Review: Die Verräterin – Das Imperium der Masken | Seth Dickinson (Buch)

Und es wird schon wieder Zeit für eine neue Buch-Kritik, diesmal zu einem Werk, mit dem ich erst langsam warm geworden bin, das mich zum Ende hin aber mehr und mehr zu fesseln gewusst hat. Zweischneidig also, genau wie Hauptfigur Baru Kormoran.

Die Verräterin
Das Imperium der Masken

The Traitor Baru Cormorant, USA 2015, 460 Seiten

Die Verräterin - Das Imperium der Masken von Seth Dickinson | © FISCHER Tor
© FISCHER Tor

Autor:
Seth Dickinson
Übersetzer:
Jakob Schmidt

Verlag (D):
FISCHER Tor
ISBN:
978-3-596-29672-9

Genre:
Fantasy | Drama

 

Inhalt:

Sie besuchte die Schule, wo sie ihre eigene Uniform und ihr eigenes Bett im überfüllten Schlafsaal bekam, und dort lernte sie bereits in ihren ersten Stunden zum Thema der wissenschaftlichen Gesellschaft und des Inkrastizismus die Begriffe ›Sodomit‹ und ›Tribade‹ und ›Sozialverbrechen und ›ererbte Volksgesundheit‹ und sogar das Mantra des Herrschens: ›Ordnung ist Unordnung vorzuziehen.‹ Sie musste Reime und Syllogismen auswendig lernen, die Vorbehalte der revolutionären Philosophie, und sie lasen aus einer Kinderversion des falcresischen ›Handbuchs der Manumission‹.

Als Kind muss Baru Kormoran miterleben, wie das Imperium der Masken sich ihre Heimat Taranoke einverleibt, ohne je die Waffe zu erheben, denn die Inselbewohner haben der Handelsflotte, ihrem ominösen Papiergeld und der damit einhergehenden Wirtschaftsmacht nichts entgegenzusetzen und so beginnt zunächst schleichend die Indoktrinierung, während Baru sich schwört, dereinst das Imperium von innen heraus zu zerstören und so ihre Heimat von dem Einfluss der Invasoren zu befreien, die sich zunehmend in sämtliche Lebensbereiche der Bewohner von Taranoke drängen. In der Schule gilt Baru bald als hochbegabt und so ist es kaum verwunderlich, dass sie nach ihrem Abschluss nach Aurdwynn versetzt wird, um dort als Reichsbuchhalterin die wirtschaftlichen Geschicke des Landes zu lenken und zu steuern. Doch Aurdwynn ist – fernab Barus geheimer Pläne – ohnehin ein Land des Verrats und der Intrigen und nicht wenige Herzogtümer begehren ebenfalls gegen das Imperium der Masken auf, doch statt sich auf ihre Seite zu schlagen, wahrt Baru zunächst den Schein und beginnt, gegen die Aufwiegler vorzugehen und die geheimen Kanäle zu ergründen, auf denen sie Gelder und Ressourcen für ihren Aufstand zu gewinnen denken…

Rezension:

Wieder einmal hat es mich ins Fantasy-Genre verschlagen und diesmal habe ich mich Seth Dickinsons Die Verräterin – Das Imperium der Masken gewidmet, seines Zeichens Auftakt einer neuen Trilogie. Über den großspurigen Vergleich zu Game of Thrones, mit dem geworben wird, bräuchte man derweil keine Worte verlieren, außer, dass beide Buchreihen wirklich gar nichts miteinander gemein haben, was sich allein daran festmachen ließe, dass die vorliegende Geschichte samt und sonders aus der Sicht von Baru Kormoran geschildert wird, obschon sich weitere Perspektiven bei dem zunehmend ausladender werdenden Figurenkonsortium durchaus angeboten hätten, doch muss das nicht weiter vertieft werden. Dem Buch selbst muss ich allerdings leider ankreiden, dass ich nur sehr schleppend in die Geschichte gefunden habe, denn so schön es sein mag, mit der Kindheit der Protagonistin zu beginnen und von dort ihren Weg nachzuzeichnen, gestaltet sich dieser Teil des Buches doch zuweilen recht langatmig, zumal viele der geschilderten Ereignisse im weiteren Verlauf keine großartige Bewandtnis mehr haben werden, denn nach Abschluss ihrer Ausbildung geht es für Baru postwendend nach Aurdwynn, wo sich große Teile des Romans abspielen werden.

»Lebt der Kaiser in Falcrest?«, fragte Lao, ihre Cousine zweiten Grades. Nachts flüsterten sie einander Gerüchte über den schweigenden Kaiser und den Gesichtslosen Thron, auf dem er saß, zu.
Dilin lächelte ausdruckslos. »Allerdings. Wer kann den Vorbehalt des Hierarchen aufsagen?«
Baru konnte es.

In Aurdwynn wiederum wird Baru als Reichsbuchhalterin eingesetzt, was ebenfalls einige tendenziell eher trockene Passagen mit sich bringt, womit sich Dickinson nicht unbedingt einen Gefallen tut, denn Die Verräterin – Das Imperium der Masken ist ohnehin schon ein auf Politik und Intrigen fokussierendes Buch, das in weiten Teilen ohne sonderliche Action oder dergleichen auszukommen weiß, so dass die buchhalterischen Aspekte, ebenso wie der Werdegang Barus, das Geschehen zusätzlich ausbremsen. Entsprechend ist der Band sicherlich auch nicht für jeden Fantasy-Fan geeignet, derweil der Autor ansonsten durchaus Ambitionen verfolgt und auf stimmigste Weise ein politisch vielfältiges Geflecht entwirft und das in einer Welt, die von einem gesichtslosen Imperium regiert wird, von dessen diktatorischen Anwandlungen sich viele Parallelen zu unserer Welt ziehen lassen, was Themen von Rassentrennung über Sexismus bis hin zu Fanatismus aufgreift, die man sich nicht unbedingt in einem Fantasy-Roman in diesem Ausmaß erwarten würde. Immerhin, nach dem etwas gemächlichen Einstieg fand ich mich von Seite zu Seite besser in den Roman, auch wenn einen die vielen Namen von Personen und Ortschaften anfänglich schier erschlagen.

