Review: Nacktschnecken | Rebecca Martin (Buch)

Heute melde ich mich mal mit richtig klassischer Urlaubslektüre, denn wie man schon bei Radio Fritz bemerkte, handelt es sich um ein "Frühlings-Sommer-Freibad-Buch" und genau dort, also im sonnigen Freibad, habe ich das Buch auch in den letzten Tagen gelesen und kann mich diesem Urteil schon einmal uneingeschränkt anschließen. Jetzt aber gerne noch mal mit ein paar mehr Details:

Nacktschnecken

Nacktschnecken, DE 2015, 368 Seiten

Nacktschnecken von Rebecca Martin
© DuMont Buchverlag

Autorin:
Rebecca Martin
Übersetzer:
entfällt; Originalausgabe

Verlag (D):
DuMont Buchverlag
ISBN:
978-3-832-16320-4

Genre:
Drama | Romantik

Trailer:

 

Inhalt:

Gerade noch verbringen Nora und Paul einen romantischen Urlaub in Frankreich, da werden sie von der Realität eingeholt und müssen wohl oder übel nach Hamburg zurückkehren, da Paul sich um seine Ex-Freundin im Krankenhaus zu kümmern hat. Nora derweil hat mit irrationaler Eifersucht zu kämpfen und die Ausnahmesituation fordert im Zusammenleben der beiden gehörig Opfer, doch Nora beginnt sich bald zu fragen, ob die Risse in ihrer Beziehung wirklich aus Pauls Sorge um seine Ex resultieren oder schon vorher da waren, leidlich ausgeblendet durch die sprichwörtliche rosa Brille. Und ebenso wie ihre Beziehung beginnt Nora alsbald auch ihren Job als Seriendarstellerin, ihr Leben ganz allgemein in Frage zu stellen und muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie womöglich nur den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist und es wirklich das ist, was sie vom Leben erwartet…

Rezension:

Wenn ich auch ihren Roman-Erstling Frühling und so noch immer nicht gelesen habe, ist mir Rebecca Martin doch dank Und alle so yeah! nun dennoch keine Unbekannte und nachdem Nacktschnecken nun ewig lange Zeit auf meinem Stapel ungelesener Bücher verbracht hat, schon mir während meiner sonnigen Urlaubswoche genau die richtige Zeit zu sein, mich dieser Lektüre zu widmen und sollte damit auch vollumfänglich Recht behalten, denn auch wenn es dem Roman an Drama und Tragik sicherlich nicht mangelt, definiert er sich doch überwiegend durch eine beschwingte Leichtfüßigkeit und Esprit, während man Nora dabei begleitet, ihren Weg im Leben zu finden, denn die junge Frau von Anfang zwanzig ist durchaus noch sehr mit Zweifeln belastet und muss sich des Öfteren mit der Frage auseinandersetzen, ob es das jetzt gewesen sein soll oder was das Leben womöglich noch für sie bereit hält. In der Beziehung handelt es sich durchaus um eine klassische Coming-of-Age-Story, auch wenn man Nora nach klassischen Maßstäben als erwachsen bezeichnen würde, hat sie schließlich bereits eine eigene Wohnung (mit ihrer besten Freundin Emily) in Hamburg und steht in Lohn und Brot, übrigens als Darstellerin in einer den klassischen Daily Soaps nicht unähnlichen Serie namens "Der Gutshof", was natürlich das Parkett bereitet für allerlei Seitenhiebe auf die deutsche Mediensparte.

»Bist du eigentlich verliebt in mich, Paul?«
»Hm?«
Er öffnet die Augen einen Spaltbreit.
»Ob du verliebt in mich bist.«
»Was ist denn das für eine Frage.«
»Keine Ahnung, einfach eine Frage.«
»Ach, Baby«, sagt er und wechselt seine Schlafposition mit einem tiefen Seufzer.
Ich schaue wieder aus dem Fenster.
Der Kapitän macht eine Ansage. Landung in Paris-Charles de-Gaulle in etwa vierzig Minuten.

Dieser Aspekt rückt allerdings selten in den Vordergrund und vorrangig geht es um Nora, ihre Beziehung zu Paul, die recht schnell Brüche bekommen zu beginnt, was aber in weiten Teilen sicherlich auch an Noras wankelmütiger Art und ihrem noch nicht vollends gesetzten Wesen liegt, was sicherlich auch dem einen oder anderen Leser übel aufstoßen könnte, denn Noras Hysterie, ihre einerseits verkopfte, andererseits emotional aufgeladene Art, auf Dinge zu reagieren, lassen sie oft ein wenig unreif, manchmal irrational erscheinen, doch macht das das Geschehen im Grunde nur interessanter. Es würde zudem leichtfallen, Nacktschnecken als reichlich triviale Literatur abzutun, doch beweist Rebecca Martin bei ihren Schilderungen eine Hellsichtigkeit, die einen viele Situationen, grundlos eskalierte Streits, überzogene Reaktionen ein ums andere Mal wiedererkennen lassen und auch wenn mich mit meinen dreißig Lenzen einige Jahre von der Protagonistin trennen, muss ich doch sagen, dass ich mich – auch unter Berücksichtigung dessen, dass ich mich eigentlich mehr mit Noras Freund Paul identifizieren müsste – in vielen Situationen und Verhaltensweisen wiedergefunden habe und ich denke, dass wird vielen so gehen, die diese umtriebige und unstete Zeit noch nicht gänzlich in den Hinterkopf verbannt haben.

