Review: Sleeping Beauty (Film)

Ungefähr seit vier Monaten liegt der fertige Artikel hier auf Halde, aber nachdem ich mir vorgenommen habe, jetzt nicht mehr nur nach dem Lustprinzip die neuen Film-Kritiken rauszuhauen, sondern endlich auch einmal die Altlasten loszuwerden, kommt hier nun heute also mein Artikel zu Sleeping Beauty. Gut Ding will Weile haben trifft hier zwar nicht so wirklich zu, aber trotzdem freue ich mich, mir endlich ein Herz gefasst zu haben, den Blog-Artikel in die Welt zu entlassen.

Sleeping Beauty

Sleeping Beauty, AU 2011, 101 Min.

Sleeping Beauty | © Alive/Capelight
© Alive/Capelight

Regisseurin:
Julia Leigh
Autorin:
Julia Leigh

Main-Cast:
Emily Browning (Lucy)
Rachael Blake (Clara)
in weiteren Rollen:
Ewen Leslie (Birdmann)
Peter Carroll (Man 1)
Chris Haywood (Man 2)

Genre:
Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Sleeping Beauty | © Alive/Capelight
© Alive/Capelight

Die Studentin Lucy verdient sich ihren Lebensunterhalt mit allerlei Nebenjobs, wischt Tische im Restaurant, erledigt Kopierarbeiten im Büro, nimmt an Laborversuchen teil, treibt ansonsten ziel- und antriebslos durchs Leben und nachts durch die Clubs, nimmt Drogen, hat Sex mit Fremden. Nichts bedeutet ihr etwas und was passiert, passiert eben. Einzig die Besuche bei Birdmann versprechen so etwas wie den Anschein von Normalität, doch ihr platonischer Freund ist sterbenskrank, was beide lange zu ignorieren versuchen. Auf eine Anzeige hin meldet sich Lucy bei einer Agentur und lässt sich als Servierkraft in Dessous anwerben, bedient fortan die Mitglieder eines dekadenten Altherren-Clubs.

Der möglicherweise erhoffte Kick allerdings bleibt aus und so erledigt Lucy den Job wie jeden anderen, emotionslos, teilnahmslos, abgefeimt, geht in ihrer Lethargie sogar so weit, das frisch verdiente Geld zu verbrennen, statt damit ihre Mietschulden zu tilgen, wegen derer ihr ihre Mitbewohner in den Ohren liegen. Lucy weitet ihre Grenzen aus, lässt sich von ihrem Boss Clara für einen noch weitaus lukrativeren Job anwerben: Als schlafende Schönheit wird sie nackt in eine Dornröschenkammer drapiert, wo alte Männer sich an ihr verlustieren können, während sie von alldem nicht s mitbekommt. Keine Penetration, versichert Clara ihr und schärft dies auch den Herren ein, doch dennoch beginnt Lucy irgendwann tatsächlich, sich zu fragen, was während der Stunden ihres Schlafes mit ihr passiert…

Rezension:

Julia Leighs irgendwo zwischen Arthouse, Indie, Provokation und nihilistischer Sinnsuche ohne Katharsis angesiedelter Sleeping Beauty, der schon kaum die Bezeichnung Drama verdient, weil allein die stets teilnahmslos wirkende Lucy keinerlei dramatisches Potential in sich birgt, da ihr Leben aus einem bewusst gewählten, devoten Treibenlassen, einer Abkehr von Reflexion und Sinnsuche gekennzeichnet ist, der auch als Thriller nicht durchgehen kann, weil sich kein Thrill im Handlungsverlauf zu entwickeln weiß, schlichtweg dadurch, dass ein Handlungsverlauf, geschweige denn Spannungsbogen, nur rudimentär vorhanden ist und vieles in dem Film Gezeigte aus einer Aneinanderreihung von Begegnungen und Szenen, Momenteindrücken und intimen Einblicken besteht, die einerseits viel Interpretationsspielraum lassen, andererseits durch die vielen Totalen und eine gewollte Distanziertheit zu den Figuren auch merkwürdig hohl und nichtssagend wirken, ist verständlicher- und bezeichnenderweise einer dieser Filme, an dem sich merklich die Geister scheiden und der auch mich mit merklich ambivalenten Gefühlen zurückgelassen hat, nicht zuletzt auch, weil er aus filmischer Sicht einige Wagnisse eingeht und mit gewohnten Konventionen bricht, dies zwar auch auf dramaturgischer Seite zu bewerkstelligen weiß, was ihm allerdings nicht immer zur Ehre gereicht.

Szenenbild aus Sleeping Beauty | © Alive/Capelight
© Alive/Capelight

Inszenatorisch gibt sich Sleeping Beauty tatsächlich keine Blöße, beeindruckt mit kühl durchkomponierten, erschreckend ruhigen und dennoch packenden Plansequenzen ohne Umschnitte und mit oft nur kaum merklichen Kameraschwenks, verzichtet gänzlich auf Close-Ups und dokumentiert Lucys Handeln nebst der sie umgebenden Szenerie, durchbricht gar mit einem minutenlangen, intensiven Monolog seitens Peter Carroll knapp nach der Hälfte des Films die vierte Wand und richtet sich sozusagen in einem Meta-Kommentar zur Filmhandlung direkt an den Zuschauer, dem ansonsten die Rolle des Voyeurs obliegt, wobei hier auffällig ist, dass trotz Nacktheit und intimer Szenen zu keinem Zeitpunkt so etwas wie erotische Spannung aufzukommen wagt, was ebenfalls der distanzierten, wertungsfreien Inszenierung geschuldet ist, die lediglich dokumentiert, darüber hinausgehend aber keinen Kommentar zum Gezeigten herauslesen lässt.

