Review: Iron Kingdoms – Die Unterstadt (Spiel)

Ich weiß, ihr guckt jetzt alle Fußball, aber ich haue trotzdem noch eine Review raus, zumal mich das Spiel, um das es heute gehen wird, leider überhaupt nicht flashen wollte, auch wenn ich damit quasi fest gerechnet hatte, doch auch mehrere Anläufe vermochten keine Besserung zu bringen. Trotzdem habe ich mir natürlich die größtmögliche Mühe gegeben, einen umfassenden Blick auf das Spiel und vor allem meine Kritikpunkte zu ermöglichen.

Iron Kingdoms
Die Unterstadt
Ein Iron Kingdoms Abenteuer-Brettspiel

Iron Kingdoms – The Undercity

Iron Kingdoms – Die Unterstadt | © Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag
© Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag

Autoren:
William Schick
William Schoonover
David Carl
Verlag (D):
Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag

Kategorie:
Brettspiel
Genre:
Steampunk | Fantasy | Abenteuer

Spielerzahl:
2-4 Spieler
Spieldauer:
60-120 Minuten

Inhalt:

Der Inhalt der Box gestaltet sich – selbst abgesehen von den zahlreichen Figuren – überaus üppig und erschlägt einen schier mit einem ganzen Wust an Material, das die Neugierde weckt und konkret aus nachfolgenden Utensilien besteht:

  • 4 Charakterbögen
  • 1 Spielbrett
  • 16 Kartensegmente
  • 1 Uhrsegment
  • 1 Schatzkammer-Segment
  • 1 Schurken-Referenzbogen
  • 6 weiße Würfel
  • 2 Schwarze Würfel
  • 64 Eigenschaftskarten
  • 22 Ereigniskarten
  • 48 Talentkarten
  • 24 Nebenquestkarten
  • 34 Schurkenaktionskarten
  • 11 Schurken-Datenkarten
  • 66 EP-Münzen
  • 4 Alchemistisches Heilmittel-Marker
  • 6 Zahlenmarker
  • 80 Wundmarker
  • 12 Wrackmarker
  • 4 Einsturzmarker
  • 2 Blitzmarker
  • 1 Hakenmarker
  • 4 Missionszielmarker
  • 2 Offen/Geschlossen-Marker
  • 14 Durchgangsmarker
  • 1 Patrouillenmarker
  • 6 Rauchmarker
  • 1 Regelheft
  • 1 Kampagnenheft

 

Hinzu kommen derweil noch insgesamt 44 Spielfiguren in unterschiedlichen Farben, die sich wie folgt aufgliedern:

  • 4 Helden
  • 1 leichter Steamjack
  • 10 Schläger mit Schwertern
  • 8 Schläger mit Armbrüsten
  • 8 Gedankensklaven
  • 2 Gobber-Halsabschneider
  • 2 Schwere ´Jacks
  • 2 Ogrun-Raufbolde
  • 2 Rhullische Söldner
  • 2 Trollsippenspäher
  • 1 Cephalyx
  • 1 Monstrosität
  • 1 Schmuggleranführer

 

Rezension:

In Steampunk-Gefilden gemeinsam ins Abenteuer

Ich bin ja ein großer Freund von Miniaturenspielen im Allgemeinen und Dungeon-Crawlern im Besonderen und so wurde ich prompt aufmerksam und neugierig auf Iron Kingdoms – Die Unterstadt, auch wenn ich mit dem zugrunde liegenden Iron Kingdoms-Rollenspiel bisher keine Berührung hatte, doch das von Steampunk-Elementen angehauchte Fantasy-Setting sah vom ersten Moment an äußerst spannend aus und versprach ein etwas anderes Spiel-Erlebnis als beispielsweise Descent, welches vielleicht der eine oder andere kennen dürfte. So weit so gut, versprach auch der kooperative Spielstil Abwechslung zu bringen, denn bei derartig gelagerten Spielen bin eigentlich immer ich es, der den Part des Spielmeisters, des Schurken, des Overlords, des Bösen, des Kampagnenleiters und wie sie alle heißen übernehmen muss, so dass ich mich sehr darauf gefreut habe, nun endlich einmal mit der Heldengruppe gemeinsam Dungeons zu erkunden und Monster zu bekämpfen, doch sollte es sich bald erweisen, dass ich sowohl mit einigen Spielkonzepten als auch der Aufmachung nicht richtig warmwerden wollte, was mich ob meiner Vorfreude noch mehr enttäuscht hat, weshalb ich in mehreren Anläufen versucht habe, das Spiel zu mögen, was mir aber schlussendlich nicht wirklich gelingen wollte.