So erzählt Martin in Nacktschnecken eine zwar einerseits kurzweilige und vergleichsweise überraschungsarme Geschichte, die dafür aber nah am Leben changiert und mit Klugheit Verhaltensweisen und Ängste zu analysieren und interpretieren weiß, ohne sie indes zu zerreden oder auf altkluge Schilderungen zu verfallen. Vor allem aber gelingt es ihr auch, nicht nur das Flair Hamburgs großartig zu transportieren, sondern auch viele lebendige und vielschichtige Charaktere zu schaffen, auch wenn das reine Figurenkonsortium sich an einer Hand abzählen lässt. Dabei trifft sie in weiten Teilen auch einen jugendlichen Jargon, ist um in den deutschen Sprachgebrauch gewanderte Wörter wie "fancy", "awesome" und dergleichen nicht verlegen und spiegelt damit durchaus einen gewissen Zeitgeist, auch, was die Ich-Bezogenheit ihrer Hauptfigur angeht, das ständige um sich selbst und seine Probleme kreisen, während ich einzig bei der Verwendung des Begriffs "horny" sagen muss, dass mir dies im Sprachgebrauch so noch nicht untergekommen ist, dass sich jemand selbst als "horny" – sprich geil – bezeichnet, aber trennen mich ja wie gesagt auch bald zehn Jahre von der Hauptfigur.

Es fühlt sich an, als tränke sich meine Haut gierig in dem Überfluss an Wärme und Licht. Mein Kopf wird immer schwerer, meine Gedanken verebben und alle Geräusche – der Verkehr, das Wasser, die Vögel, die Gespräche, die Rufe, das Hupen, das Rauschen der Bäume – vermischen sich und betten meine Sinne in ein weiches Kissen aus wohliger Erschöpfung. Hamburg und die letzten Monate rücken in weite Ferne. Das unbeständige Wetter rückt in weite Ferne, die Textbücher rücken in weite Ferne, die zickige Produktionsassistentin rückt in weite Ferne.

Bleibt nur noch festzuhalten, dass man meinen könnte, Nacktschnecken sei ein Frauenroman, wenn man denn in solchen Schubladen denken möchte, doch kann ich dem bestimmt entgegentreten und sagen, dass es für mich beim Lesegenuss keinen Abbruch getan hat oder ich mich deplatziert gefühlt hätte, denn auch wenn die Hauptperson nun einmal weiblich ist und auch mehr als nur einmal "Männer-Probleme" erörtert werden, wäre es engstirnig zu denken, dieser Roman funktioniere nur für junge Frauen, denn andersherum käme ja auch niemand auf die Idee, beispielsweise Kriminalromane seien nur für Polizisten oder Ermittler geeignet. Das hat mit der eigentlichen Rezension zwar herzlich wenig zu tun, doch wollte ich es an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, gerade weil mir dieses Schubladendenken zuwider ist und ich im Netz an mehreren Orten meinte herauszuhören, dass diese Story eben vornehmlich auf ein weibliches Publikum abziele, derweil ich mich diesem Tenor nicht anschließen kann und möchte. Was hingegen zuweilen negativ ins Gewicht fällt, ist die Länge des Romans, der mit seinen rund 370 Seiten zwar nicht gerade lang oder dick ist, sich aber zuweilen doch etwas zieht, gerade wenn man berücksichtigt, dass Und alle so yeah! mit unter 200 Seiten auszukommen wusste, denn auch wenn mir Nacktschnecken ein Stück weit besser gefallen hat, keimt doch zuweilen das Gefühl, dass es sich bei manchen Passagen – speziell zum Ende hin – doch eher um Füllwerk als um essentielle Szenen handelt; dem Spaß an der Lektüre tut das aber kaum einen Abbruch.

Fazit & Wertung:

Mit Nacktschnecken ist Rebecca Martin ein weiterer überzeugender Coming-of-Age-Roman gelungen, der die oft wankelmütige und launische Nora und ihre Suche nach sich selbst in den Vordergrund und dabei mit universellen Themen, vor allem aber lebensnahen Passagen und lebendiger Schreibe zu punkten versteht. Nicht nur als Sommer-Lektüre uneingeschränkt empfehlenswert!

8 von 10 Zweifeln am eigenen Selbstverständnis

Nacktschnecken

  • Zweifel am eigenen Selbstverständnis - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit Nacktschnecken ist Rebecca Martin ein weiterer überzeugender Coming-of-Age-Roman gelungen, der die oft wankelmütige und launische Nora und ihre Suche nach sich selbst in den Vordergrund und dabei mit universellen Themen, vor allem aber lebensnahen Passagen und lebendiger Schreibe zu punkten versteht. Nicht nur als Sommer-Lektüre uneingeschränkt empfehlenswert!

8.0/10
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite des DuMont Buchverlages.

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Nacktschnecken ist am 12.03.15 als Klappenbroschur im Dumont Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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