Review: Johnny Porno | Charlie Stella (Buch)

Wer am Montag aufmerksam die Montagsfrage verfolgt, also gelesen hat, der weiß natürlich längst, mit welcher Buch-Kritik ich heut ums Eck komme und alle anderen durften sich halt überraschen lassen, wissen jetzt aber auch Bescheid. Jetzt also zu meinen Eindrücken zum Buch.

Johnny Porno

Johnny Porno, USA 2010, 496 Seiten

Johnny Porno von Charlie Stella | © Suhrkamp Verlag
© Suhrkamp Verlag

Autor:
Charlie Stella
Übersetzerin:
Andrea Stumpf

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46686-5

Genre:
Krimi | Thriller | Drama

 

Inhalt:

John Albano befeuchtete seinen rechten Daumen und zählte ein dickes Bündel Fünfdollarscheine durch, während George Berg die Gründe auflistete, warum die Wochenendeinnahmen so mies waren.

Ohne es gewollt zu haben, ist Johnny Albano seit kurzem als Geldeintreiber für die New Yorker Mafia unterwegs und sammelt am Wochenende die Einnahmen aus den illegalen Vorführungen des Pornofilms Deep Throat ein. Sich dergestalt über Wasser haltend, bemüht Johnny – der ob seines Jobs in eingeweihten Kreisen nur "Johnny Porno" genannt wird – seine Exfrau und den gemeinsamen Sohn zu unterstützen. Dumm nur, dass das Geschäft mit der Pornografie allerhand illustre wie zwielichtige Gestalten auf den Plan ruft und so trachten ihm nicht nur ein Mafia-Emporkömmling und ein neurotischer Killer nach dem Leben, sondern auch der Ex seiner Ex nach dem Geld, das er allwöchentlich abzuliefern hat, derweil auch das FBI und die Polizei ihre Finger im Spiel haben…

Rezension:

Lange schon fühlte ich mich nicht mehr so unvermittelt in eine Geschichte geworfen wie bei Charlie Stellas Johnny Porno, was leider nicht unumwunden positiv zu bewerten ist, denn obwohl die Geschichte gerade zu Beginn schnell eine gewisse Sogwirkung zu entfalten weiß, überwirft sich der Autor wie es scheint mit seinen Figuren, denn wer meint, es gehe dem Titel nach hauptsächlich um Johnny, der ist schon einmal schief gewickelt, denn neben dessen Ex Nancy und deren derzeitigem Ehemann Nathan sowie nicht zuletzt ihrem "ersten" Ex tauchen noch allerhand Mafiaschergen und zahlreiche Polizisten auf, von denen einige korrupt, manche rechtschaffen und wieder andere bei Internal Affairs sind. Als wäre dem nicht genug, treten noch einige Freundinnen und kleinere Figuren sowie jemand aus Johnnys Vergangenheit in Erscheinung und bis man diese Figuren allesamt beisammen hat und dann im besten Falle auch noch zuzuordnen und auseinanderzuhalten weiß, vergeht schon einige Zeit.

»Wenn sie so was überhaupt macht, dann wahrscheinlich nur in der Stadt, wo sie den Laden für zehn, fünfzehn Dollar pro Nase vollkriegen«, sagte John. »Nach Massapequa wird Linda Lovelace wohl kaum kommen. Das kannst du dir abschminken, George.«
»Ich mein ja nur, vielleicht könnten deine Leute sie ein bisschen drängen ?«
»Ich hab dir schon gesagt, dass das nicht meine Leute sind.«

Je mehr man aber die Zusammenhänge erkennt und zu verstehen beginnt, wer hier mit und gegen wen intrigiert, wer wen auszurauben, dranzukriegen, übers Ohr zu hauen versucht, umso klarer wird leider auch, wie über die Maßen konstruiert das Geschehen in Johnny Porno eigentlich ist, denn manchmal wirkt es, als werde die Geschichte mit diesem Sammelsurium an Figuren künstlich aufgeblasen, passiert schließlich de facto auf den beinahe 500 Seiten objektiv betrachtet gar nicht einmal so viel. So bemüht sich Stella zwar merklich, gleichermaßen ein zeitgeschichtliches Dokument abzuliefern und das Flair des New York von 1973 einzufangen, doch übertreibt er es meiner Meinung nach zuweilen mit nur allzu trivialen Dialogen, die dem Thema entsprechend mit meist nur angedeuteten Schlüpfrigkeiten angereichert werden, die hier wie nichts Halbes und nichts Ganzes wirken.

