Review: Okja (Film)

Das Wochenende steht vor der Tür und eigentlich missfällt es mir regelrecht, heute ausgerechnet einen Artikel zu diesem Film zu offerieren, denn obschon er ziemlich toll war, hatte ich nach dessen Sichtung doch einen ziemlichen Kloß im Hals, was nun nicht eben das Gefühl ist, mit dem man gern ins Wochenende starten möchte, aber was soll’s. Macht euch schöne Tage und genießt die freie Zeit.

Okja

Okja, KR/USA 2017, 120 Min.

Okja | © Netflix
© Netflix

Regisseur:
Joon-ho Bong
Autoren:
Joon-ho Bong
Jon Ronson

Main-Cast:
Tilda Swinton (Lucy Mirando / Nancy Mirando)
Paul Dano (Jay)
Seo-Hyun Ahn (Mija)
Jake Gyllenhaal (Johnny Wilcox)
in weiteren Rollen:
Hee-Bong Byun (Hee Bong)
Steven Yeun (K)
Lily Collins (Red)
Je-mun Yun (Mundo Park)
Shirley Henderson (Jennifer)
Daniel Henshall (Blond)
Devon Bostick (Silver)
Woo-sik Choi (Kim)
Giancarlo Esposito (Frank Dawson)

Genre:
Drama | Abenteuer | Science-Fiction

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Okja | © Netflix
© Netflix

Im Jahr 2007 verspricht Lucy Mirando, ihres Zeichens CEO des gleichnamigen Konzerns Mirando, die Nahrungsmittelindustrie zu revolutionieren, denn dem Unternehmen sei es gelungen, ein ganz besonderes Schwein, eine Art Superschwein zu finden, dessen Ferkel nun an lokale Farmer rund um den Globus verteilt worden seien und dort unter traditionellen Bedingungen aufgezogen werden. Zehn Jahre später würde unter Aufsicht des TV-Tierexperten und Biologen Dr. Wilcox eines der insgesamt 26 Exemplare zum Superschwein gekürt werden. Die Jahre vergehen und 2017 ist es tatsächlich so weit, dass Wilcox einem südkoreanischen Farmer einen Besuch abstattet und das liebevoll gehegte und auf den Namen Okja getaufte Superschwein zum Sieger kürt. Die vierzehnjährige Mija allerdings, für die Okja längst zum besten Freund geworden ist, hält freilich gar nichts davon, dass man ihr ihren Gefährten nehmen und zwecks Siegerehrung nach New York bringen will. Das kleine Mädchen kann allerdings natürlich kaum etwas gegen die Konzern-Vertreter ausrichten, doch da kommen ihr eine Handvoll Mitglieder der Animal Liberation Front – kurz ALF – unerwartet zu Hilfe…

Rezension:

Bereits bei der Ankündigung zu Okja war ich bereits Feuer und Flamme, denn nicht damit genug, dass der von Netflix produzierte Film, den es jüngst nun auch inklusive Schelte für den Streaming-Anbieter nach Cannes verschlagen hat, von niemand Geringerem als Joon-ho Bong inszeniert worden ist, der mich schon mit Snowpiercer ziemlich fasziniert hat, schart er ein regelrechtes Star-Ensemble um sich, das allerdings in diesem Fall angeführt wird von der jungen Seo-Hyun Ahn und einem computeranimierten Superschwein namens Okja, das so ziemlich jedem Hollywood-Star die Show stehlen dürfte. Aber man sollte sich nicht von der schieren, geballten Knuffigkeit des Superschweins in die Irre führen lassen, denn obwohl Joon-Ho gerade zu Beginn mit dem Familienfilm-Genre kokettiert, ist Okja sicherlich kein Film für Kinder und hat mich mehrfach schwer schlucken lassen, derweil selbst das "Happy End" nur mit viel gutem Willen als solches betrachtet werden kann, auch und gerade in Anbetracht dessen, was man bis dahin hat sehen und (mit)erleben müssen.

Szenenbild aus Okja | © Netflix
© Netflix

Wie es aber so die Art des Regisseurs ist, vermag er das bleischwere Thema zumindest mit seinen überzeichneten, überspannten, spleenigen Figuren ein wenig aufzulockern, derweil die vierzehnjährige Mija (Seo-Hyun Ahn) dem Gefühl nach die einzige "normale" Person in dem Reigen darstellt, denn während Tilda Swinton (Hail, Caesar!) in der Doppelrolle zweier Zwillingsschwestern wieder merklich aufgeht (auch wenn Zwilling Nummer zwei erst gegen Ende in Erscheinung tritt) und sich Jake Gyllenhaal (Everest) bereitwillig auf die Rolle des abgehalfterten früheren TV-Stars Dr. Johnny Wilcox stürzt und jegliches Schamgefühl missen lässt, wählt Paul Dano (Swiss Army Man) als Tierschutzaktivist Jay zwar einen anderen, zunächst ernsthafteren Ansatz, verleiht seiner Figur aber genug exaltierte Momente, um sich ebenfalls nahtlos in das Ensemble zu fügen, das von unter anderem Steven Yeun (The Walking Dead) und Lily Collins komplettiert wird, deren Rollen aber schon ungleich kleiner ausfallen und gleichsam weniger überspitzt geraten sind.

