Mittwochabend und somit allerhöchste Zeit, euch wieder einmal eine Film-Kritik zu kredenzen, bevor ich mich gleich dem nächsten Neuzugang in meiner Film-Sammlung widmen werde, den man mir freundlicherweise hat zukommen lassen. Aber erst einmal gilt es, die Altlasten abzuarbeiten und dazu gehört eben auch
Chronicle
Wozu bist du fähig?
Chronicle, USA 2012, 84 Min.
© Twentieth Century Fox
Josh Trank
Max Landis
Alex Russell (Matt Garetty)
Michael B. Jordan (Steve Montgomery)
Ashley Hinshaw (Casey Letter)
Drama | Science-Fiction | Horror
Trailer:
Inhalt:
© Twentieth Century Fox
Als wäre es nicht genug, dass Andrew sowieso schon ein Außenseiter an seiner Schule ist und nicht gerade beliebt, entschließt er sich eines Tages, fortan nur noch mit einer Kamera vor der Nase vor die Türe zu gehen, um quasi sein gesamtes Leben zu dokumentieren und damit auch die gesamte Schmach und Schande, die seine Mitschüler ihm zuteil werden lassen. Doch auch ansonsten ist Andrew nicht gerade ein glückliches Leben beschieden, denn seine Mutter liegt im Sterben und sein Vater hat sich dem Alkohol und seinem Jähzorn hingegeben. Einzig Matt, Andrews Cousin ist zumindest noch widerwillig bereit, sich mit dem Sonderling abzugeben und überredet ihn auch, mit ihm gemeinsam eine Party zu besuchen.
Dort spricht ihn auch Steve an, der Star der Schule und gefeierter Sportler, denn er und Matt haben im dunklen Wald eine unglaubliche Entdeckung gemacht, bei der es sich um einen Meteoriten zu handeln scheint. Doch der seltsam leuchtenden Substanz wohnen ungeahnte Kräfte inne und nach dieser Nacht ist es den Jungs plötzlich möglich, Gegenstände kraft ihrer Gedanken zu bewegen. Was anfänglich nur Blödeleien und harmlose Späße nach sich zieht, droht bald schon bitterer Ernst zu werden und speziell Andrew scheint sich im Taumel seiner telekinetischen Kräfte schier zu verlieren.
Rezension:
Ich war ja doch skeptisch, ob Chronicle für mich funktionieren würde, zumal ich ja kein ausgewiesener Freund von sogenannten Found-Footage-Filmen bin. Am Ende muss ich aber sagen, dass dieser Superheldenfilm der etwas anderen Art doch zumindest einer der besseren Vertreter der Gattung ist und weitestgehend ohne Längen auskam. Verschenktes Potential hat es trotzdem gegeben, was aber durch viele nette Plot-Ideen zumindest teilweise relativiert werden konnte. Vor allem aber macht die Handkamera-Optik ja durchaus Sinn im konzeptionellen Rahmen der ungleichen Jungs, die plötzlich Kräfte entwickeln und ihre immer waghalsigeren Versuche und Spielereien festhalten möchten. Die Eskalation ist dabei jederzeit absehbar und vergleichsweise glaubhaft in die Handlung gebettet, wenn mir hier auch einige Dinge sauer aufgestoßen sind.
© Twentieth Century Fox
Leider verhält es sich nämlich so, dass speziell für Hauptfigur und Kameramann Andrew, großartig verkörpert von dem mir vorher unbekannten Dane DeHaan, doch arg viele Klischees bemüht werden, um seine schwere Kindheit und seinen Außenseiter-Status zu untermauern, was mit dem trinkenden und cholerischen Vater beginnt, von der sterbenskranken Mutter unterstützt und mit den ihn hänselnden und verprügelnden Mitschülern abgerundet wird und so erklären soll, warum er schlussendlich seine Kräfte zu missbrauchen beginnt. Sein bester Freund und Cousin Matt hingegen hat mir ein wenig zu viel philosophiert und wirkt gerade zu Beginn des Streifens nicht annähernd so clever und tiefgründig, wie er sich zu geben versucht, weshalb mir die Figur zunächst nicht ganz kohärent erschien. Der dritte im Bunde, Steve, bleibt dahingehend ziemlich blass und lässt immer mal wieder ein paar Zeilen seine Familie betreffend los, ist ansonsten aber immer nur Beiwerk und – abgesehen von einer konkreten Entwicklung beziehungsweise Szene – nicht wirklich storyrelevant.
Die Story ist es dann auch, die eben einerseits viele Klischees bedient, andererseits aber auch oft überraschend einfallsreich daherkommt. Chronicle nähert sich dem Thema Superhelden von einer merklich anderen Warte als üblich und erinnerte mich streckenweise an Joe Hills Geschichte Das Cape, die in eine ähnliche Kerbe schlägt. Leider laufen aber irgendwann nicht nur die vermeintlichen Helden Amok, sondern gleich der ganze Film, denn während in der ersten Hälfte der Found-Footage-Gedanke noch konsequent verfolgt wird, wird dieses Schema schon aufgebrochen, wenn erst noch die Kamera von Casey, dargestellt von Ashley Hinshaw, hinzukommt und speziell im Finale der Gedanke daran, wer hier was filmen könnte und womit beinahe vollständig über Bord geworfen wird und man sich dem reinen Exzess ergibt, der nicht nur – für meinen Geschmack – zu übertrieben und ausufernd inszeniert worden ist, sondern auch ein recht abruptes Ende findet und durch die unerklärlichen Kameraeinstellungen der Kohärenz des zuvor Gezeigten schadet.