Aufhänger für die Story – und teilweise auch die Vermarktung des Buches – ist der seinerzeit doch ziemlich bekannte Porno Deep Throat (dessen Hauptdarstellerin sich auch beispielsweise schon der Spielfilm Lovelace gewidmet hat), doch um mehr als einen Aufhänger handelt es sich auch kaum und erklärt lediglich, wieso Johnny Albano von allen nur Johnny Porno genannt wird, denn ansonsten geht es doch um Mafia-Geschäfte, Beziehungskisten, Mord und Totschlag. Nicht dass ich mir hier großartige Hintergründe versprochen hätte, doch so, wie in der Story dargebracht, hätte das Thema auch beliebig ausgetauscht werden können. Davon abgesehen ist das illustre Treiben schon schmissig inszeniert, doch schleichen sich im Mittelteil vermehrt Längen ein, wenn die Story von Figur zu Figur springt und keiner der Handlungsstränge voranzukommen scheint, wo sich dann auch die letztlich recht triviale Ausgestaltung des Geschehens bereits erahnen lässt.

Er war jetzt fünfunddreißig und hatte keinen vernünftigen Job in Aussicht. Er fragte sich, ob er besser nicht auf seine Mutter gehört hätte und genau wie sein Bruder zur Army gegangen wäre. Paul Albano hatte eine Militärlaufbahn eingeschlagen, war allerdings vor acht Jahren in Vietnam gefallen. John hatte immer noch Schuldgefühle, weil er sich nicht freiwillig gemeldet hatte.
Er dachte an seinen Bruder, als er losfuhr. Die Ampel an der Ecke schaltete auf Rot um. In dem Moment kamen die Verkehrsnachrichten, und er drehte lauter. Auf dem Southern State Parkway hatte es einen Auffahrunfall gegeben.
Die Nacht würde länger werden als gedacht.

Im letzten Drittel allerdings kommt Johnny Porno noch einmal gehörig auf Touren und plötzlich funktionieren auch die zahllosen und schnellen Szenenwechsel, denn wenn sich alles zu verbinden beginnt und die unterschiedlichsten Parteien an teils unerwarteten Orten aufeinanderprallen, offenbart der Roman noch ungeahnte Stärken, doch reicht es zu diesem Zeitpunkt leider meines Erachtens nicht mehr, um im Nachgang von einem ausgezeichneten Roman sprechen zu können, denn dafür zieht sich die Geschichte zu sehr in die Länge und auch zum Schluss fühlt man sich in der Meinung bestärkt, Stella hätte es mit der Anzahl der Figuren übertrieben, denn nach dem action- und temporeichen Finale schließen sich noch einmal gute zwanzig Seiten Epilog an, um auch wirklich alle losen Enden aufzugreifen und zu verknüpfen, doch zu diesem Zeitpunkt – so leid es mir tut – war die Luft eigentlich schon raus und das Interesse an den Figuren abgeflacht. Von dem vielbeworbenen Humor und Witz habe ich übrigens leider auch eher wenig mitbekommen, denn obwohl sich zuweilen eine schwarzhumorige Note oder ein sarkastischer Unterton Bahn brechen, versteift sich der Autor oft genug darauf, die Dummheit seiner Protagonisten (speziell der weiblichen) als vermeintlichen Spaßfaktor ins Feld zu führen, was – ihr ahnt es bereits – natürlich eher den gegenteiligen Effekt hat.

Fazit & Wertung:

Charlie Stellas Johnny Porno vermittelt ein oft stimmiges Porträt des New Yorks Anfang der 70er, doch wirkt der Roman mit seinen zahllosen Figuren und Handlungssträngen oft auch ein wenig überladen und konstruiert, was insbesondere im Mittelteil oft zu spürbaren Längen führt, wohingegen das Geschehen zum Ende hin noch einmal spürbar an Fahrt aufnimmt.

7 von 10 dubiosen Geschäften der Mafia

Johnny Porno

  • Dubiose Geschäfte der Mafia - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Charlie Stellas Johnny Porno vermittelt ein oft stimmiges Porträt des New Yorks Anfang der 70er, doch wirkt der Roman mit seinen zahllosen Figuren und Handlungssträngen oft auch ein wenig überladen und konstruiert, was insbesondere im Mittelteil oft zu spürbaren Längen führt, wohingegen das Geschehen zum Ende hin noch einmal spürbar an Fahrt aufnimmt.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Johnny Porno ist am 11.07.16 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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