Review: Compliance (Film)

Weiter geht die wilde Fahrt mit einer neuen Film-Kritik, denn man könnte sagen, ich habe einen Lauf, stehen die Artikel für die nächsten Tage schließlich überwiegend auch schon in den Startlöchern. Lässt sich ganz gut an dieses neue Jahr, wie ich finde. Ach ja, und falls euch der Film nichts sagt, lasst euch nicht vom Cover schrecken, da waren mal wieder – Achtung, Ironie – extrem geniale – Ironie Ende – Marketing-Menschen am Werk.

Compliance

Compliance, USA 2012, 90 Min.

Compliance | © Mad Dimension
© Mad Dimension

Regisseur:
Craig Zobel
Autor:
Craig Zobel

Main-Cast:

Ann Dowd (Sandra)
Dreama Walker (Becky)
Pat Healy (Officer Daniels)
Bill Camp (Van)

Genre:
Drama | Thriller | Krimi

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Compliance | © Mad Dimension
© Mad Dimension

Es beginnt sowohl für Becky, eine junge und nette Angestellte in einer ChickWich Fast Food Filiale, als auch für Sandra, Managerin der Filiale und folglich Beckys Vorgesetzte, als ganz normaler Arbeitstag, doch während man sich noch damit herumzuschlagen hat, dass ein Teil der Lebensmittel durch eine Unachtsamkeit beim Verschließen der Kühlkammer verdorben ist, wird Sandra telefonisch von der Polizei kontaktiert. Am Apparat Officer Daniels, der Sandra eröffnet, eine ihrer Angestellten habe einer Frau Geld gestohlen und schnell ist Sandra aufgrund der nur vagen Beschreibung des Officers der Meinung, es könne sich nur um Becky handeln, was dieser bejaht.

Officer Daniels trägt Sandra auf, Becky solange festzuhalten, bis die Polizei eintrifft, doch könne dies noch dauern. Sandra stellt Becky zur Rede, doch die bestreitet jeden Vorwurf. Dennoch leistet Sandra der Bitte des Officers Folge und bringt Becky in den Lagerraum. Als der Polizist vorschlägt, Sandra solle eine Leibesvisitation bei Becky vornehmen, um das Prozedere zu beschleunigen, ist die zwar sichtlich irritiert, doch der Officer weiß sie von der Notwendigkeit dieser Vorgehensweise zu überzeugen. Während Becky die Sache fassungs- und sprachlos über sich ergehen lässt, hat der angebliche Officer Daniels aber längst weitere Pläne, die nicht nur Sandra, sondern unter anderem auch deren Verlobten Van mit einschließen, den Sandra auf Bitten der Polizei ebenfalls hinzuzieht…

Rezension:

Kaum einmal neunzig Minuten währt die Tortur der von Dreama Walker (Apartment 23) verkörperten Becky, die Opfer eines perfiden wie schockierenden Telefonstreichs wird, doch auch wenn die Exposition der Figuren sowie auch die Nachbereitung des Geschehens, der Epilog sozusagen, noch einmal einige Minuten in Anspruch nehmen, ist Regisseur und Drehbuchautor Craig Zobel mit Compliance ein intensives wie beklemmendes Kammerspiel gelungen, das mich noch lange nach der Sichtung des Films beschäftigt hat, dessen Geschehnisse schließlich – und das ist eigentlich mitunter am schockierendsten an dem Film – zumindest in ihren Grundzügen in der Realität fußen und sich auf die Ereignisse zwischen 1992 und 2004 in diversen US-Bundesstaaten stützen, wo gleich eine ganze Reihe junger Frauen durch den sich als Polizisten ausgebenden Anrufer indirekt gedemütigt und gefoltert worden sind, gelang es ihm schließlich dank der Autoritäten-Hörigkeit der anderen Angestellten in den unterschiedlichsten Fast Food Restaurants nicht nur einmal, sie zu von außen betrachtet grausamen Taten zu verleiten, was in Anbetracht der teils abstrusen Forderungen des angeblichen Gesetzeshüters nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar scheint. Trauriger Höhepunkt dieser als Strip Search Phone Call Scam betitelten Serie von obszönen Anrufen wurde am 9. April 2004 in einer McDonald’s-Filiale in Mount Washington erreicht und exakt auf diesen prägenden Vorfall, in dem Walker als Becky das Alter Ego der realen Louise Ogborn verkörpert und Ann Dowd als Filialleiterin Sandra das Äquivalent zu Donna Summers darstellt, die sich von dem sich als Officer Scott (im Film Officer Daniels) ausgebenden Mann hat täuschen lassen, konzentriert sich Zobel in seiner losen Nacherzählung der Geschehnisse, bei denen man mehr als einmal versucht ist, seinen Unglauben ob des in keiner Weise nachvollziehbaren und immer abstruser werdenden Verhaltens der handelnden Protagonisten hinauszuschreien, doch tragischerweise bleibt Zobel damit erschreckend nah an der Wahrheit.

