Schon lange fertig, schon lange überfällig, steht mir heute der Sinn danach, euch meine schon vor Wochen niedergeschriebenen Gedanken zu Under the Skin mitzuteilen. Und hier kommen sie auch schon, während ich euch ein schönes, erholsames, sonniges Wochenende wünsche!
Under the Skin
Tödliche Verführung
Under the Skin, UK/USA/CH 2013, 108 Min.
© Universum Film
Jonathan Glazer
Walter Campbell (Drehbuch)
Jonathan Glazer (Drehbuch)
Michel Faber (Buch-Vorlage)
Drama | Science-Fiction | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Universum Film
Ein mysteriöses, wortkarges, namenlos bleibendes Alien wird auf die Erde gesandt in Gestalt einer überaus attraktiven Menschenfrau, die mit ihrem Van die kargen Weiten Schottlands bereist und Kontakt zu ledigen wie willigen Männern knüpft, sie erst in ihren Van, dann in ihr Zuhause lockt, einen rätselhaft, merkwürdig entrückten Ort voller Schwärze, der die Männer gefangen nimmt, sie ihrer Lebenskraft beraubt, sie als leere Hülle zurücklässt. Ihr nicht unbekannte Mächte in Gestalt eines Motoradfahrers beobachten ihr Treiben, folgen ihr, überwachen sie, doch beinahe stets aus der Ferne, während das namenlose Wesen ohne Herkunft und Bindung sich mehr und mehr in den Irrungen des menschlichen Seins verheddert, Erfahrungen und Erkenntnisse macht, die nicht nur ihre Taten, sondern ihr ganzes Sein in ein gänzlich neues Licht tauchen und ihr Denken und Leben für immer zu verändern drohen.
Rezension:
Nach all dem Trubel, der um Under the Skin herrschte, der aber mal wieder traurigerweise weder auf der einen noch der anderen Seite mit dem Inhalt und der Qualität des Films zu tun hatte, war ich sehr gespannt, welch surreale Reise mich erwarten würde und trotz der Erwartungshaltung, einen ganz und gar ungewöhnlichen Film zu sehen, überraschte er mich dennoch, faszinierte mich, ließ mich zuweilen etwas ratlos der namenlosen Verführerin folgen, die sich immer mehr in den Weiten Schottlands verliert, doch immer noch weitere Opfer findet, die sie in ihren ganz persönlichen Kaninchenbau zu locken versteht. Nein, der Film macht nicht nur ein wenig auf Arthouse in seiner kontrastierenden Darstellung eines tristen, wolkenverhangenen Schottlands und – im krassen Gegensatz dazu – verstörenden assoziativen Bildern und merkwürdigen Szenenmontagen, einem ganz und gar und durchdringend schwarzen Raum, der sozusagen das Nest der schwarzen Witwe darstellt, der Film atmet schier die provokant vor sich hergetragene Andersartigkeit und bricht ganz bewusst mit so ziemlich allen Sehgewohnheiten.
© Universum Film
Wenn auch lose auf dem mir leider unbekannten gleichnamigen Roman von Michel Faber basierend, hat Glazer so ziemlich jeden Erklärungsversuch, jedes erhellende Quäntchen Information, das es in der Vorlage gegeben haben wird, ja gegeben haben muss, konsequent entfernt, verzichtet völlig auf eine Charakterisierung seiner Figur, die man nur durch die gerade zu Anfang extrem undurchsichtigen und wenig nachvollziehbaren Handlungen langsam zu kennen und verstehen beginnt, verzichtet weitestgehend auf Dialoge, die sich auch ansonsten meist nur auf einen kurzen Schlagabtausch beschränken und oft der reinen Kontaktaufnahme zwischen Jäger und Opfer dienen. Under the Skin ist weder ein Film für einen gemütlichen, entspannten Abend, noch ein Film für Blockbuster-Bombast-Fans, für die es laut, schnell und heftig sein muss, er fordert dem Zuschauer einiges ab, Geduld, Aufmerksamkeit und den Willen, sich die Geschichte, die Botschaft des Films selbst zu erschließen.
Ohne im Detail darauf eingehen zu wollen, weil man es selbst gesehen haben muss oder bereits weiß, dass dieser Film einem vermutlich nicht munden wird, kann ich festhalten, dass Under the Skin mich lange beschäftigt, lange nicht losgelassen hat, nachdem ich anfänglich enttäuscht war. Denn so poetisch und schön auch gerade die finalen Einstellungen sind, die zumindest das offenbaren, was man den ganzen Film über eigentlich schon wusste, bleibt Glazers Werk auch bis zum Schluss ein Gros an Erklärungen schuldig. Die Erklärungen allerdings kommen von selbst, sie entstehen im eigenen Kopf, weil dieser surreale Streifen, die merkwürdigen Bildkompositionen, die Fremdartigkeit einen nicht loslassen und immer mehr verdichten sich die Akzente und Zeichen, die Parabeln für Fremdartigkeit und daraus resultierende Einsamkeit, für den Paradigmenwechsel des von Scarlett Johansson verkörperten Wesens, was das Empfinden und Erleben nicht nur ihrer Umwelt, sondern auch der sie umgebenden Menschen und vor allem sich selbst betrifft, die Allegorie des sich langsam verändernden pechschwarzen Raumes und auch die Bedeutung der Eingangssequenz sowie des Motorrad fahrenden, schweigsamen Mannes, der ihr stets auf den Fersen zu sein scheint und ihre Schritte überwacht.
