Review: Nächte in Babylon | Daniel Depp (Buch)

Pünktlich zum Wochenende komme ich dann noch eben schnell mit einer neuen Buch-Kritik Schrägstrich Literatur-Empfehlung ums Eck und verabschiede mich damit einstweilen, bis wir uns vermutlich morgen an dieser Stelle wieder lesen werden. Bis dahin also einen guten Start ins Wochenende!

Nächte in Babylon

Babylon Nights, USA 2010, 352 Seiten

Nächte in Babylon von Daniel Depp | © carl's books
© carl’s books

Autor:
Daniel Depp
Übersetzerin:
Regina Rawlinson

Verlag (D):
carl’s books
ISBN:
978-3-570-58502-3

Genre:
Krimi | Thriller | Drama

 

Inhalt:

Perec setzte sich hin und betrachtete sein Werk, erfüllt von einer Liebe, die größer war als alles, was er sich je hätte vorstellen können. Selbst als er Gott noch liebte, hatte er nie etwas Vergleichbares erfahren. Er wusste, dass er ihr seine Liebe zeigen musste. Er musste sie finden und ihr sein Geschenk geben.

Kaum hat Bobby Dye das Zeitliche gesegnet, kaum hat Spandaus Exfrau Dee sich scheinbar endgültig gegen ihn und für ihren neuen Freund entschieden, kaum geht es mit der Detektei Coren Investigations langsam aber sicher genauso bergab wie mit David Spandaus Privatleben, trudelt überraschend ein neuer Auftrag für den Privatdetektiv und Freizeitcowboy ein: Ein offensichtlich gestörter Verehrer schreibt dem alternden Hollywood-Starlet Anna Mayhew Briefe mit Blut und Spandau wird engagiert, für ihre Sicherheit zu sorgen. Soweit so gut, gerät er prompt mit der neuen Klientin aneinander, doch der imponiert schlussendlich seine störrische Art und gibt ihm den Job.

Schwieriger wird die Sache mit der Bewachung dann aber, als Anna in die Jury der Cannes-Filmfestspiele berufen wird und Spandau sich gemeinsam mit ihr in Richtung Côte d’Azur aufzumachen gezwungen sieht, wenngleich seine Lizenz lediglich in Kalifornien gilt und er im fernen Europa kaum mehr ist als ein lauter und ungehobelter Klischee-Amerikaner – so zumindest die Meinung von Vignon, dem dortigen Sicherheitschef, der Spandau sofort auf dem Kieker hat…

Rezension:

Rund viereinhalb Jahre ist es her, dass Daniel Depp mich in Stadt der Verlierer mit seinem Detektiv David Spandau bekannt gemacht hat, der mich, beinahe mehr als der eigentliche Krimi-Plot des Romans, auf Anhieb für sich einzunehmen wusste. Lange Zeit wartete ich nun auf das Erscheinen der Taschenbuchausgabe von Nächte in Babylon, doch wartete ich vergebens, bis zunächst der Nachfolger des von mir hochgelobten Erstlings in meinem Kopf in Vergessenheit geriet, mir aber dennoch alle Jubeljahre unterkam, so dass ich nun – selbst der dritte Teil ist seit mehr als zweieinhalb Jahren auf Deutsch verfügbar – quasi notgedrungen auf das Paperback zurückgegriffen habe. Zum Glück, wie ich sagen muss, denn auch die zweite Story um den früheren Stuntman und um sarkastische Kommentare nicht verlegenen Spandau wusste mich beinahe auf Anhieb für sich einzunehmen, wenn es auch einige Kapitel dauert, bis der werte Herr die Szenerie betritt, denn zunächst einmal wird man mit dem psychopathischen Perec bekannt gemacht, der eine unnatürliche Obsession für die alternde Schauspielerin Anna Mayhew entwickelt hat, die wiederum mit dem Gedanken an Selbstmord spielt.

In einem Restaurant in Beverly Hills dachte Anna Mayhew, Oscar-Preisträgerin und ehemaliger Darling der Paparazzi, über das Verfallsdatum von Titten und Ärschen nach und überlegte, wie viele Tage sie sich noch gönnen sollte, bevor sie sich umbrachte. Sie hielt das Giftröhrchen wie einen Talisman in der Hand. Es war ein gutes Gefühl.

Das übrigens wäre dann auch direkt einer der größten Kritikpunkte am Buch, denn während anfänglich mit viel Brimborium geschildert wird, dass Anna lieber in Würde abtreten wolle, als in der Scheinwelt Hollywoods bald nur noch ein Leben auf dem Abstellgleis zu fristen, wird dieser Aspekt im weiteren Verlauf der Geschichte überhaupt nicht mehr aufgegriffen, so dass sich das Ganze recht schnell lediglich als Aufhänger für die eigentliche Geschichte entpuppt. Die wiederum weiß, spätestens wenn Spandau wieder Teil der Erzählung geworden ist, durchweg zu überzeugen und wartet mit spritzigen Dialogen und einfallsreichen Wendungen auf, berücksichtigt wie schon zuvor auch ganz bewusst das Innen- und Privatleben der Figuren und ist weit mehr als ein lustlos heruntergespulter Krimi. Als Krimi kann man nämlich Nächte in Babylon kaum noch bezeichnen, da Perec als Antagonist im ersten Drittel gänzlich im Hintergrund bleibt und auch dann zunächst nur als Begründung dafür dient, dass Spandau zur Bewachung von Anna Mayhew abgestellt wird. Hinzu kommt – und auch das wurde von Depp nur semi-gut gelöst – , dass sich der Roman in zwei Teile gliedert und die Geschehnisse in Kalifornien, kaum ist Anna mit ihrer kleinen Entourage nach Cannes gereist, quasi keine Bewandtnis mehr haben.

