Estes über deine Arbeit Bericht erstatten.« Er beugte sich zu ihr, und sie roch sein Aftershave: Polo, Ralph Lauren. »Aber du arbeitest für mich.«

Es gibt zahllose Bücher zu Filmen oder auch Serien, die im Nachhinein produziert werden und ziemlich offensichtlich auf reine Geldmache ausgelegt sind, insbesondere wenn sie schlichtweg die bereits bekannte Geschichte nacherzählen. Dennoch finden sich natürlich – ob aus Unkenntnis oder Indifferenz – entsprechende Käuferscharen, doch dass es auch anders, sprich besser, geht, beweist nun der jüngst veröffentlichte Thriller Homeland: Carries Jagd, der in diesem Kontext eine rühmliche Ausnahme bildet. Natürlich reist die Geschichte auf den Fahrwassern des Erfolges der renommierten Serie, doch hat man sich hier sichtlich bemüht, eine adäquate Vorgeschichte, also ein Prequel zu generieren, dass nicht nur dem Geist der Vorlage entspricht, sondern gleichermaßen für Kenner und Nichtkenner der Serie geeignet scheint, da es einerseits keinerlei Vorkenntnisse voraussetzt, andererseits aber auch interessante Details offenbart, die in Dialogen der Serie teils angedeutet worden sind wie etwa Carries Affäre zu David Estes, deren Hintergründe hier nun enthüllt werden.

Vor allem beweist Autor Andrew Kaplan, der zumindest in Amerika durchaus kein unbeschriebenes Blatt ist, dass er sich eingehend mit der Serie auseinandergesetzt hat, so dass Carrie, Saul und alle anderen bekannten Protagonisten reden, wie sie es auch in Homeland tun und schon nach wenigen Seiten vor dem geistigen Auge lebendig zu werden wissen. Lob gebührt in dem Zusammenhang dem Übersetzer Norbert Jakober, dem es gelungen ist, dieses einmalige Flair auch in die deutsche Ausgabe zu transferieren. So wirkt Homeland: Carries Jagd auch weniger wie ein Franchise-Schnellschuss, der der reinen Profitgier wegen das Licht der Welt erblickt hat, sondern in allen Belangen wie eine sinnvolle, spannende und gut recherchierte Ergänzung, die aufgrund der erwähnten aufgegriffenen Verweise aus dem Seriengeschehen sicherlich als Kanon betrachtet werden kann.

Weiterhin ist nicht von der Hand zu weisen, dass Andrew Kaplan so etwas wie die Idealbesetzung für die Romanadaption darstellt, da er als ehemaliger Journalist und Kriegsberichterstatter, der sowohl mit der U.S. Army als auch der israelischen Armee Berührung hatte, und man diesen Erfahrungsschatz immer dann spürt, wenn es gilt, politische Zusammenhänge und Zerwürfnisse deutlich zu machen, denn er begnügt sich bei weitem nicht damit, einen spannenden Thriller zu fabrizieren, sondern geht ebenso auf die unterschiedlichen Einflüsse und Strömungen im Nahen Osten ein und vermag, diese Zusammenhänge auch in – nicht aufgesetzt wirkenden – Dialogen zu veranschaulichen. Homeland: Carries Jagd ist somit nicht nur unterhaltsam, sondern in einem begrenzten Maße sogar lehrreich, wenn auch klar ist, dass der eigentliche Konflikt zugunsten der Handlung und des Verständnisses vereinfacht und zusammengestaucht worden sein wird.

»Wir beobachten derzeit keine signifikante Zunahme in der Kommunikation, abgesehen vom üblichen dschihadistischen Scheiß im Web. Da kursieren die abenteuerlichsten Pläne: Anschläge auf die Wasserversorgung von New York City oder auf Raffinerien und Chemiefabriken. Der absolute Favorit ist der Vorschlag, ein Privatflugzeug voller Sprengstoff ins Kapitol zu steuern. Wobei mir schleierhaft ist, wie irgendjemand auf die Idee kommen kann, es würde Amerika schweren Schaden zufügen, ein paar Kongressabgeordnete zu verlieren«, fügte er grinsend hinzu. »Ansonsten wäre zu erwähnen eine leichte Zunahme im Telefonverkehr bei den Salafisten auf dem Sinai, was höchstens für die Israelis interessant sein dürfte. Das ist so ziemlich alles.«

Sachverstand, ein Händchen für schnelle, actionreiche Passagen und schnittige Dialoge, gepaart mit aus der Serie bereits bekannten Figuren, die hier – allen voran natürlich Carrie – an Tiefe und Background hinzugewinnen, ergeben gemeinsam einen rundherum überzeugenden Thriller vor politischem Hintergrund, der stilsicher auf die zugrundeliegende Serie zuführt. Der Spannung tut dies im Übrigen keinen Abbruch, denn auch wenn man sich beispielsweise im Klaren darüber ist, dass Abu Nazir als großer Bösewicht nicht geschnappt werden wird, ist die Jagd nach ihm und seinem großen Komplizen so nervenzerreißend spannend inszeniert, dass man sich über derartige Banalitäten gar keine Gedanken machen kann. Tatsächlich ist Kaplan mit Homeland: Carries Jagd ein echter Page-Turner gelungen, der auch ohne die Serie seine Daseinsberechtigung hätte, durch die thematische Verknüpfung aber natürlich noch einmal an Relevanz gewinnt. Allen Homeland-Fans sei der Roman wärmstens ans Herz gelegt, alle anderen sollten bei einem Faible für gute und packende Thriller dennoch einen Blick riskieren und nach Beendigung des Buches fraglos auch der Serie verfallen.

Fazit & Wertung:

Andrew Kaplans Homeland: Carries Jagd wirkt auf den ersten Blick wie eine überflüssige Franchise-Ausgeburt, offenbart aber schon nach wenigen Seiten dermaßen viele Qualitäten, dass der Geschichte ihre Relevanz, ihre Spannung und der durchdachte Plot nicht abgesprochen werden können. Auf dem Niveau dürfte es gerne mehr ergänzende Bücher zu Serienproduktionen geben!

9 von 10 Verschwörungstheorien

Homeland: Carries Jagd

  • Verschwörungstheorien - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Andrew Kaplans Homeland: Carries Jagd wirkt auf den ersten Blick wie eine überflüssige Franchise-Ausgeburt, offenbart aber schon nach wenigen Seiten dermaßen viele Qualitäten, dass der Geschichte ihre Relevanz, ihre Spannung und der durchdachte Plot nicht abgesprochen werden können. Auf dem Niveau dürfte es gerne mehr ergänzende Bücher zu Serienproduktionen geben!

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Weitere Details zum Buch und den Autoren findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Homeland: Carries Jagd ist am 08.10.13 als Taschenbuch bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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