© Universum Film
So sehr man sich aber auch damit beschäftigen kann, Under the Skin deuten und verstehen zu wollen, sich womöglich erneut in dieses surreale Abenteuer stürzt, das von seiner Langsamkeit getragen, von teils schockierenden, teils berührenden Szenen unterbrochen, oft still, manchmal vor sich hin wummernd und wabernd dahintreibt, kann man doch zumindest einräumen, dass Scarlett Johansson in diesem Film gewordenen Kunstprojekt ohne Frage nicht nur ihre mutigste Rolle, sondern vor allem ihre bis dato intimste Rolle spielt, womit ich mitnichten von ihrer Nacktheit spreche, die so weit von Erotik entfernt ist, wie sie nur sein kann, sondern davon, wie sehr sie sich geöffnet, nein aufgegeben haben muss, um eine solche Rolle mit einer derartigen Präsenz und Glaubwürdigkeit spielen zu können, noch dazu, ohne auf geschliffene Dialoge zurückgreifen oder sich von pathetisch-elegischen Inszenierungen leiten und unterstützen lassen zu können. Under the Skin ist ein Erlebnis, ob allerdings schön oder nicht, das muss in dem Fall wirklich jeder für sich selbst beurteilen, so er denn will.
Under the Skin - Tödliche Verführung
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Verstörende Begegnungen - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Jonathan Glazers Under the Skin verweigert sich sämtlichen Konventionen eines schematisch aufgebauten Films und schafft ein surreal wie befremdlich anmutendes, auf eine schwer zu fassende Weise faszinierendes Werk, das sich ganz der künstlerischen Inszenierung und den nur schwer zu deutenden Themenkomplexen unterwirft, die der Film zwar behandelt, aber nicht kommentiert, sich indes ganz auf Johanssons hypnotisierende wie beeindruckende Performance konzentriert, die intimer und intensiver kaum hätte sein können und unzweifelhaft ebenso sehr zu der Faszination beisteuert wie Glazers irritierende Bild- und Ton-Kompositionen.
Under the Skin – Tödliche Verführung ist am 10.10.14 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universum Film erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Sehr schön! Dieser Ausnahme Film hat mich ebenfalls lange beschäftigt (und tief beeindruckt). Dazu noch dieser atonal verstörende Score…
Ja, der Film lädt auf alle Fälle dazu ein, sich länger mit ihm auseinanderzusetzen. Hab auch eine ganze Weile gebraucht, die passenden Worte und Gedanken zu finden, um meinen Artikel zu bestücken. Und der Score, der hat mich auch verstört, aber nicht nur der allein ;-)
Ja, das ist mal wieder einer dieser Filme, bei denen eine Bewertung im Punkten echt schwer fällt. Visuell und akustisch ist der ganze Film natürlich bewundernswert außergewöhnlich und stilsicher; inhaltlich war ich nur in der ersten Hälfte so richtig begeistert, wobei für mich die Strandsequenz der Höhepunkt war. Irgendwann fand ich “Under the Skin” dann aber leider doch zunehmend ermüdend und in der zweiten Hälfte über weite Strecken zu ereignislos. Was mich allerdings nicht daran gehindert hat, sehr viel darüber zu schreiben … ;)
http://www.der-kinogaenger.blogspot.de/2014/12/under-skin-2013.html
Ich versteh dich da gut, denn ich schätze, dass, hätte mich der Film auf einem anderen Fuß erwischt, ich auch längst nicht so angetan gewesen wäre, wobei ich gerade den zweiten Teil noch eindringlicher fand, weil die erste Hälfte ja doch von vielen Wiederholungen lebt, während sich gegen Ende gefühlt etwas mehr tut, gerade was das Innenleben der Figur und ihre Selbstwahrnehmung angeht. Zum Glück, das muss ich sagen, wusste ich grob, auf was ich mich einlasse und war in der rechten Stimmung dafür, denn ich glaube, sonst hätte ich schon die erste Hälfte sehr ermüdend empfunden.
Under the Skin ist ein Erlebnis, ob allerdings schön oder nicht, das muss in dem Fall wirklich jeder für sich selbst beurteilen, so er denn will.
Kann ich so unterschreiben, fuer mich hat der Film allerdings ueberhaupt nicht funktioniert. Zu viel “Kunst” und zu wenig “Film”. Schade.
Ja, ich hatte es schon zum Kinogänger geschrieben, dass ich froh bin, gewusst zu haben auf was ich mich da einlasse, denn sonst wäre mir der Film wohl auch zu viel Kunst und zu wenig Film gewesen. Ist wirklich extreme Geschmackssache bei ‘Under the Skin’, aber auch viel von der eigenen Stimmung abhängig, glaube ich…