Review: Ein Job für Delpha | Lisa Sandlin (Buch)

Ich hätte dann auch mal wieder nach längerer Zeit einen Krimi im Gepäck, den ich, auch wenn er mich jetzt nicht gleich vom Hocker zu hauen gewusst hat, durchaus empfehlen kann, aber das könnt ihr euch ja detailliert in der nun folgenden Buch-Kritik durchlesen.

Ein Job für Delpha

The Do-Right, USA 2015, 350 Seiten

Ein Job für Delpha von Lisa Sandlin | © Suhrkamp
© Suhrkamp

Autorin:
Lisa Sandlin
Übersetzerin:
Andrea Stumpf

Verlag (D):
Suhrkamp
ISBN:
978-3-518-46779-4

Genre:
Krimi | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

In Beaumont, Texas wird 1973 die noch immer junge Delpha Wade nach vierzehn Jahren Gefängnis in die Freiheit entlassen und versucht, im Leben wieder Fuß zu fassen. Wo aber sämtliche Arbeitgeber Ressentiments gegenüber ihrer Vorstrafe haben, fasst sich der ambitionierte und frisch ins Geschäft eingestiegene Privatdetektiv Tom Phelan ein Herz, der Frau eine Chance zu geben. Während das Geschäft noch schleppend anläuft, bemüht sich Delpa weiterhin, sich in der Welt zurechtzufinden, doch dann kommt das ungleiche Zweiergespann nicht nur einem regelrechten Komplott auf die Spur, sondern Delpha begegnet auch dem Mann wieder, der sie vor beinahe anderthalb Dekaden ins Gefängnis gebracht hat…

»Fragen Sie nach einer Wohnung oder einem Zimmer, damit Sie aus dem Übergangswohnheim rauskommen. Bitten Sie um eine Stelle. Um Dinge, die Sie brauchen. Hier draußen kriegen Sie keins über die Rübe, wenn Sie um was bitten. Wenn Sie sich nicht selbst helfen, wird Ihnen keiner helfen. Bleiben Sie höflich, auch wenn man Ihnen die Tür zeigt. Reißen Sie keine Brücken hinter sich ein, denn wer weiß, ob Sie den Leuten nicht mal wiederbegegnen. Wenn Sie eine Abfuhr kriegen, sagen Sie einfach: ›Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Einen schönen Tag noch.‹ Dann lächeln Sie und gehen.«

Rezension:

Nach meinen zahlreichen Ausflügen ins Fantasy- und Science-Fiction-Genre gelüstete es mich mal wieder nach einem waschechten Krimi und was hätte da näher gelegen, als bei Ein Job für Delpha einen Blick zu riskieren, wurde der Debüt-Roman von Lisa Sandlin schließlich sowohl mit dem Dashiell Hammett Prize als auch dem Shamus Award bedacht. Vielleicht mag es daran gelegen haben, dass ich mit einer gewissen Erwartungshaltung an den Roman herangegangen bin, der auch beileibe nicht schlecht oder langweilig ist, mich aber nicht annähernd so zu begeistern gewusst hat, wie ich das bei einem mehrfach ausgezeichneten Debüt eventuell erwartet hätte. Dafür nämlich wirkt die Geschichte leider viel zu oft unnötig konstruiert und gibt sich zunächst beinahe mehr wie eine Aneinanderreihung belangloser wie zusammenhangloser Fälle, was die Spannungskurve nun nicht eben nach oben treibt.

Tom Phelan hielt seine linke Hand in die Höhe und betrachtete seinen Mittelfinger. Ein schmerzender Stumpen, an dem zwei Zentimeter fehlten. Hätte schlimmer kommen können. Auf einer Bohrinsel wog alles so viel wie ein ölverschmierter VW, fünfzig Milliarden Maschinenteile, die rammen oder schlagen, quetschen, drehen, wegfliegen oder zusammenkrachen und fallen. Schlafmangel, ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit an den Winden, und schon hatte er einen Phantomfinger, der sich an seinen Zeigefinger drängte.

Derweil, das Feuilleton scheint weitestgehend angetan von Ein Job für Delpha und tatsächlich bewegt sich Sandlins Debüt insbesondere sprachlich auf einem hohen Niveau, was auch dank der trefflichen Übersetzung seitens Andrea Stumpf in der deutschen Fassung nicht verlorengeht, auch wenn es mir manchmal beinahe ein wenig viel der bildreich-poetischen Sprache war, doch zumindest in diesem Segment macht der Roman merklich Boden gut. Was sich als weitaus störender erweist, ist vielleicht vielmehr der beinahe schon irreführende deutsche Titel, denn auch wenn es sich bei Delpha Wade ohne Frage um die Hauptfigur des Krimis handelt, trifft diese Rolle doch zu gleichen Teilen auf Privatdetektiv Tom Phelan zu, bemüht sich die Autorin schließlich sogar, beiden Figuren paritätisch im steten Wechsel je ein Kapitel zuteilwerden zu lassen, so dass es ein wenig wirkt, als würde der Roman damit kokettieren wollen, doch endlich einmal eine – für Hardboiled-Krimis ungewöhnlich – weibliche Hauptfigur zu haben, doch so emanzipatorisch sich das zunächst anhören mag, ist Delpha eben doch "nur" die Sekretärin und die eigentliche Arbeit entfällt auf den tatkräftigen Phelan.

