Review: Spotlight (Film)

Anlässlich des in Relation zur regulären DVD-/Blu-ray-Veröffentlichung um eine Woche vorverlegten Erscheinens der Digital- beziehungsweise Download-Fassung des zweifachen Oscar-Gewinners Spotlight am 23.06.16 wurde ich in die glückliche Lage versetzt, ungewohnt früh dieses filmische Kleinod zu sichten, um davon berichten zu können und auch wenn sich ganze Absätze damit füllen ließen, wie schwierig es ohne AppleTV ist, einen iTunes-Film einfach nur auf den Fernsehschirm zu bekommen, spare ich mir den Exkurs, denn meine Review zum Film selbst ist bereits lang genug geworden, wie ihr sehen werdet.

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Spotlight

Spotlight, USA/CA 2015, 128 Min.

Spotlight | © Universal Pictures
© Universal Pictures/Paramount

Regisseur:
Tom McCarthy
Autoren:
Josh Singer
Tom McCarthy

Main-Cast:
Mark Ruffalo (Mike Rezendes)
Michael Keaton (Walter ‘Robby’ Robinson)
Rachel McAdams (Sacha Pfeiffer)
Liev Schreiber (Marty Baron)
John Slattery (Ben Bradlee, Jr.)
Stanley Tucci (Mitchell Garabedian)
in weiteren Rollen:
Brian d’Arcy James (Matt Carroll)
Jamey Sheridan (Jim Sullivan)
Billy Crudup (Eric Macleish)

Genre:
Biografie | Drama | Historie | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Spotlight | © Universal Pictures
© Universal Pictures/Paramount

Als 2001 der frisch aus Miami eingetroffene Marty Baron als neuer Chefredakteur des Boston Globe anfängt, stößt er in einer Kolumne auf einen des sexuellen Missbrauchs beschuldigten katholischen Priester und wittert eine Story, die es zu verfolgen gilt, weshalb er das Spotlight-Team investigativer Journalisten um Walter Robinson auf den Fall ansetzt und sie bittet, ihr aktuelles Projekt zunächst auf Eis zu legen. Robinson wiederum setzt seine Mitarbeiter auf die Sache an und so nimmt Michael Rezendes Kontakt zu dem Außenseiter-Anwalt Mitchell Garabedian auf, während Sascha Pfeiffer und Matt Carroll frühere Missbrauchsopfer zu befragen versuchen und Robinson gemeinsam mit Pfeiffer den Anwalt Eric Macleish aufsucht, der früher schon für die katholische Kirche tätig gewesen ist und von dem sie sich weiterführende Informationen erhoffen. Schnell stoßen sie auf weitere Fälle und stolpern immer öfter über Anzeichen von Vertuschung, bis ihnen allmählich klar wird, dass der Fall allein in der Erzdiözese Boston weit größere Kreise zieht als zunächst angenommen, insbesondere, nachdem die Opfer-Organisation SNAP zu ihnen Kontakt aufnimmt und sich bei der Versetzung diverser Priester ein Muster abzuzeichnen beginnt…

Rezension:

Bereits 2013 vollendete Tom McCarthy und Josh Singer ihr Drehbuch zu Spotlight, das prompt auf der Black List erschien, einer Liste der lohnenswertesten, bis dato unverfilmten Stoffe. Völlig zu Recht, wie sich später zeigen sollte, denn der schlussendlich von Tom McCarthy selbst inszenierte und September 2015 veröffentlichte Film, dessen Handlung auf den reellen Begebenheiten beim Boston Globe und dessen Investigativ-Team Spotlight fußt, dem es 2001 gelang, einen beispiellosen Skandal sexuellen Missbrauchs innerhalb der römisch-katholischen Kirche aufzudecken, was ihnen zwei Jahre später mitunter den Pulitzer-Preis einbrachte, ist nämlich nicht lediglich ein eindrückliches Biopic oder auf Schuld und Sühne zielendes Drama mit wahrem Hintergrund geworden, sondern nicht zuletzt aufgrund des ausgesucht großartigen Darsteller-Ensembles ein sorgsam austariertes Zeitdokument, dem es gelingt, der Zeitungsarbeit das Flair eines Hochspannungs-Thrillers zu verleihen und anhand archetypischer Figuren unterschiedliche Aspekte und Betrachtungsweisen in die Handlung zu weben, ohne dabei – und das mag bei einem derartig prekären Thema vorrangig ausschlaggebend für die überzeugende Gesamtdarbietung sein – zu pauschalisieren oder dämonisieren, während selbstredend dennoch jederzeit unumstößlich bleibt, wie verurteilens- und verachtenswert nicht nur die Taten, sondern auch die sich hieran anschließenden Vertuschungsversuche gewesen sind.