Iron Kingdoms – Die Unterstadt | © Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag
Der Goblin-Halsabschneider Pog zieht mit einem Steamjack ins Feld

Um nun aber darauf zu sprechen zu kommen, was mir an Iron Kingdoms – Die Unterstadt nicht gefallen hat, müssen wir uns natürlich zunächst einmal der Spielthematik und dem Ablauf widmen. Tatsächlich verhält sich das Spiel in einigen Punkten ganz genauso, wie man es sich von einem Dungeon-Crawler erwarten würde, so dass am Anfang die Wahl des Helden steht, derer es insgesamt vier gibt und die sich auch spürbar in ihrem Spielgefühl unterscheiden, so dass je nach eigenem Gusto und Gewohnheit die Wahl auf einen Trollsippenkrieger, einen Halsabschneider-Alchemisten, eine Pistolenmagier-Duellantin oder den Gobber-Schrauber mit seinem imposanten Steamjack, ein mechanisches Ungetüm mit Streitkolben und Schild fällt, während man auch hier wieder damit leben muss, dass bei weniger als vier Spielern gegebenenfalls mehrere Helden von einer Person übernommen werden müssen, was die Sache schon wieder schwieriger macht. Theoretisch würde ich auch bemängeln, dass es „nur“ diese vier Helden zur Wahl gibt und sie allesamt jederzeit mit von der Partie sind, doch der Sinn dessen erschließt sich schnell wenn man zu spielen beginnt, denn in den begleitenden Texten zu den Kampagnenmissionen kommen all diese Figuren zur Sprache und schaffen so natürlich ein weitaus eindrücklicheres Spielerlebnis, als wenn nur die Rede von den Helden oder ähnlichem wäre.

Der Weg nach unten

Die Kampagne ist aber leider auch einer der Kritikpunkte des Spiels, denn so gelungen die Missionen für sich genommen sind und – abgesehen vom ersten Kapitel, der Einführungsmission – teils ziemlich clevere Sonderregeln beinhalten, gibt es derer sage und schreibe sieben, womit sich der Wiederspielwert in argen Grenzen hält, zumal die begleitenden Texte vor und nach der Mission zwar ausnehmend lang geraten sind, zu lang übrigens für manche meiner eher ungeduldigen Mitspieler, im Laufe des eigentlichen Spiels aber gar nicht zum Tragen kommen, anders also als beispielsweise bei Star Wars: Imperial Assault, wo geskriptete Ereignisse zu bestimmten Zeitpunkten auch immer ein wenig Flavour-Text enthalten, ganz davon zu schweigen, dass dort eine Kampagne deutlich umfangreicher ausfällt. Vor allem aber ist auch das Spielfeld selbst ungemein trist geraten und lädt nicht unbedingt zu einer Partie Iron Kingdoms – Die Unterstadt ein, denn abgesehen von einigen Wänden, Türen und Durchgängen wirkt das Ganze schon sehr spartanisch und die Spielpläne nicht gerade abwechslungsreich, was schade ist, denn beispielsweise die Idee der unterschiedlichen Zugangspunkte, an denen Runde um Runde neue Gegner das Feld betreten, habe ich zum Beispiel als sehr gelungen empfunden, doch ansonsten muss man sich nur wenige Schritte bewegen, um das Geschehen einmal zu durchqueren und zu einem möglichen Ziel zu gelangen, so dass man sich des Öfteren darauf verlegt, dass sich die Fernkämpfer an strategisch günstigen Punkten platzieren und unentwegt die immer zahlreicher werdenden Gegner beharken, während es den anderen Figuren überlassen bleibt, questgebundene Aufträge zu erfüllen.

Iron Kingdoms – Die Unterstadt | © Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag
Gemeinsam ins Abenteuer

Zu dem tristen Spielfeld erschwerend hinzu kommt die nicht gerade glückliche Wahl der Farben für die Schurken, die sich in knalligem Blau oder knalligem Rot präsentieren und oftmals nicht gerade wertig erscheinen, abgesehen von den großen Oberschurken, die sich – womöglich die designtechnisch mieseste Entscheidung überhaupt in heftig leuchtendem Lila präsentieren, was jetzt nicht unbedingt ihr theoretisch Furcht verursachendes Auftreten unterstreicht. Die unterschiedliche Farbgebung rührt übrigens daher, dass hiervon gesteuert wird, welche Figur eingesetzt oder aktiviert wird, was für sich genommen auch eine der wirklich gelungenen Ideen darstellt, wenn die Figuren dadurch nicht so unsagbar hässlich erscheinen würden. Davon abgesehen sorgte im Verlauf der Kampagne noch am ehesten für Ernüchterung, dass man zwar seinen Helden mithilfe von Fähigkeitskarten, die es im Austausch gegen Erfahrungspunkte zu erwerben gilt, aufwerten, verbessern und geringfügig individualisieren kann, man aber Schatz- und Ausrüstungskarten vergeblich sucht, so dass der Reiz des Lootens, wie es neudeutsch so schön heißt, Iron Kingdoms – Die Unterstadt leider völlig abgeht, weil man hinsichtlich Bewaffnung und Panzerung schlicht und ergreifend auf das angewiesen ist, was man von Anfang an besitzt, weshalb die jeweiligen Waffen auch fest auf dem jeweiligen Charakterbogen aufgedruckt sind.