Aber erst einmal in die politischen Zusammenhänge in Aurdwynn eingelesen, entfaltet Die Verräterin – Das Imperium der Masken aber eine für mich schon beinahe überraschende Sogwirkung, so dass ich etwa ab der Hälfte des Bandes das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte, denn wo die Dramaturgie sich zunächst als durchwachsen präsentiert, die Charakterisierung der Figuren zunächst oberflächlich erscheint und vor allem Baru doch recht unstet zwischen Wunderkind und unbedarfter Naiver pendelt, beginnt sich langsam aber sicher alles zu fügen und auch das Tempo zieht in der zweiten Hälfte merklich an, so dass ich schlussendlich eine Menge Spaß mit dem Roman hatte, was ich anfänglich kaum für möglich gehalten hätte, doch speziell die Auflösung, die ich so und in dieser Form wirklich nicht hatte kommen sehen, macht hier merklich Boden gut, auch wenn man einräumen muss, dass der Geschichte zuweilen ein echter Sympathieträger, eine Identifikationsfigur fehlt, denn auch und insbesondere Baru muss einige fragwürdige Entscheidungen treffen bei ihrem Ansinnen, im Imperium der Masken aufzusteigen und so von innen heraus ihre Heimat Taranoke zu befreien.

Das war Baru Kormorans erste Lektion in Ursache und Wirkung. Aber es war genau genommen nicht das Wichtigste, was sie je von ihrer Mutter gelernt hatte.
Das war früher gewesen, lange vor der Schule und vor dem Verschwinden des tapferen Vaters Salm. Als sie das Kriegsschiff mit den roten Segeln im Hafen von Iriad beobachteten, fragte Baru: »Mutter, warum kommen sie her und schließen Abkommen? Warum fahren wir nicht zu ihnen? Warum sind sie so mächtig?«
»Ich weiß es nicht, Kind«, sagte Mutter Ritzel.
Seit Baru sich erinnern konnte, war es das erste Mal, dass sie diese Worte aus dem Mund ihrer Mutter gehört hatte.

Vor dem Hintergrund allerdings, dass es sich um den Auftakt einer Trilogie handeln soll, bin ich doch aber auch mehr als skeptisch, wie das in den Folgebänden funktionieren mag, ohne diesbezüglich etwas spoilern zu wollen, doch macht immerhin Die Verräterin – Das Imperium der Masken für sich genommen eine durchaus solide Figur, wobei sich die vermeintlichen Schwächen teilweise schlussendlich als Stärken entpuppen, denn so sperrig sich das Werk zunächst gibt, hat es mir doch außerordentlich gut gefallen, mich in einer erwachsenen und ernsthaften Fantasy-Welt zurechtzufinden, die fernab der ausgetretenen Pfade wandelt und sich eben auch auf wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Zusammenhänge konzentriert, die sonst oft und gern zu kurz kommen, doch muss noch einmal unterstrichen werden, dass dieser Ansatz nicht jedermanns Sache sein dürfte, denn wer sich ein "klassisches" Fantasy-Abenteuer erhofft, dürfte enttäuscht werden von den Winkelzügen der Reichsbuchhalterin, wohingegen die gesellschaftskritischen Ansätze durchaus Potential bergen und einen interessanten Ansatz bieten, sich von einer ungewohnten Warte einer solchen Geschichte zu nähern, die in ihrem letzten Drittel ein paar so garstige Twists bietet, wie ich sie schon lange nicht mehr habe lesen dürfen.

Fazit & Wertung:

Seth Dickinsons Die Verräterin – Das Imperium der Masken gibt sich gerade zu Beginn ungemein sperrig und kommt beinahe schleppend in Fahrt, doch lohnt sich Durchhaltevermögen hier ungemein, wenn man einer ganz und gar andersartigen, überraschend erwachsenen Fantasy-Geschichte nicht abgeneigt ist, die ihren Fokus auf Politik und Intrigen zu legen versteht und mit ungeahnten Wendungen freigiebig um sich wirft, ohne die Konsistenz der verschachtelt-vielschichtigen Erzählung zu gefährden, auf deren Fortgang ich nun durchaus neugierig geworden bin.

7 von 10 Vorbehalten des Verräters

Die Verräterin – Das Imperium der Masken

  • Vorbehalte des Verräters - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Seth Dickinsons Die Verräterin – Das Imperium der Masken gibt sich gerade zu Beginn ungemein sperrig und kommt beinahe schleppend in Fahrt, doch lohnt sich Durchhaltevermögen hier ungemein, wenn man einer ganz und gar andersartigen, überraschend erwachsenen Fantasy-Geschichte nicht abgeneigt ist, die ihren Fokus auf Politik und Intrigen zu legen versteht und mit ungeahnten Wendungen freigiebig um sich wirft, ohne die Konsistenz der verschachtelt-vielschichtigen Erzählung zu gefährden, auf deren Fortgang ich nun durchaus neugierig geworden bin.

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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von FISCHER Tor.

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Die Verräterin – Das Imperium der Masken ist am 22.06.17 bei FISCHER Tor erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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