Review: Empire of Storms – Pakt der Diebe | Jon Skovron (Buch)

Und da bin ich auch schon wieder und präsentiere stolz meine neuste Buch-Kritik, während ich mit dem Lesen tatsächlich schon zwei Bücher weiter bin, was für mich mehr als ungewöhnlich ist, mir aber auch Zeit und Luft gibt, mich jetzt möglicherweise mal wieder einem dickeren Wälzer widmen zu können, wobei das heutige Buch nun auch nicht eben dünn zu nennen ist, aber lest selbst!

Empire of Storms
Pakt der Diebe

Hope & Red – The Empire of Storms, USA 2015, 592 Seiten

Empire of Storms - Pakt der Diebe von Jon Skovron | © Heyne
© Heyne

Autor:
Jon Skovron
Übersetzerin:
Michelle Gyo

Verlag (D):
Heyne
ISBN:
978-3-453-31785-7

Genre:
Fantasy | Abenteuer

 

Inhalt:

Mit einem dicken, vernarbten Finger deutete Toa auf den Kai. Eine mannshohe Tafel war dort ans Holz geschlagen worden. Das Schild zeigte ein schwarzes Oval mit acht schwarzen Linien, die nach unten liefen.
»Gott schütze sie«, flüsterte Crayton.
»Genau das hat er nicht getan«, sagte Toa. »Er hat sie nicht beschützt.«

Ein kleines Mädchen muss hilflos mitansehen, wie ihr gesamtes Dorf von den gefürchteten Biomanten des Imperators getötet wird und nimmt im Gedenken an ihre Heimat den Namen "Bleak Hope" an, nachdem sie durch einen aberwitzigen Zufall von einem Seemann gerettet worden ist, der sie alsbald in die Obhut der Finchen – ebenfalls ein Orden im Dienste des Imperators – gibt, wo sie vom Anführer der Mönche im Laufe der Jahre zu einer gefürchteten Kriegerin ausgebildet wird, obschon die Finchen – ähnlich wie die Biomanten – eigentlich keine Frauen in ihren Reihen dulden. An einem ganz anderen Ort, in New Laven, mausert sich ein wegen seiner roten Augen von allen nur "Red" genannter Junge zu einem der besten Taschendiebe des Reiches und macht sich in seinem Viertel, der Paradieskehre, zunehmend einen Namen. Doch auch New Laven ist vor dem schädlichen Einfluss der Biomanten nicht gefeit, weshalb es naheliegend scheint, dass Hope und Red sich alsbald zusammentun, als sie das erste Mal aufeinandertreffen. Und dieses Zweckbündnis könnte tatsächlich in der Lage sein, das Imperium der Stürme in seinen Grundfesten zu erschüttern…

Rezension:

Lange nicht mehr ist mir eine so erfrischend einfallsreiche Fantasy-Geschichte wie Empire of Storms – Pakt der Diebe untergekommen und auch wenn ich das Gefühl habe, eigentlich viel zu viele Buch-Reihen gleichzeitig zu beackern, bin ich doch in diesem Fall mehr als froh, dass es sich um den ersten Band einer Trilogie oder Reihe handelt, hat die Story schließlich das Potential, über Jahre fortzubestehen. Das liegt zunächst einmal am Setting selbst, denn das "Imperium der Stürme" besteht zu großen Teilen aus Wasser und das Leben spielt sich entweder auf hoher See oder einer der größeren Inseln ab, was natürlich Einschlägen in Richtung Seekampf und Piraterie Tür und Tor öffnet, derweil große Teile des Geschehens in New Laven verortet werden können, einer der größten Inseln, einem Stadtstaat, der aus zahlreichen Vierteln besteht, von denen die Paradieskehre, ein erwartungsgemäß heruntergekommener, zwielichtiger und verarmter Ort, die meiste Aufmerksamkeit erfährt. Im Kern der Erzählung wiederum stehen nicht mehr als zwei Figuren, die dem Roman im Original auch seinen Titel verliehen haben – Hope und Red – was fernab der Nebenfiguren ein im Kern sehr überschaubares Figurenkonsortium ergibt und sich angenehm von den Monumentalepen eines George R. R. Martin oder Steven Erikson abhebt.

»Bist du …« Er konnte den Gedanken selbst kaum fassen, geschweige denn, dass er es laut aussprach. »Bist du aus Bleak Hope?«
Sie blinzelte, als würde sie aus einer Trance erwachen.
»Bleak Hope.« Nachdem sie so lange nicht gesprochen hatte, klang sie ganz heiser. »Ja. So ist es.« Ihr Tonfall jagte Toa einen Schauder über den Rücken, den er zu unterdrücken versuchte. Die Stimme des Mädchens war so leer wie ihre Augen.

Interessant wird die Sache zusätzlich dadurch, dass beide Figuren aus gänzlich unterschiedlichen Welten stammen und ihre jeweiligen Handlungsstränge sich lange Zeit parallel zueinander bewegen, ohne sich je zu kreuzen, bevor rund die Hälfte des Buches hinter einem liegt. Zudem gliedert sich Empire of Storms – Pakt der Diebe in mehrere große Teile, zwischen denen sich jeweils mehrere Jahre umspannende Zeitsprünge vollziehen, so dass man einen stimmigen wie spannenden, vor allem abwechslungsreichen Abriss der jeweiligen Lebensgeschichten von Hope und Red geliefert bekommt, bevor die beiden sich überhaupt das erste Mal begegnen. Dergestalt jeweils mit einer spannenden und umtriebigen Vita ausgestattet, weiß Jon Skovron diese Bausteine in der zweiten Hälfte trefflich zu nutzen, um eine bis zuletzt spannende Geschichte zu erzählen, die zwar auch wieder mit einem gewissen Cliffhanger ihr Ende findet, als Abschluss des ersten Bandes aber wunderbar funktioniert, zumal gegen Schluss auch endlich eine Figur zum Tragen kommt, die zunächst nur am Rande in Erscheinung tritt und den Biomanten zugeordnet werden darf, einer interessanten Variation der weithin bekannten Magier und ihres Zeichens dem Imperator unterstellt, von dem man allerdings hier noch nichts zu Gesicht bekommt.

