Review: Ingrid Goes West (Film)

Ende der Woche erscheint nachfolgender Film auf DVD und Blu-ray und nach langer Zeit einmal wieder stehe ich noch vor Veröffentlichung bereit, um meine Eindrücke in Worte zu kleiden. Entsprechend wünsche ich viel Freude bei der Lektüre und ansonsten einen allseits schönen und sonnigen (Feier-)Abend.

Ingrid Goes West

Ingrid Goes West, USA 2017, 98 Min.

Ingrid Goes West | © Universum Film
© Universum Film

Regisseur:
Matt Spicer
Autoren:
David Branson Smith
Matt Spicer

Main-Cast:
Aubrey Plaza (Ingrid Thorburn)
Elizabeth Olsen (Taylor Sloane)
O’Shea Jackson Jr. (Dan Pinto)
in weiteren Rollen:
Billy Magnussen (Nicky Sloane)
Wyatt Russell (Ezra O’Keefe)
Pom Klementieff (Harley Chung)

Genre:
Drama | Komödie

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Ingrid Goes West | © Universum Film
© Universum Film

Ingrid Thorburn hat schon länger ein obsessives Verhältnis zu den Instagram-Stars, denen sie folgt, und fabuliert sich Freundschaften zusammen, die de facto nicht existent sind, was dahingehend eskaliert, dass sie eine junge Frau bei ihrer Hochzeit attackiert, weil sie nicht eingeladen worden ist, obwohl sich die beiden im echten Leben noch nie begegnet sind. Ingrid landet in der Therapie, doch kaum wieder auf freiem Fuß, nimmt sie ihr obsessives Verhalten wieder auf und stößt alsbald auf die Influencerin Taylor Sloane. Nachdem ihre Mutter kürzlich erst verstorben ist, lässt Ingrid sich kurzentschlossen das gesamte Erbe in Bargeld auszahlen und macht sich auf den Weg Richtung Los Angeles, um Taylors neue beste Freundin zu werden. Tatsächlich gelingt es ihr sogar mit einem perfiden Plan, Taylors Aufmerksamkeit zu erregen, die von Ingrids manischen Anwandlungen nichts ahnt und zwischen den beiden erwächst eine Art Freundschaft, die allerdings samt und sonders auf Lügen fußt, was sich auf lange Sicht als Problem erweisen könnte…

Rezension:

Schon als ich das erste Mal von Ingrid Goes West gehört hatte, war ich Feuer und Flamme für diesen Social-Media-Film, der die ganze Instagram-Fassade vom schönen Leben hoffentlich trefflich aufs Korn zu nehmen wüsste und tatsächlich ist Regie-Debütant Matt Spicer ein einzigartiges Werk gelungen, das sich den Themen Narzissmus, Soziopathie und nicht zuletzt Neid verschrieben zu haben scheint, sich nach außen hin derweil als klassische Mischung aus Drama und Komödie verkauft. Dabei wird allerdings sicherlich jeder enttäuscht sein, der sich entweder eine funkensprühende Komödie oder ein reinrassiges Drama erwartet, denn beide Lager weiß Ingrid Goes West nicht wirklich zu bedienen, so eigenwillig ist die Ausrichtung dieser unangepassten Chose, die aber gerade durch ihre sowohl dramaturgischen als auch inszenatorischen Ecken und Kanten einen unleugbaren Reiz entfaltet.

Szenenbild aus Ingrid Goes West | © Universum Film
© Universum Film

Zunächst und zuvorderst liegt das natürlich vorrangig an Aubrey Plaza (Playing It Cool), die in ihrer Verkörperung der gleichermaßen manischen wie obsessiven Stalkerin und Soziopathin eine Bravour-Leistung abliefert und die unausgeglichene, besessene Ingrid glaubhaft, aber eben auch nicht ohne Sympathie-Werte verkörpert, so dass man tatsächlich bereit ist, mit ihrer Figur mitzufiebern, obwohl es sich im Grunde doch um eine klassische Antagonistin handelt und viel von ihrem Verhalten kaum entschuldbar sein dürfte. Dem gegenüber steht derweil Elizabeth Olsen (I Saw the Light), die als Taylor Sloane tatsächlich die Influencer-Verkörperung schlechthin darstellt und so ziemlich jedes Klischee und Vorurteil bedient, ohne dabei zur Karikatur zu verkommen. Überhaupt liegt genau hier der große Reiz von Ingrid Goes West, denn einerseits hat man das Gefühl, es mit einer waschechten und bewusst überhöhten Satire zu tun zu haben, andererseits scheint das Verhalten der Figuren, der Fortgang der Geschichte bei näherer Betrachtung gar nicht so weit hergeholt zu sein.