Nun ist es zwar nicht so, als ob Delpha sich nicht zu behaupten wüsste oder ihrerseits nicht zahlreiche starke Szenen zugeschustert bekommen würde, doch wirkten Konzeption und Aufteilung für mich eben nicht immer ganz rund, zumal sich das Geschehen mehr und mehr zu einem vielschichtigen Komplott auswächst, das vieles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Doch genau da wird es regelrecht unglaubwürdig, wie hier alles verknüpft und verzahnt zu sein scheint, so sehr ich ansonsten auch die Zeit mit Delpha und Phelan zu genießen wusste, denn wie gesagt ist Ein Job für Delpha mitnichten schlecht und gerade wenn es um Lokalkolorit und Zeitgeist geht, beweist Sandlin ein sicheres Händchen und bettet ihre Geschichte vor den Hintergrund des sich langsam auswachsenden Watergate-Skandals, ohne dass diese Bezüge sich in den Vordergrund drängen würden. So fügt sich dieser Aspekt beispielsweise deutlich organischer in das Geschehen als die einzelnen Fälle für Phelan und seine neue, vorbestrafte Sekretärin, deren Vergangenheit ebenfalls eine nicht unbedeutende, aber auch nicht alles überfrachtende Rolle spielt, was mir ebenfalls sehr gefallen hat.

Sein Hirn spuckte das ganze Bild aus. Phelan war damals noch ein Teenager gewesen, fasziniert von der blutrünstigen Geschichte, auf die die Presse sich gestürzt hatte. Minderjährige Kellnerin in einer Bayou-Kneipe, die auf den Wirt gewartet hat, damit er die Einnahmen abholt. Allein. Zwei Männer, die kurz vorher hinausgeworfen worden waren, kamen zurück. Vater und Sohn, das war der Witz an der Sache. Der Sohn hat sie geschlagen, vergewaltigt, mit dem Messer angegriffen. Und dann: Überraschung, hat das Messer die Hände gewechselt. Der Vater hat einen Schnitt und der Sohn mehrere tiefe Stichwunden abbekommen. Als die Autoscheinwerfer des Wirts auftauchten, ließ der Vater seinen Sohn zurück und machte sich in ihrem Auto aus dem Staub. Delpha Wade hatte der Natur nicht ihren Lauf gelassen. Sie hatte dem Junior auf dem Tanzboden den Rest gegeben.

Womit Sandlin mir aber regelrecht zu imponieren wusste, war die Art und Weise, mit der immer wieder Delphas Innenleben ergründet worden ist, denn den Schock, den die plötzliche Freiheit nach all den Jahren mit sich bringt, kann man in diesen Momenten mehr als nachfühlen, zumal die Autorin sich auch hier einer lebendigen und emotionalen Sprache bedient und ganz nah bei ihrer Protagonistin ist. Das hat aber auch zur Folge, dass Ein Job für Delpha in meinen Augen weit weniger als Krimi funktioniert und überzeugt, sondern vielmehr als Charakter-Drama, in diesem Metier aber dann auch eine mehr als gute Figur macht, wenn die Geschichte gerade im vergleichsweise zusammenhanglosen und episodischen ersten Drittel des Bandes sich auch zuweilen etwas schleppend gibt. So wäre ich durchaus nicht abgeneigt, würde Sandlin planen, der Geschichte um Delpha und Phelan eine Fortsetzung zu spendieren, wüsste nun aber vor allem genauer, auf welche Art Buch und Geschichte ich mich einließe, denn im direkten Vergleich zu "reinen" Kriminalgeschichten hat dieser weit mehr auf Atmosphäre und Figuren zielende Roman spürbar das Nachsehen.

Fazit & Wertung:

Mit Ein Job für Delpha liefert Lisa Sandlin ein durchaus überzeugendes, vor allem aber atmosphärisch packendes Drama ab, dass zwar sicherlich auf den Spuren eines Kriminalromanes wandelt, hier aber nicht unbedingt seine größten Stärken offenbart, da die Geschichte doch zuweilen reichlich konstruiert und zunächst zusammenhanglos wirkt, derweil man sich als Leser prompt für Hauptfigur Delpha Wade und ihren eigensinnigen Arbeitgeber Tom Phelan erwerben kann, die ein ungewöhnliches, aber wunderbar harmonierendes Duo bilden.

7 von 10 zunächst unscheinbaren Aufträgen für "Phelan Investigations"

Ein Job für Delpha

  • Zunächst unscheinbare Aufträge für "Phelan Investigations" - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Mit Ein Job für Delpha liefert Lisa Sandlin ein durchaus überzeugendes, vor allem aber atmosphärisch packendes Drama ab, dass zwar sicherlich auf den Spuren eines Kriminalromanes wandelt, hier aber nicht unbedingt seine größten Stärken offenbart, da die Geschichte doch zuweilen reichlich konstruiert und zunächst zusammenhanglos wirkt, derweil man sich als Leser prompt für Hauptfigur Delpha Wade und ihren eigensinnigen Arbeitgeber Tom Phelan erwerben kann, die ein ungewöhnliches, aber wunderbar harmonierendes Duo bilden.

7.0/10
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Weitere Details zum Buch und der Autorin findet ihr auf der Seite von Suhrkamp. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Ein Job für Delpha ist am 10.07.17 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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