Szenenbild aus Spotlight | © Universal Pictures
© Universal Pictures/Paramount

Dennoch ist Spotlight auf der anderen Seite weit davon entfernt, den Journalismus zu glorifizieren oder ein Loblied auf die Bedeutung der vierten Gewalt und deren Unabhängigkeit zu singen, wenn sich diese auch in vielen Szenen und Zusammenhängen nicht von der Hand weisen lässt. Doch im Laufe der Recherchen und im weiteren Fortgang der Geschichte wird gleichermaßen deutlich, dass nicht nur die Geistlichen und deren Anwälte Schuld auf sich geladen haben, sondern auch der Journalismus im Allgemeinen und der Boston Globe im Speziellen über Jahre hinweg die Augen vor der Wahrheit verschlossen haben, ähnlich wie viele der Bewohner Bostons, denn mehr und mehr wird deutlich, dass die Puzzle-Teile der zahllosen Missbrauchsfälle schon seit jeher verfügbar waren und nur niemand sich imstande sah oder die Bereitschaft besaß, selbige zu einem großen Ganzen zu fügen. Wie nah der Film dabei wirklich an der Realität bleibt, werden wohl die wenigsten adäquat beurteilen können, doch lässt sich zumindest festhalten, dass McCarthy in seinem Werk auf jegliche unnötige Effekthascherei verzichtet und schon gar nicht im Sinn hatte, einen wie auch immer gearteten Voyeurismus zu befriedigen, so dass vieles im Zusammenhang mit den langsam zu Tage tretenden Missbrauchsvorwürfen oft nur angedeutet wird, während der Film es ebenso vermeidet, die Kirche oder Religion im Allgemeinen zu verteufeln, obwohl die Frage nach der Religionsloyalität ein vorherrschendes Thema über die gesamte Laufzeit ist.

Stattdessen bedient sich McCarthy seines Darsteller-Ensembles, um unterschiedliche Facetten dieser Fragestellung aufzugreifen, so dass es Sascha Pfeiffer – von Rachel McAdams (Passion) verkörpert – irgendwann nicht mehr über sich bringt, ihre Oma in die Kirche zu begleiten, während der von Brian d’Arcy James gespielte Matt Carroll feststellen muss, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ein Haus existiert, in dem sich des Missbrauchs schuldig gemacht habende Priester leben, derweil er selbst nichts über dieses Wissen verlauten lassen kann, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Der von Mark Ruffalo (Can A Song Save Your Life?) verkörperte Mike Rezendes derweil fühlt sich schlichtweg um den Glauben an die Kirche betrogen, die er zwar seit Jahren nicht mehr besucht hat, doch von der er immer dachte, er würde sich ihr eines Tages möglicherweise wieder zuwenden, was ihm, je weiter die Forschungen voranschreiten, schlichtweg nicht mehr möglich scheint, was wiederum in einem von offenkundiger Ohnmacht und Hilflosigkeit dominierten Wutanfall mündet, der allein schon Bände darüber spricht, in welch prekärer, objektiv kaum nachfühlbarer Lage sich die Journalisten von Spotlight seinerzeit befunden haben müssen. Die realen Vorbilder der Figuren – von denen einzig Michael Rezendes tatsächlich noch immer bei Spotlight arbeitet – waren zudem häufiger am Set, wie McCarthy verlauten ließ und ohne selbige zu kennen, hat sich diese Akribie bei der Inszenierung ohne Frage bezahlt gemacht, denn gerade durch den Umstand, dass die investigative Zeitungsarbeit ganz klar im Vordergrund der Erzählung steht und insbesondere das Privatleben der Journalisten teils nur angedeutet wird, würde man meinen, diese blieben womöglich eher oberflächlich und als Charaktere wenig greifbar, doch das Gegenteil ist der Fall und jede einzelne Figur wird so glaubhaft zum Leben erweckt, dass sich viele andere Produktionen eine Scheibe davon abschneiden könnten.