So gelingt Spicer, was viele Filmemacher auch nach Jahren nicht zu meistern wissen, nämlich, einerseits zu unterhalten und zum Lachen zu bringen, andererseits zum Nachdenken anzuregen, denn auch wenn ich persönlich mich schon lange nicht mehr aktiv mit Instagram auseinandergesetzt habe, kenne ich doch die Szene und ihre Protagonisten, weiß um die Mechanismen und Manipulationen, die hier anhand einer sehr persönlichen Geschichte aufgegriffen und verarbeitet werden, gleichwohl sich das Verhalten und Befinden von Ingrid Thorburn doch die meiste Zeit fernab dessen abspielt, was gemeinhin als nachvollziehbar und adäquat betrachtet werden würde. So mäandert Ingrid Goes West zwischen feiner Ironie und beißendem Spott, ist mal lustig, mal tragisch und bedient sich vor allem inszenatorisch selbst der gängigen Tricks und Kniffe, die man von Instagram kennen mag, präsentiert zuweilen bildschirmfüllende Emojis und taucht die Szenerie gerne selbst in die gängigsten Farbfilter, was dem Geschehen zuweilen einen beinahe entrückt, regelrecht unwirklichen Touch verleiht, der jedoch zunehmend Risse bekommt, wenn man beispielsweise aus der Warte des Vorzeigefreundes von Taylor (Wyatt Russell) die Schattenseiten dieses Lifestyle-Daseins aufgezeigt bekommt.

Szenenbild aus Ingrid Goes West | © Universum Film
© Universum Film

Bei all dem Lob für Ingrid Goes West muss man aber auch sagen, dass die Realität den Film bisweilen schon längst zu überflügelt haben scheint, so dass insbesondere It-Girl Taylor Sloane noch eher gemäßigt und sympathisch wirkt, die Wahrheit hinter der Fassade also noch weitaus drastischer und perfider hätte ausfallen können. So konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass Spicers Film manches Mal dann doch quasi mit angezogener Handbremse inszeniert worden ist, denn während der satirische Charakter des Films speziell im letzten Drittel auch kurz mal aus den Augen verloren wird – und damit auch Olsen mit ihrer Figur zeitweise in der Versenkung verschwindet –, hätte man hier noch deutlich weiter gehen, noch drastischer werden können als es die halbgare und beinahe ein wenig gehetzt inszenierte Auflösung des Ganzen am Ende tut. Wenn der Film aber auch letzthin ein wenig schwächelt, lohnt es sich in meinen Augen aber auf alle Fälle, Ingrid bei ihrem verzweifelten Kampf um "Relevanz" beizuwohnen, zumal nicht nur Aubrey Plazas Darstellung über jeden Zweifel erhaben ist, sondern auch die ungewöhnliche Verquickung aus Drama und (satirischer) Komödie zu überzeugen weiß.

Fazit & Wertung:

Mit Ingrid Goes West offeriert Regisseur Matt Spicer eine Instagram-Dramedy, die zwar gerne noch ein wenig bissiger und bösartiger hätte ausfallen können, im Kern aber durchaus stimmig den heutzutage vorherrschenden Narzissmus im Social-Media-Bereich seziert und nicht nur anhand seiner manisch-obsessiven Protagonistin, sondern vor allem auch durch das vermeintlich unfehlbare It-Girl als deren Konterpart die Schattenseiten des Business vom schönen Schein skizziert.

7,5 von 10 inszenierten Alltags-Szenen

Ingrid Goes West

  • Inszenierte Alltags-Szenen - 7.5/10
    7.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Ingrid Goes West offeriert Regisseur Matt Spicer eine Instagram-Dramedy, die zwar gerne noch ein wenig bissiger und bösartiger hätte ausfallen können, im Kern aber durchaus stimmig den heutzutage vorherrschenden Narzissmus im Social-Media-Bereich seziert und nicht nur anhand seiner manisch-obsessiven Protagonistin, sondern vor allem auch durch das vermeintlich unfehlbare It-Girl als deren Konterpart die Schattenseiten des Business vom schönen Schein skizziert.

7.5/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimme)
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Meinungen aus der Blogosphäre:
Der Filmaffe: 2,5/5 Punkte

Ingrid Goes West erscheint am 20.04.18 auf DVD und Blu-ray bei Universum Film. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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