© Twentieth Century Fox
Dennoch bleibt Josh Tranks Chronicle ein in seiner Gesamtheit durchaus inspirierter und überzeugender Film mit angenehm unbekannten Darstellern, die dem Streifen die notwendige Authentizität verleihen. Die Effekte können sich ebenfalls sehen lassen und sind bei dem vergleichsweise geringen Budget erstaunlich gut gelungen (wenn es auch Ausbrüche nach unten gibt) und auch die Geschichte wird nie langweilig, wenn sie doch auch in weiten Teilen ziemlich vorhersehbar ist. Das kaschieren aber die vielen tollen Einfälle und Szenen sowie der einfallsreiche Look des Films, denn nicht häufig bietet sich bei einem Found-Footage-Film die Möglichkeit, mit über den Köpfen schwebender Kamera zu drehen, was natürlich durch die telekinetischen Kräfte von Andrew ermöglicht wird und schon extrem cool aussah.
Chronicle - Wozu bist du fähig?
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Schwebende Gegenstände - 7/10
7/10
Fazit & Wertung:
Chronicle ist ein Found-Footage-Film, der am Ende keiner mehr sein möchte, ist ein Superheldenfilm ohne Superhelden, ein Film, der, obwohl klischeebeladen und oftmals vorhersehbar, auf seine Art aber auch durchweg einzigartig, am Ende nicht großartig, aber auf alle Fälle lohnenswert ist.
Chronicle – Wozu bist du fähig? ist am 17.08.12 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Oha. Also für mich ein 10 von 10er. Da kann ich nicht anders. Ich war beim ersten Mal gucken schlichtweg begeistert und brachte es bestimmt schon auf 3 Sichtungen.
Tja, so hat jeder so seine Lieblinge; mit meiner 10 Punkte-Wertung für “Sucker Punch” (im Extended Cut!) werd ich ja auch auf ewig allein bleiben ;-)
Ich fand den Film ja auch nicht schlecht und die Prämisse ist toll, aber dann waren es mir doch zu viele typische Versatzstücke der unglücklichen Kindheit eines armen Außenseiters, gepaart mit dem Umstand, dass am Ende die Perspektive flöten ging, sprich plötzlich überall und von allen Seiten gefilmt wurde.
Aber warum, frage ich mich, habe ich bei dir keine Kritik zu dem Film gefunden, gerade wenn du den so großartig findest? Hatte nämlich extra vorher geschaut, weil ich noch wusste, wie du ihn mir anlässlich der Besprechung von “Das Cape” ans Herz gelegt hast.
Das wäre dann wieder ein altes Problem. Ich sehe mehr als ich schreibe. Zeit…
Sucker Punch kenne ich seit neuestem die Kinofassung und die fand ich ziemlich gut.
Mit den vielen Kameras am Ende hast du recht. Das macht aber für mich nichts kaputt.
Mh, okay, lasse ich mal gelten. Ich bemühe mich zwar, immer über alles zu berichten, habe aber auch noch so manchen Film hier liegen, zu dem es bisher noch keinen Artikel gibt. Zeit ist wirklich ein ziemlich seltenes Gut…
Der steht auch noch auf meiner Liste. Ich mag Michael B. Jordan als Schauspieler sehr gerne, aber hier hat mich irgendwie Found Footage abgeschreckt. Vielleicht schau ich nochmal rein…
Es ist wirklich cleveres und sehr schön gemachtes Found Footage mit überraschend wenig Kameragewackel im Mittelteil, da er die Kamera halt schweben lässt und am Ende scheint man irgendwie vergessen zu haben, dass eigentlich Found Footage angesagt wäre, von daher nicht unbedingt abschreckend und womöglich wäre der Film noch besser bei mir weggekommen, hätten mich die Klischees nicht so gestört. Von daher auf alle Fälle einen Blick wert und inszenatorisch auch durchaus erfrischend anders!
Obwohl ich Superhelden und Found-Footage mag, habe ich ihn immer noch nicht gesehen. Ich glaube ich habe große Angst davor, dass er mich schrecklich langweilen könnte, obwohl ich mögen möchte. Denn so richtig gepackt hat mich der Trailer nie… Werde es aber doch wagen, irgendwann :)
Tu das, langweilig wird der eigentlich nicht, auch wenn er natürlich mit typischen Superheldenfilmen ziemlich wenig gemein hat. Sobald die Jungs aber (recht fix) ihre Kräfte haben bleibts eigentlich durchweg unterhaltsam und einfallsreich. Ich habe aber auch ewig gebraucht, bis ich mich zu einer Sichtung durchringen konnte ;-)
Chronicle – über weite Strecken ein toller Film, aber im letzten Drittel verschenkt er zuviel Am Anfang werden ja auch ihre Kameras vorgestellt, dieser Gedanke dann aber wieder aufgegeben.
By the way: 10 Punkte für Sucker Punch? Der Film hat mir Nazi-Zombies vergrätzt. Das hätte ich eigentlich für unmöglich gehalten!!!
Richtig, das letzte Drittel tut dem Film nicht gut, plötzlich wird die Effekthascherei wichtiger als die Genre-Regeln, das hat mich auch gestört.
Und ja, Sucker Punch, ich weiß, dass ich mit der Meinung allein dastehe…