Ein Held muss tun, was ein Held tun muss

Apropos Kampf nutze ich dies mal als Überleitung zum eigentlichen Spielgeschehen, das natürlich rundenweise abläuft und sich je Spieler in drei Phasen gliedert, wobei, noch bevor ein Spieler seinen Zug beginnt, eine Ereigniskarte gezogen wird, die einerseits die Farbpriorität (in Bezug auf die oben erwähnte Schurkenfarbe) vorgibt und weitere Effekte ins Spiel bringen kann, last but not least aber auch als Rundenzähler dient, denn ist der Ereignisstapel aufgebraucht, endet auch das Spiel, so dass man durchaus des Öfteren unter Zeitdruck gerät und daher auch die Nebenquests, die man in Form einer auf dem Spielfeld herumliegenden Karte eröffnen kann, gerne mal wortwörtlich links liegen lässt. Aber zu den einzelnen Phasen:

Iron Kingdoms – Die Unterstadt | © Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag
Mit ihrer Magieschlosspistole hat sie schon gute Karten

Ein jeder Zug eines Helden beginnt damit, dass in der Aufstellungsphase zwei Würfel geworfen werden, um zu ermitteln, welche Art Schurke aufgestellt wird und wo. Hieran anschließend erst tritt der Held selbst in Aktion und kann nun in der Handlungsphase wählen, ob er sich bewegen möchte oder nicht, wobei von der Art der Bewegung (Stellung halten, Gehen, Vorstürmen) abhängt, ob er noch in der Lage ist, Fernkampfangriffe durchzuführen oder sich in den Nahkampf zu stürzen, derweil dieser Angriff dann dessen Aktion für die laufende Runde wäre, doch Alternativen gibt es kaum, nämlich lediglich die, einen kampfunfähigen Helden mittels Trank wiederzubeleben oder eine Attributsprobe abzulegen (Missionsspezifisch). Der Zug des Helden endet mit der Schurkenphase, in welcher durch das Ziehen einer Schurkenaktionskarte bestimmt wird, welche(r) Schurke(n) aktiviert wird/werden.

Zielen, schießen, rechnen, treffen!?

So einfach, so gut, könnte das Ganze sich nach einer gewissen Eingewöhnung durchaus als intuitiv erweisen, doch macht der Kampf dem leider in meinen Augen einen Strich durch die Rechnung, denn abgesehen von den Waffenwerten und möglichen Modifikatoren, die es beim Wurf zu berücksichtigen gilt, wird zunächst ein Angriffswurf durchgeführt, um mittels Abgleich mit der Abwehr des Ziels zu ermitteln, ob der Angreifer überhaupt trifft, wobei sich hier schon Fragen stellen, wie ob sich das Ziel des Angriffs in Deckung befindet oder der Angriff in irgendeiner Form verstärkt wird. Trifft die Figur, schließt sich ein auf weiteren Werten und Modifikatoren beruhender Schadenswurf an, der wiederum in der Summe die Panzerung des Ziels übertreffen muss und abhängig davon, ob dies nur gerade so gelingt oder der Schadenswurf die Panzerung um mehr als fünf Punkte übertrifft, fügt der Angreifer nun entweder einen oder gleich zwei Schaden zu. Was sich schon kompliziert und umständlich liest, verhält sich leider im eigentlichen Spiel nicht gerade anders und mir für meinen Teil hat es Iron Kingdoms – Die Unterstadt schon gehörig verleidet, denn wie man sich denken kann, ist der Kampf einer der Hauptaspekte des Spiels und wenn man berücksichtigt, dass meistens je Zug sowohl der Held als auch einer oder mehrere Schurken angreifen, kann man sich denken, dass die meiste Zeit damit verbracht wird, die Charakterbögen und Schurkenkarten sowie die Anleitung zu konsultieren und Würfelwürfe abzugleichen.

