Review: Nocturnal Animals (Film)

Langsam aber sicher wird es Zeit, das Blog wieder mit einer neuen Film-Kritik zu beehren und nachdem ich jüngst schon einige schwer begeisterungswürdige Streifen habe sehen können, reißt meine Glückssträhne nicht ab, denn auch Tom Fords zweiter Film hat mir extrem gut gefallen, wie ihr im Anschluss werdet lesen können.

Nocturnal Animals

Nocturnal Animals, USA 2016, 116 Min.

Nocturnal Animals | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Tom Ford
Autoren:
Tom Ford (Drehbuch)
Austin Wright (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Amy Adams (Susan Morrow)
Jake Gyllenhaal (Tony Hastings / Edward Sheffield)
Michael Shannon (Bobby Andes)
Aaron Taylor-Johnson (Ray Marcus)
in weiteren Rollen:
Isla Fisher (Laura Hastings)
Armie Hammer (Hutton Morrow)
Laura Linney (Anne Sutton)
Andrea Riseborough (Alessia)
Michael Sheen (Carlos)

Genre:
Krimi | Drama | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Nocturnal Animals | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Kunstkuratorin Susan Morrow hatte sich eigentlich auf ein gemeinsames Wochenende mit ihrem nicht minder ambitionierten und erfolgsstrebenden Ehemann Hutton gefreut, doch wird der unerwartet nach New York zitiert und vertröstet seine Frau ein weiteres Mal. Die wiederum bekommt noch am selben Tage Post von ihrem Ex-Mann Edward, den sie vor rund zwei Dekaden verlassen hat und der sich schon damals mit dem Gedanken trug, Schriftsteller werden zu wollen. Im Begleitschreiben erörtert er ihr, ihr nun sein Buch widmen zu wollen und bittet sie um ihre Meinung zu dem zugesandten Manuskript. Susan beginnt die Lektüre um den Familienvater Tony Hastings, der auf der Fahrt in die Ferien mit Frau und Tochter auf einem Highway an den sichtlich psychopathischen Ray Marcus gerät. Und während Susan sich in das zunehmend drastischer werdende Buch zu vertiefen beginnt, drängen langsam die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit mit Edward in ihr Bewusstsein zurück…

Rezension:

Obschon ich noch immer nicht Tom Fords Regie-Debüt A Single Man gesehen habe, gehörte sein zweiter Film Nocturnal Animals allein schon seiner Besetzung wegen quasi zum Pflichtprogramm, zumal die ersten Eindrücke, die Trailer und Szenenfotos zu vermitteln wussten, auf einen gleichermaßen spannenden wie lohnenswerten Film schließen ließen, zumal ich einer gewissen erzählerischen Doppelbödigkeit, wie man sie auch hier im weiteren Verlauf finden wird, durchaus nicht abgeneigt bin. Dabei ist der Ansatz des Films gar nicht einmal so verschachtelt geraten, wie ich das im Vorfeld erwartet hatte, denn im Grunde erschöpfen sich die Handlungsebenen damit, dass die von Amy Adams (Arrival) verkörperte Susan Morrow unerwartet das Manuskript ihres ehemaligen Freundes Edward Sheffield zugesandt bekommt, woraufhin sich ein parallel zur "realen" Welt verlaufender Plot entfaltet, der die Handlung des Buches wiedergibt, wobei diese beiden Parts im weiteren Verlauf noch durch einige Rückblenden der gemeinsamen Zeit von Susan und Edward angereichert werden. Entsprechend war ich von der narrativen Struktur zwar durchaus angetan, musste mich allerdings zuweilen fragen, wo dieser nach Meinung mancher Kritike(r/n) angeblich so verschachtelte Plot sich denn nun befinden möge.

Szenenbild aus Nocturnal Animals | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Diesbezüglich war ich also beinahe enttäuscht von dem Film, doch nicht nur in ästhetischer Hinsicht zeigt Tom Ford, was er auf dem Kasten hat und geht inszenatorisch in die Vollen, zumal sich die unterschiedlichen "Welten" im Film schon allein von der Kulisse her so klar voneinander abgrenzen, dass es keiner weiteren Erklärung bedarf, wo und zu welchem Zeitpunkt man sich gerade befindet, so dass in Nocturnal Animals nur beinahe zaghaft, auf alle Fälle unaufdringlich unterschiedliche Farbakzente genutzt werden, um eine zusätzliche Distanz zwischen den Erlebniswelten zu schaffen, die wiederum natürlich auch einer Innenbeschau der Figuren dienen sollen, was leicht künstlerisch-abgehoben hätte werden können, doch finden diese Ansätze überwiegend im Subtext statt und stören das eigentliche Erleben zu keinem Zeitpunkt, womit Tom Fords Film speziell zu Beginn der "Highway-Handlung" als mitreißender Thriller daherkommt, wobei die kühle Distanziertheit der oberflächlichen und "kalten" Kunstwelt zwar eine andere Art Thrill bedient, sich atmosphärisch aber mitnichten zu verstecken braucht.