Szenenbild aus Spotlight | © Universal Pictures
© Universal Pictures/Paramount

So lobte insbesondere der echte Walter Robinson den ihn verkörpernden Michael Keaton (Birdman) für dessen Darstellung und tatsächlich bildet Keaton als Oberhaupt der Spotlight-Mitarbeiter sozusagen das Herz der Gemeinschaft und sieht sich alsbald ebenfalls damit konfrontiert, wie leicht womöglich auch er selbst ein Missbrauchs-Opfer hätte werden können, als sich das Ausmaß des Skandals Schicht um Schicht offenbart. Abgerundet wird der Cast schließlich durch den aus insbesondere Mad Men hinlänglich bekannten John Slattery sowie Liev Schreiber (Ray Donovan), der hier als neuer Chefredakteur Marty Baron in Erscheinung tritt und den Stein überhaupt ins Rollen bringt, als Außenseiter den Laden sozusagen gehörig aufmischt, sich vor allem aber auch nicht um die Konsequenzen schert oder darum, wem er womöglich auf die Füße treten könnte. So findet der jüdische Baron nichts weiter daran, vor Gericht die Herausgabe versiegelter Dokumente zu verlangen, während jeder ihm weiszumachen versucht, er könne doch schließlich nicht die Kirche verklagen. Last but not least brilliert Stanley Tucci (Margin Call) in gewohnter Weise als Anwalt Mitchell Garabedian, der in seiner Verquickung aus desillusioniertem Denken und seinen hohen moralischen Wertevorstellungen einen der letzten Gerechten gibt, der trotz aller Resignation noch immer mit ungebrochenem Eifer für die Missbrauchsopfer einzustehen versucht und langsam aber sicher Vertrauen zu Rezendes fasst, als er zu merken beginnt, dass dieser es ernst damit meint, die Missstände innerhalb der Kirchenstrukturen aufdecken zu wollen.

Besonders faszinierend ist derweil aber auch, dass sich Spotlight nicht damit abgibt, einfach nur eine packende und schockierende Geschichte zu erzählen, denn auch wenn die Ereignisse um den Boston Globe gerade einmal 15 Jahre zurückliegen, wirkt das Geschehen doch teilweise wie aus einer anderen Zeit, wenn man sich allein die Archive der Zeitungsredaktion ansieht oder auch nur deren technisches Equipment, so denn überhaupt vorhanden, während es sich McCarthy nicht nehmen lässt, augenzwinkernd in Dialogen auf die Anfänge des Internet zu deuten und damit zu unterstreichen, dass bereits anderthalb Dekaden zuvor der Einfluss des Internets die Bedeutung des Verlagswesens in Frage zu stellen begonnen hat, während sich auch ein Geistlicher skeptisch dazu äußert, was man davon zu halten habe, dass das Wissen der Welt nun im "World Wide Web" verfügbar wäre. So funktioniert die Geschichte, auch dank der Bereitschaft des Boston Globe, in dessen Räumlichkeiten drehen zu dürfen, gepaart mit der sorgsam ausgewählten Ausstattung des Films gar ein Stück weit als zeitgeschichtliches Dokument und lässt folgerichtig auch die Ereignisse des 11. September 2001 nicht unter den Tisch fallen, denn auch wenn diese selbst innerhalb des Geschehens eher eine Randnotiz ausmachen (und logischerweise den Rahmen vollends gesprengt hätten), gelingt es den Autoren McCarthy und Singer doch, zu verdeutlichen, inwieweit dieses einschneidende Ereignis innerhalb der amerikanischen Geschichte auch die Nachforschungen bezüglich der Missbrauchsfälle ins Stocken geraten ließen.