Nicht nur aufgrund der Nacktszenen ist Sleeping Beauty für Hauptdarstellerin Emily Browning eine mutige Wahl, denn davon abgesehen ist ihre Figur Lucy eine so grenzenlos nihilistische, devote Person, die sich in emotionaler wie physischer Hinsicht einer dermaßen tiefgreifenden Hilflosigkeit bereitwillig preisgibt, dass es sich in jeder Hinsicht um eine mehr als fordernde Rolle handelt, die sie nicht nur mit Bravour meistert, sondern die auch den gesamten Film zu schultern wissen muss, zumal das reine Handlungsgerüst dies eben in keiner Weise hergibt. Neben fragmentarischen, ins Leere laufenden Dialogen, einem dramaturgischen Dahingleiten ohne echte Höhepunkte und hier wie da auftauchenden Nebenfiguren, die kaum charakterisiert, geschweige denn in ihrer Funktion und ihrem Daseinszweck erklärt werden, fokussiert Julia Leighs Film demnach völlig auf die ebenfalls kaum tiefergehend charakterisierte Hauptfigur, der man nur auf Basis ihrer Handlungen näherzukommen versuchen kann, was sich aufgrund der allgemeinen Entrücktheit nicht nur der Figur sondern auch der Geschichte jedoch als nahezu aussichtsloses Unterfangen erweist.

Szenenbild aus Sleeping Beauty | © Alive/Capelight
© Alive/Capelight

Sleeping Beauty ist folglich ein über die Maßen sperriger Film, der sich bei oberflächlicher Betrachtung kaum erschließen mag, der aber auch bei tiefergehender Beschäftigung nicht unbedingt damit punktet, versteckte Wahrheiten zu vermitteln oder einen tieferen Sinn zu offenbaren, zu spärlich sind die Hinweise und zu symbolhaft die wenigen, zum Grübeln anregenden Szenen, zu unnahbar die Inszenierung und ihre Figuren, so dass die Faszination, die Julia Leighs Film all dem zum Trotz entfaltet, eine Kuriosität bleibt, unverständlich und wenig nachvollziehbar, denn letzten Endes beginnt der Film ohne Erklärung im Nirgendwo und steuert auch genau dahin zurück, ohne dass Lucy sich wirklich entwickelt hätte, abgesehen von ihrer zunehmenden Teilnahmslosigkeit, die schlussendlich durch die das Ende begründende Szene ins Gegenteil verkehrt wird, um mit der abschließenden Einstellung dieses Statement prompt zu konterkarieren. Was einem der Film sagen möchte, lässt sich letztlich nur erahnen, doch trotz seiner offenkundigen Mängel ist ebenso unbestreitbar, dass er eine merkwürdige, vor Ambivalenz strotzende Faszination auszuüben vermag und aufgrund seiner inszenatorischen Experimentierfreudigkeit und der ungewöhnlichen Dramaturgie sicherlich sein Publikum finden wird. Ich persönlich bin noch immer gänzlich hin- und hergerissen zwischen den einerseits vorhandenen Qualitäten und den offenkundigen Schwächen.

Fazit & Wertung:

Julia Leighs Sleeping Beauty erweist sich als äußerst sperriges Werk, dessen Dramaturgie kaum eine konsistente Handlung aufweist und mehr wie eine Aneinanderreihung von episodenhaften Begebenheiten wirkt. Im Zentrum dieser distanzierten Erzählung steht die bewusst devot agierende, nihilistisch anmutende Lucy, deren Verhalten oft fast ebenso verstörend und beklemmend ist, wie der offensiv voyeuristische Blick und der in jeder Hinsicht vage und abstrakt bleibende Film an sich, der zwar einerseits zu Interpretationen einlädt, sich diesen Versuchen andererseits auch stets zu widersetzen scheint.

5,5 von 10 schlafend verbrachten Altherrenbesuchen

Sleeping Beauty

  • Schlafend verbrachte Altherrenbesuche - 5.5/10
    5.5/10

Fazit & Wertung:

Julia Leighs Sleeping Beauty erweist sich als äußerst sperriges Werk, dessen Dramaturgie kaum eine konsistente Handlung aufweist und mehr wie eine Aneinanderreihung von episodenhaften Begebenheiten wirkt. Im Zentrum dieser distanzierten Erzählung steht die bewusst devot agierende, nihilistisch anmutende Lucy, deren Verhalten oft fast ebenso verstörend und beklemmend ist, wie der offensiv voyeuristische Blick und der in jeder Hinsicht vage und abstrakt bleibende Film an sich, der zwar einerseits zu Interpretationen einlädt, sich diesen Versuchen andererseits auch stets zu widersetzen scheint.

5.5/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimme)
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Meinungen aus der Blogosphäre:
Cellurizon: 6/10 Punkte

Sleeping Beauty ist am 09.03.12 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Alive/Capelight erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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Eine Reaktion

  1. mwj 5. Oktober 2016

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