Iron Kingdoms – Die Unterstadt | © Ulisses Spiele / Heidelberger Spieleverlag
Horden an Monstern stürmen heran

Zuletzt – und das ist wahrscheinlich mein persönlicher Todesstoß gewesen – weist Iron Kingdoms – Die Unterstadt eine für meine Begriffe ungemein verworrene Anleitung auf, die zwar auf den ersten Blick strukturiert scheint, aber zahlreiche Ausnahmen von einer bestimmten Regel auf gänzlich anderer Seite aufgreift, zu einem frühen Zeitpunkt Wissen voraussetzt, was erst später in der Anleitung vermittelt wird und eine sinnvolle Übersicht – beispielsweise zu den möglichen Kampfmodifikatoren – missen lässt, was das Spielgeschehen womöglich nachhaltig positiv beeinflusst hätte. So bietet das Spiel zwar ein stimmiges Setting, weiß dieses aber nicht auf dem Brett überzeugend umzusetzen, verfügt über ein paar spannende Mechanismen für ein kooperatives Spielerlebnis, gibt sich dann aber an anderer Stelle wieder unnötig kompliziert, will für eine Identifikation mit der eigenen Heldenfigur sorgen und ermöglicht es dann aber nicht, diese entsprechend mit Ausrüstung zu versehen, was aber dahingehend nicht so stark ins Gewicht fällt, dass die Kampagne mit gerade einmal sieben Kapiteln recht schnell auserzählt ist und kein Wort darüber verloren wird, mit welchen Mechanismen man sich eigene Abenteuer ausdenken oder zufallsgenerieren könnte. Sicherlich hilft da die eigene Fantasie weiter, doch gemessen an dem riesigen Karton und dem opulenten Spielmaterial sowie der Rollenspiel-Vorlage fühlt man sich schlussendlich mit dem Spiel ziemlich alleine gelassen, dessen Ausstattung ebenso nicht in allen Punkten überzeugt.

Fazit & Wertung:

Das Abenteuer-Brettspiel Iron Kingdoms – Die Unterstadt wirkt auf den ersten Blick durchaus vielversprechend und komplex, doch die Komplexität entpuppt sich alsbald regelrecht als unnötig gemessen an den Möglichkeiten, die das Spiel einem bietet, das weder Taktiker noch Glücksritter so richtig zufriedenstellen dürfte, zumal die Wertigkeit des Spielmaterials nicht durchgehend zu überzeugen weiß und eine Kampagne mit mageren sieben Missionen als einziger Spielmodus ohne Aussicht auf Nachschub nicht gerade für die Wiederspielbarkeit sprechen. Da gibt es in punkto Miniaturen-Brettspiele meines Erachtens deutlich lohnenswertere Alternativen, selbst wenn man dort womöglich auf die kooperative Spielerfahrung verzichten muss.

4,5 von 10 furchteinflößende Steampunk-Monster

Iron Kingdoms – Die Unterstadt

  • Spielkonzept/-mechanismen
  • Ausstattung/Qualität
  • (Langzeit-)Spielspaß

Fazit & Wertung:

Das Abenteuer-Brettspiel Iron Kingdoms – Die Unterstadt wirkt auf den ersten Blick durchaus vielversprechend und komplex, doch die Komplexität entpuppt sich alsbald regelrecht als unnötig gemessen an den Möglichkeiten, die das Spiel einem bietet, das weder Taktiker noch Glücksritter so richtig zufriedenstellen dürfte, zumal die Wertigkeit des Spielmaterials nicht durchgehend zu überzeugen weiß und eine Kampagne mit mageren sieben Missionen als einziger Spielmodus ohne Aussicht auf Nachschub nicht gerade für die Wiederspielbarkeit sprechen. Da gibt es in punkto Miniaturen-Brettspiele meines Erachtens deutlich lohnenswertere Alternativen, selbst wenn man dort womöglich auf die kooperative Spielerfahrung verzichten muss.

2.5
Leser-Wertung 4 (2 Stimmen)
Sende

Weitere Details zum Spiel findet ihr auf der Seite des Heidelberger Spieleverlag sowie auf der Seite von Ulisses Spiele. Dort gibt es übrigens auch die vollständige deutsche Spielanleitung als PDF zum Download, ebenso wie ein ergänzendes Einzelabenteuer, das die verfügbaren sieben Missionen zumindest um eine Mission erweitert.

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Iron Kingdoms – Die Unterstadt ist im Oktober 2015 bei Ulisses Spiele im Vertrieb vom Heidelberger Spieleverlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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Eine Reaktion

  1. Ingo Schulze 4. Juli 2016

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