Szenenbild aus Spotlight | © Universal Pictures
© Universal Pictures/Paramount

Doch um die Gunst der Stunde zu nutzen, möchte ich in diesem speziellen Fall noch kurz auf die Politik der FSK zu sprechen kommen, denn während man sich bei vielen Filmen sicherlich streiten kann, ob eine Freigabe ab 12, 16 oder 18 Jahren (in die eine wie die andere Richtung) gerechtfertigt ist, halte ich es für ausgemachten Schwachsinn, einen Film wie Spotlight einzig aufgrund des Umstandes, dass dieser keine im klassischen Sinne "schlimmen" Szenen enthält, mit einer Freigabe ab 0 (!) Jahren zu versehen, denn dass es einem Kind zuzumuten ist, einem erwachsenen Mann mit brechender Stimme und Tränen in den Augen dabei zuzuhören, wie dieser davon berichtet, von einem Priester entkleidet und gezwungen worden ist, dessen – Zitat – "Schwanz in den Mund zu nehmen", kann mir nun wirklich keiner verkaufen und auch wenn der Film in allen Belangen respektvoll mit dem Thema umgeht, wie gesagt nichts Voyeuristisches oder Reißerisches an sich hat, ebenso eine klare Haltung zu dem Thema vertritt, kann es einfach nicht sein, dass (Klein-)Kinder mit so etwas konfrontiert werden, selbst oder gerade mit der Argumentation, sie könnten das Ausmaß dessen, was geschildert wird, nicht einmal annähernd begreifen. Dafür allerdings kann der Film selbst natürlich nichts und es war mir ein rein privates Anliegen, darauf kurz eingegangen zu sein und davon abgesehen gibt es wenig bis gar nichts, was man Tom McCarthys Spotlight vorwerfen oder ankreiden könnte, dessen inszenatorische Brillanz einzig überschattet wird von den wahren Hintergründen, denn die Verdienste des echten Spotlight-Teams, "For its courageous, comprehensive coverage of sexual abuse by priests, an effort that pierced secrecy, stirred local, national and international reaction and produced changes in the Roman Catholic Church" – wie es in der Begründung des Pulitzer-Komitee heißt – lassen sich natürlich in keiner Weise mit einer filmischen Adaption der Geschehnisse aufwiegen.

Fazit & Wertung:

Tom McCarthys Spotlight offeriert ein auf Tatsachen beruhendes Drama über Investigativ-Journalismus und die Bedeutung der vierten Macht, der mit einem ungemein stimmigen Darsteller-Ensemble und packender Inszenierung nicht nur Fragen moralischer Integrität, Loyalität, Vertrauen, Glaube und Religion beleuchtet, ohne der Versuchung zu erliegen, einerseits die Kirche zu dämonisieren oder andererseits die Journalisten zu glorifizieren, während der Film als solches mit all seinen Facetten und der authentischen Darstellung und Ausstattung zuweilen als zeitgeschichtliches Dokument betrachtet werden kann, ohne indes jemals an Spannung und Verve einzubüßen, was in Anbetracht des Umstandes, dass hier der Thrill allein aus Recherchen und Gesprächen resultiert, für sich genommen schon eine beachtliche Leistung darstellt.

10 von 10 nach Jahren aufgedeckte Missbrauchsfälle

Spotlight

  • Nach Jahren aufgedeckte Missbrauchsfälle - 10/10
    10/10

Fazit & Wertung:

Tom McCarthys Spotlight offeriert ein auf Tatsachen beruhendes Drama über Investigativ-Journalismus und die Bedeutung der vierten Macht, der mit einem ungemein stimmigen Darsteller-Ensemble und packender Inszenierung nicht nur Fragen moralischer Integrität, Loyalität, Vertrauen, Glaube und Religion beleuchtet, ohne der Versuchung zu erliegen, einerseits die Kirche zu dämonisieren oder andererseits die Journalisten zu glorifizieren, während der Film als solches mit all seinen Facetten und der authentischen Darstellung und Ausstattung zuweilen als zeitgeschichtliches Dokument betrachtet werden kann, ohne indes jemals an Spannung und Verve einzubüßen, was in Anbetracht des Umstandes, dass hier der Thrill allein aus Recherchen und Gesprächen resultiert, für sich genommen schon eine beachtliche Leistung darstellt.

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Meinungen aus der Blogosphäre:
Tonight is gonna be a large one.: 9/10 Punkte

Spotlight erscheint am 30.06.16 auf DVD und Blu-ray bei Paramount im Vertrieb von Universal Pictures und ist bereits seit dem 23.06.16 als Download bei unter anderem Amazon*, Google Play, iTunes oder Maxdome verfügbar.

Weitere Informationen zum Film und eine Übersicht der Download-Möglichkeiten findet ihr auf der Paramount-Seite zu Spotlight.

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DVD:

Blu-ray:

Dieser Artikel entstand in freundlicher Kooperation mit Paramount beziehungsweise deren zuständiger Presse-Agentur. Meine Meinungen und Ansichten blieben hiervon jedoch selbstverständlich unbeeinflusst.

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vgw

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Kommentare (2)

  1. Aktion Morgenluft 30. Juni 2016

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