Dass beide Parts des Films aber so gut funktionieren ist natürlich auch den DarstellerInnen der Protagonisten geschuldet, so dass Amy Adams erneut in einer eher ungewohnten Rolle zu brillieren versteht, während Jake Gyllenhaal (Enemy) ja ohnehin mittlerweile über jeden Zweifel erhaben sein dürfte und einmal mehr in einer Doppelrolle glänzt, denn einerseits verkörpert er den von Susan verlassenen Schriftsteller Edward, andererseits den Protagonisten seines Buches, der sich nichts Böses ahnend auf eine Reise mit der gemeinsamen Tochter und seiner von Isla Fisher (Die Unfassbaren) gespielten Frau begibt und unvermittelt in einen regelrechten Alptraum stolpert. So ist es für sich genommen schon wieder beachtlich, wie wenig Berührungspunkte die beiden Teile des Films objektiv haben, zumal sie trotz ihrer inhaltlichen Entfernung so wunderbar miteinander harmonieren. Heimliche Highlights sind dann tatsächlich ach die Szenen, in denen das Verhalten der Romanfigur und der "realen" Susan durch geschickte Schwenks und Wechsel gespiegelt wird, was eine seltene optische Verbindung suggeriert, die sich ansonsten nur aus der ineinander geschachtelten Erzählung ergibt. Eine Sonderrolle bei Nocturnal Animals nehmen allerdings die Rückblenden ein, denn nicht nur kann man hier einen Blick auf Edward und Susan als Paar erhaschen, finden sich hier zuhauf mal mehr, mal weniger subtil gestreute Hinweise zu Edwards Inspiration für sein Buch.

Szenenbild aus Nocturnal Animals | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Ansonsten ist aber ganz klar der von Susan visualisierte Buch-Plot das stärkste Element des Films, denn hier geht Ford mit einer regelrecht animalischen Härte ans Werk, derweil sich hier mit dem von Michael Shannon (99 Homes) verkörperten Gesetzeshüter Bobby und vor allem einem überraschend intensiv und erschreckend aufspielenden Aaron Taylor-Johnson (Anna Karenina) auch die ungleich stärkeren Figuren tummeln, derweil der in Susans Welt beheimatete Armie Hammer (Codename U.N.C.L.E.) als ihr umtriebiger Ehemann doch vergleichsweise blass und oberflächlich bleibt. Funktionieren tut Nocturnal Animals aber natürlich gerade deshalb so gut, da hier zwei auf den ersten Blick unvereinbare Welten zusammengebracht werden, derweil mir auch das deutungsoffene Ende durchaus zu imponieren wusste. Ich persönlich hätte mir zwar noch den einen oder anderen Überraschungsmoment in diesem ansonsten formidabel inszenierten Noir-Thriller gewünscht, doch gelingt Ford hier dennoch das seltene Kunststück, ästhetische Perfektion mit einem mitreißenden und emotionalen Plot zu paaren, so dass es eine wahre Freude ist, im weiteren Verlauf immer tiefer in Susans und Edwards Seele vorzudringen und dabei die Demontage der Figuren zu betrachten, vor allem aber, wie sich der Schrecken des namensgebenden Buches langsam aber unerbittlich in die zwar reale, aber gleichsam seltsam unwirklich wirkende Welt vorarbeitet.

Fazit & Wertung:

Tom Ford ist mit Nocturnal Animals ein gar drastisches und zuletzt zynisches Stück Film gelungen, das seine besondere Faszination aus der Verquickung zweier gänzlich differierender Erzählebenen zieht, ohne dabei verkopft oder gar prätentiös zu wirken, sondern stattdessen zwei unvereinbar scheinende Film-Parts in Einklang bringt, die sowohl durch Amy Adams als auch Jake Gyllenhaal sondergleichen für sich einzunehmen wissen und eine gar nicht mal so komplexe, dafür aber emotional ungemein fordernde Geschichte erzählen, deren beklemmende Atmosphäre noch lange nachhallt.

8,5 von 10 schmerzhaft verarbeiteten Erinnerungen

Nocturnal Animals

  • Schmerzhaft verarbeitete Erinnerungen - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Tom Ford ist mit Nocturnal Animals ein gar drastisches und zuletzt zynisches Stück Film gelungen, das seine besondere Faszination aus der Verquickung zweier gänzlich differierender Erzählebenen zieht, ohne dabei verkopft oder gar prätentiös zu wirken, sondern stattdessen zwei unvereinbar scheinende Film-Parts in Einklang bringt, die sowohl durch Amy Adams als auch Jake Gyllenhaal sondergleichen für sich einzunehmen wissen und eine gar nicht mal so komplexe, dafür aber emotional ungemein fordernde Geschichte erzählen, deren beklemmende Atmosphäre noch lange nachhallt.

8.5/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimmen)
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Nocturnal Animals ist am 27.04.17 auf DVD und Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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Eine Reaktion

  1. Ma-Go Filmtipps 19. Dezember 2017

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