Dieses Überspitzte aber ist auch zuweilen bitter nötig, um Okja einen gewissen Anstrich von Satire zu verleihen, denn was sich ansonsten hier um die Zucht und Ausbeutung der genannten Superschweine abspielt, ist zuweilen wirklich harter Tobak und könnte fernab des Fantasy-Settings als Abrechnung mit der Fleischverarbeitungs-Industrie an sich verstanden werden, wenn Joon-ho Bong hier auch nicht den einfachen Weg geht, die Tierschützer rund um Danos Figur Jay als einhellig gut und rechtschaffen darzustellen, denn im weiteren Verlauf offenbart speziell Jay einige fragwürdige Entscheidungen bei dem hehren Anspruch, seine Ziele zu verfolgen. Ansonsten steht und fällt der Film aber natürlich mit Okja selbst und ich habe schon lange keine so überzeugend animierte Figur gesehen, die sich dermaßen stimmig und vor allem glaubhaft in die "echte" Welt fügt, derweil speziell das Zusammenspiel mit Mija absolut unverfälscht geraten ist.

Szenenbild aus Okja | © Netflix
© Netflix

So hätte Okja zu einem wenn auch unbequemen Knaller von Film werden können und in weiten Teilen gelingt ihm dies auch, doch sind es kleine Auslassungen und teils nur angerissene dramaturgische Fäden, die den stimmigen Gesamteindruck für mich leider ein wenig geschmälert haben, was sich gerade zum Ende hin bemerkbar macht, ein Ende, das ohnehin so einigen Zuschauer verprellen dürfte, doch spreche ich vielmehr beispielsweise von dem Auftritt der Zwillingsschwester von Lucy Mirando, denn in Anbetracht dessen, mit wie viel Furcht und Abscheu von ihr die Rede ist, verpufft ihr nur kurzer Auftritt inszenatorisch beinahe völlig, während auch Gyllenhaals Figur vermehrt zum Kasper vom Dienst verkommt und sich die Ereignisse ohnehin im letzten Drittel zu überschlagen scheinen. Dadurch wird Okja mitnichten zum schlechten Film und geht auch dennoch gehörig an Herz und Seele, doch hätte ich mir hier noch ein wenig mehr Finesse gewünscht, um den Film genauso stimmig und überzeugend enden zu lassen, wie er begonnen hat. Nichtsdestotrotz muss aber auch festgehalten werden, dass ein solcher Film womöglich ohne Netflix nie realisiert worden wäre, denn auch wenn sich hier eine Schar bekannter DarstellerInnen die Klinke in die Hand geben und sich der Regisseur seine Meriten verdient hat, gibt der Film sich doch zuweilen sperrig und ist in seiner Darstellung oftmals drastisch, was in Anbetracht des knuffeligen Superschweins, das zweifelsohne speziell ein jüngeres Publikum ins Kino gelockt hätte, zu einiger Enttäuschung hätte führen können und auch dank der eigenwilligen Regie sicherlich nicht jedermanns Sache sein dürfte, so dass ich mir nicht recht vorstellen kann, welches Produktionsstudio sich des Themas hätte annehmen wollen, wobei in dem Fall davon ausgegangen werden darf, dass dem oft bitterbösen Skript von Joon-ho Bong und Ron Jonson im Vorfeld gehörig die Flügel gestutzt worden wären.

Fazit & Wertung:

Joon-ho Bongs Okja vereint einmal mehr die unterschiedlichsten Themen, Ansätze und Genres in nur einem einzigen Film, gibt sich zunächst als familienfreundliches Fantasy-Märchen, schwenkt in Richtung Action-Thriller und kokettiert mit gesellschaftskritischer Satire, ohne dass man je das Gefühl hätte, es würde nicht alles wie aus einem Guss wirken. Man sollte sich aber auch nicht von der Knuffigkeit Okjas täuschen lassen und glauben, der Film wäre kindgerecht, denn in Anbetracht des harten Tobaks, der hier teils dargeboten wird, dürfte auch mancher Erwachsene mit mehr als nur einem Kloß im Hals zu kämpfen haben.

7,5 von 10 inbrünstigen Rettungsversuchen

Okja

  • Inbrünstige Rettungsversuche - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Joon-ho Bongs Okja vereint einmal mehr die unterschiedlichsten Themen, Ansätze und Genres in nur einem einzigen Film, gibt sich zunächst als familienfreundliches Fantasy-Märchen, schwenkt in Richtung Action-Thriller und kokettiert mit gesellschaftskritischer Satire, ohne dass man je das Gefühl hätte, es würde nicht alles wie aus einem Guss wirken. Man sollte sich aber auch nicht von der Knuffigkeit Okjas täuschen lassen und glauben, der Film wäre kindgerecht, denn in Anbetracht des harten Tobaks, der hier teils dargeboten wird, dürfte auch mancher Erwachsene mit mehr als nur einem Kloß im Hals zu kämpfen haben.

7.5/10
Leser-Wertung 9/10 (2 Stimmen)
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Okja ist seit dem 28.06.17 exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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