Wo also Stadt der Verlierer als Abgesang auf Hollywood gemünzt war, nimmt sich Depp nun die Filmfestspiele in Cannes zur Brust und bleibt damit durchaus in seinem Metier, doch verliert er einerseits zunächst über die Schilderungen der Stadt und dortigen Zustände den Krimi-Aspekt ein wenig aus den Augen, wohingegen im letzten Drittel derweil die Filmfestspiele gänzlich ins Hintertreffen geraten, wenn sich die Geschichte dann doch noch in Richtung eines Thrillers zu wenden beginnt. Zudem wirkt die Geschichte, zu der sich durch einen aberwitzigen Zufall auch noch der Zuhälter Special gesellt, der selbstredend ebenfalls nach Cannes reist, doch zuweilen wirklich arg konstruiert, denn Special ist Perec auf den Fersen, nachdem dieser ihm Geld geklaut hat, das eigentlich der Mafia gehört, deren Oberboss wiederum auch mit David Spandau bekannt ist, um nur eine Verflechtung aufzuzeigen, die für sich genommen schon aberwitzig genug scheint. Nichtsdestotrotz merkt man Depp auch hier wieder seine Erfahrung als Drehbuchautor an und Timing und Inszenierung sind oftmals so punktgenau, dass sie auch gerne über die eine oder andere abstruse Wendung hinwegsehen lassen, gerade wenn sie der Dynamik der Geschichte so zupass kommen, wie es hier der Fall ist.

»Sie gefallen mir, Texas. Sie sind ein Idiot, aber Sie trauen sich was, und Sie haben auch noch so was wie Ehrgefühl im Leib. Würden Sie sich eleganter kleiden, könnten Sie glatt als Italiener durchgehen. Deshalb würde ich es auch nicht gerne sehen, wenn man Sie eines frühen Morgens zwischen den ganzen gebrauchten Kondomen unter dem Santa Monica Pier aus dem Wasser fischen würde.«
»Ich glaube fast, so poetisch hat mir noch nie einer gedroht.«

Folglich wirkt Nächte in Babylon nicht annähernd so stringent und vor allem kohärent ausgerichtet wie Stadt der Verlierer, doch handelt es sich eben dennoch um eine gelungene Variation des Themas, was zuvorderst aber an der witzigen und schnittigen Schreibe und dem Einfallsreichtum Depps als Autor liegt, denn die Story präsentiert sich schlichtweg ungemein kurzweilig und lässt auch immer wieder satirische Einschläge aufblitzen, während es die pointierten Dialoge voller Wortwitz sowie die zahlreichen Reminiszenzen sind, die den zweiten Spandau-Roman so lohnenswert machen, selbst wenn er eben nicht die Klasse seines Vorgängers erreicht. Wem also Kriminalgeschichten im Hollywood-Metier zusagen, bei denen eindeutig die Figuren und weniger der Krimi-Plot im Vordergrund stehen, wem ein abgehalfterter wie eloquenter Großstadt-Cowboy als Protagonist zusagt und wer sich in einer heillos überkonstruierten, sich aber immer wieder auch selbst aufs Korn nehmenden Geschichte zu verlieren können meint, sollte trotz der genannten Mängel unbedingt einen Blick riskieren – doch natürlich erst, nachdem der erste Teil gesichtet worden ist.

Fazit & Wertung:

Wenn auch Nächte in Babylon nicht ganz an Daniel Depps ersten David Spandau-Roman heranreicht und zuweilen arg konstruiert daherkommt, verspricht die pointierte und mit Wortwitz gespickte Schreibe dennoch gehörig Unterhaltung und macht gerade fernab des obligatorischen und wenig überraschenden Krimi-Parts eine Menge Freude, während ausgewiesene Freunde „echter“ Krimis hier vermutlich eher weniger auf ihre Kosten kommen.

8 von 10 sarkastischen Seitenhieben

Nächte in Babylon

  • Sarkastische Seitenhiebe - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Wenn auch Nächte in Babylon nicht ganz an Daniel Depps ersten David Spandau-Roman heranreicht und zuweilen arg konstruiert daherkommt, verspricht die pointierte und mit Wortwitz gespickte Schreibe dennoch gehörig Unterhaltung und macht gerade fernab des obligatorischen und wenig überraschenden Krimi-Parts eine Menge Freude, während ausgewiesene Freunde „echter“ Krimis hier vermutlich eher weniger auf ihre Kosten kommen.

8.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von carl’s books. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Nächte in Babylon ist am 29.08.11 bei carl’s books erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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