Die obligatorische, der eigentlichen Geschichte vorangestellte Karte des "Imperiums der Stürme" gibt dabei einen guten Überblick über das Reich an sich, wenn man hier auch noch das Gefühl haben mag, die überwiegend von Wassermassen bedeckte Gegend sei doch im Grunde reichlich dünn besiedelt, aber hier nutzt Skovron auch ausgiebig die Möglichkeit, etwaige spätere Bedrohungen und Handlungsstränge zu teasern, die dann hoffentlich in den Folgebänden aufgegriffen werden, wie etwa eine kaum umrissene Bedrohung für das Imperium aus dem Norden, wobei besagter Norden aus gutem Grund auf der Karte ausgespart wird. Alles in allem ergibt das eine ungemein lebendig wirkende Welt, von der ich wirklich gerne und baldmöglichst mehr erfahren möchte, denn das Piraten-Setting mit Mittelalter-Flair, gepaart mit Fantasy-Einschlägen und einem gehörigen Schuss Diebes-Geschichte gibt eine extrem reizvolle Mischung, die vor allem nicht annähernd so überladen wirkt, wie sich das jetzt vielleicht in geballter Form liest.

»Verpisste Hölle«, fluchte Sadie, während sie sich das schmutzige, verfilzte Haar kratzte.
Sie stolperte die Straße entlang, bis sie das schlichte Holzschild über dem Gasthaus "Des Seemanns Mutter" sah, einem berüchtigten Anheuerhaus. Doch sie war Sadie die Ziege – die beste Diebin, Söldnerin und Unruhestifterin, die es je gegeben hatte. Das wusste jede Dumpfnase in der ganzen Paradieskehre, auf dem Silberrücken und in Hammerhusen. Niemand wäre so dumm, sie südholen zu wollen.
Schwankend bahnte sich Sadie ihren Weg in das Gasthaus, um ein Zimmer für die Nacht zu verlangen. Der Wirt, ein dünner Typ mit Hängewangen namens Backus, musterte sie interessiert.
»Keine krummen Sachen«, sagte sie und bohrte ihm den Finger so hart in die Stirn, dass ein Abdruck zurückblieb.

Besonders gut gefallen hat mir im Übrigen auch die ureigene Sprache in der Paradieskehre, bei der sich der Autor – vor allem aber auch Übersetzerin Michelle Gyo – spürbar Gedanken gemacht haben, denn durch die Wortschöpfungen und Umdeutungen entsteht ein dem Stadtteil eigener Slang, was natürlich der Atmosphäre und dem Flair noch einmal ziemlich zuträglich ist, vor allem aber den rauen Charme unterstreicht, der das von Tagelöhnern wie Tagedieben bevölkerte Viertel umweht. Besser und überzeugender kann man kaum in eine "neue" Fantasy-Welt entführen und auch wenn man der Sprache und den Formulierungen zuweilen noch anmerkt, dass sich Jon Skovron zuvor vorrangig im Bereich der "Young Adult"-Literatur umgetan hat, bescheinige ich dem Autor schon jetzt eine große Zukunft im Fantasy-Genre, wenn er einerseits das Niveau dieses Auftaktbandes zu halten versteht und andererseits seiner manchmal noch etwas plakativen Schreibweise und dramaturgischen Gestaltung noch etwas Feinschliff angedeihen lässt; dem Unterhaltungswert tun diese kleineren Mängel allerdings kaum einen Abbruch.

Fazit & Wertung:

Mit Empire of Storms – Pakt der Diebe hebt der amerikanische Autor Jon Skovron eine neue Fantasy-Reihe aus der Taufe und begeistert mit einer gelungenen Mischung aus ungewöhnlichen Versatzstücken und Genre-Einschlägen, konzentriert sich zwar zunächst auf zwei im Grunde klassische Coming-of-Age-Geschichten und erinnert damit an seine Expertise im Jugendbuchbereich, spielt sich aber im weiteren Verlauf weitestgehend erfolgreich von diesen Wurzeln frei und punktet mit einer vielschichtig-durchdachten Welt, die man gerne weitergehend bereisen möchte – die Fortsetzung kann also kommen!

8,5 von 10 abenteuerlichen Auseinandersetzungen mit den Biomanten

Empire of Storms – Pakt der Diebe

  • Abenteuerliche Auseinandersetzungen mit den Biomanten - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Empire of Storms – Pakt der Diebe hebt der amerikanische Autor Jon Skovron eine neue Fantasy-Reihe aus der Taufe und begeistert mit einer gelungenen Mischung aus ungewöhnlichen Versatzstücken und Genre-Einschlägen, konzentriert sich zwar zunächst auf zwei im Grunde klassische Coming-of-Age-Geschichten und erinnert damit an seine Expertise im Jugendbuchbereich, spielt sich aber im weiteren Verlauf weitestgehend erfolgreich von diesen Wurzeln frei und punktet mit einer vielschichtig-durchdachten Welt, die man gerne weitergehend bereisen möchte – die Fortsetzung kann also kommen!

8.5/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne.

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Empire of Storms – Pakt der Diebe ist am 13.02.17 bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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