Szenenbild aus Compliance | © Mad Dimension
© Mad Dimension

Dass diese Variation eines Kammerspiels – große Teile des Films finden immerhin beinahe ausschließlich in der fiktiven ChickWich Filiale (McDonald’s hatte wohl kein großes Interesse daran, Teil dieses Films zu sein, verständlicherweise) beziehungsweise deren Lagerraum statt – dennoch so gut funktioniert, ist folglich allem voran den beiden Hauptdarstellerinnen Dowd und Walker zu verdanken, die im Rahmen der Möglichkeiten ihren Figuren die größtmögliche Glaubwürdigkeit verleihen, während selbstredend auch die anderen Darsteller einen guten Job machen, jedoch schlicht und ergreifend weit weniger gefordert werden, was insbesondere Pat Healy betrifft, der zwar eine beklemmende Vorstellung des angeblichen Officer Daniels zum Besten gibt, aber der Natur der Sache nach losgelöst vom restlichen Plot und parallel dazu allein agieren muss. Und Craig Zobel tut gut daran, sich ganz auf die dem Thema innewohnende, sich langsam entfaltende Wucht der Story zu verlassen und das Geschehen nicht zugunsten einer griffigeren Dramaturgie zu verändern, denn gerade weil man meinen könnte, dass ein derartiges Konzept, bei dem die alleinige Bedrohung von außerhalb und nur über das Telefon kommt, dabei noch nicht einmal jemandem mit dem Tod oder dergleichen droht, eigentlich gar nicht funktionieren kann, entfaltet sich die zunehmend bedrohlicher und schockierender werdende Szenerie von Compliance nur umso effektiver.

Das vielleicht größte Lob aber muss man Craig Zobel dafür aussprechen, dass er nicht auf einen voyeuristischen Blickwinkel verfällt und man dem Film deutlich anmerkt, dass es ihm nicht um Schockmomente oder explizite Nacktheit geht, ist die vom Polizeibeamten angeordnete Leibesvisitation auch schließlich nur die Spitze des Eisberges an zunehmend drastischer und unvorstellbarer werdenden Methoden, sondern mehr um eine im Rahmen des Möglichen glaubhaft geschilderte Nacherzählung der Ereignisse, die lediglich implizit zu ergründen versucht, wie es dem manipulativen Anrufer gelungen sein mag, nicht nur Sandra, sondern im weiteren Verlauf auch andere Personen so gekonnt und souverän um den Finger zu wickeln, dass es sich um eine Wirklichkeit gewordene Variation des Milgram Experiments handeln könnte, das sich im Kern mit der Frage befasst, inwieweit Personen vermeintlich autoritären Anweisungen auch dann Folge leisten, wenn diese in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen, weshalb es kaum verwundert, dass auch Compliance selbst mit einem Verweis auf besagtes Experiment beginnt. Doch so sehr man Zobel für diesen analytischen Ansatzloben mag, könnte man die verantwortliche Marketing-Abteilung verteufeln, der – zumindest in der hier vorliegenden Fassung – nichts Besseres eingefallen ist, als Aufmerksamkeit heischend eine nackte und verhärmte Dreama Walker mit knallig-farbigem BH und Slip zu ihren Füßen auf das Cover zu knallen, um eine Erwartungshaltung für den Film zu schüren, die irgendwo bei C-Movie-Horror-Softporn liegen dürfte, in dieser Hinsicht aber logischerweise bei Sichtung maßlos enttäuscht, wohingegen sich die eigentliche Zielgruppe womöglich teils nicht einmal traut, den Film in die Hand zu nehmen. Umso bedauerlicher, da es sich meiner Meinung nach um ein durchaus lohnenswertes, weil hochgradig ungewöhnliches, unangenehmes Kleinod von Film handelt, das mich noch lange danach beschäftigt hat.

Szenenbild aus Compliance | © Mad Dimension
© Mad Dimension

Lediglich zum Ende hin geht dem bis dahin atmosphärisch immens dicht inszeniertem Lehrstück ein wenig die Puste aus, was aber weniger Craig Zobel sondern hier speziell seiner zurückhaltenden Ausgestaltung des Geschehens angelastet werden kann, denn so abstrus die Geschehnisse sich auch immer weiter zuspitzen, konnte ich nicht glauben, was ich gegen Ende zu sehen glaubte und musste erst einmal im Nachhinein recherchieren, ob ich die nur angedeutete Szene – die ich natürlich nicht spoilern will – auch richtig gedeutet hatte. Vor allem aber wirkt die Nachbereitung des Falles leider nur allzu schnell abgehandelt und ein wenig wie drangehängt, statt sich stimmig in das Gesamtbild zu fügen, so dass sich zwar das Bild gekonnt abrunden lässt und die Geschichte zu einem befriedigenden Schluss findet, hinsichtlich der Dramaturgie aber auf den letzten Metern ein regelrechter Einbruch zu verzeichnen ist.

Fazit & Wertung:

Zwar geht Craig Zobels sich auf reelle Ereignisse berufende Mär Compliance auf den letzten Metern ein wenig die Puste aus, doch bis dahin ist es ein regelrecht unangenehmes Kammerspiel, dessen Plot und Figuren regelrecht überzeichnet wirken, doch gerade im Hinblick darauf, dass sich vieles im Film doch sehr ähnlich zugetragen haben muss, berühren und schockieren die Ereignisse umso mehr. Ein unbequemer, aber auch recht ungewöhnlicher Film, der weniger als Schocker, denn vielmehr als analytisch gefärbtes Drama verstanden werden will.

7,5 von 10 abstrusen Anweisungen der Stimme am Telefon

Compliance

  • Abstruse Anweisungen der Stimme am Telefon - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Zwar geht Craig Zobels sich auf reelle Ereignisse berufende Mär Compliance auf den letzten Metern ein wenig die Puste aus, doch bis dahin ist es ein regelrecht unangenehmes Kammerspiel, dessen Plot und Figuren regelrecht überzeichnet wirken, doch gerade im Hinblick darauf, dass sich vieles im Film doch sehr ähnlich zugetragen haben muss, berühren und schockieren die Ereignisse umso mehr. Ein unbequemer, aber auch recht ungewöhnlicher Film, der weniger als Schocker, denn vielmehr als analytisch gefärbtes Drama verstanden werden will.

7.5/10
Leser-Wertung 10/10 (1 Stimmen)
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Compliance ist am 26.04.13 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Mad Dimension erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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vgw

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