Review: Der König von Greenwich Village | Dave Van Ronk (Buch)

Sonntagabend und wie es früher Usus war – und hoffentlich auch bald wieder regulär sein wird – gibt es heute selbstredend eine neue Rezension an dieser Stelle, damit ihr nicht meint, ich würde nix tun am Wochenende, vor allem aber natürlich, um euch mit neuem Lesestoff in die neue Woche zu entlassen. Einen schönen Sonntagabend noch allerseits!

Der König von Greenwich Village
Die Autobiografie

The Mayor of MacDougal Street, USA 2005, 368 Seiten

Der König von Greenwich Village von Dave Van Ronk mit Elijah Wald | © Heyne
© Heyne

Autoren:
Dave Van Ronk
mit Elijah Wald

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-67638-1

Genre:
Autobiografie

 

Inhalt:

Das lief so weit ganz gut, bis mich eines Tages ein anderer Schulschwänzer besuchte und die Gitarre auf dem Bett nicht bemerkte. Er warf sich darauf, und ich hörte nur noch das Holz splittern. In aller Ruhe rastete ich aus, packte die Gitarre am Hals und zog sie ihm über den Schädel – so ziemlich das Befriedigendste, was ich je getan habe. Dann ging ich los und erbettelte mir von jemandem eine kaputte alte Harmony. Ich war ein echt schlimmer Finger.

Das Herz des 1936 in Brooklyn geborenen Dave Van Ronk schlug seit jeher für die Musik und nach seiner Beteiligung an einem Barbershop-Quartett und einem Abstecher zur Handelsmarine versuchte er seit 1956 im berühmten New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village ein Leben als professioneller Musiker zu führen. Dabei bewies er durchaus ein Gespür für das richtige Timing und wurde im Laufe der Jahre zu einem Aushängeschild der dortigen aufstrebenden Folk- und Blues-Szene bis hin zum großen Folk-Revival Anfang der 1960er-Jahre und weit darüber hinaus.

Während dieser Zeit lernte Van Ronk neben zahllosen illustren Gestalten unter anderem auch den jungen Bob Dylan und die damals noch gänzlich unbekannte Joni Mitchell kennen. Von seinen Anfängen, seinen Ausflügen quer durch Amerika, seinem Weg hin zum Musiker, seinen Erlebnissen in und mit der Szene des Village bis 1967, zum Ende einer Ära und die Jahrzehnte, die folgen sollten, handelt seine Autobiografie Der König von Greenwich Village.

Rezension:

Zwar bin ich eigentlich gar nicht so der große Biografien-Leser und Dave Van Ronk war mir tatsächlich im Vorfeld kaum ein Begriff, dennoch kam ich nicht umhin, mich der Autobiografie Der König von Greenwich Village zu widmen, als mir zu Ohren kam, das diese die Vorlage zum derzeit aktuellsten Coen-Film Inside Llewyn Davis darstellt. Dennoch haben Buch und Film herzlich wenig miteinander gemein und die Coen-Brüder haben sich vielmehr inspirieren lassen von dem, was Van Ronk gemeinsam mit dem Musiker und Journalisten Elijah Wald hier zum Besten gibt. Das tut der Spannung der Lektüre allerdings keinen Abbruch und auch wenn ich mich mit der prägenden Phase des Folk-Revivals in den 1960er-Jahren und speziell Van Ronk bisher nicht befasst hatte, konnte mir das Buch doch einen spannenden und lohnenswerten Einblick in dieses Kapitel der amerikanischen (Musik-)Geschichte vermitteln.

Einmal kam Marlene Dietrich, um ihn zu hören, und schenkte ihm eine Ausgabe von Rilkes »Briefe an einen jungen Dichter«. Auf einer der Tassen hinterließ sie einen Lippenstiftabdruck, und Mitchell bewahrte sie in einer Glasvitrine auf, bis Kevin sie eines Tages abwusch und Mitchell ihn mit einem antiken Schwert, das normalerweise an der Wand hing, die MacDougal Street hinunterjagte. (Es war ein wunderschöner Krummsäbel, der sich schließlich an der Wand meiner Wohnung wiederfand.)

Vor allem merkt man schnell, dass an Dave van Ronk ein kleiner Geschichtenerzähler verlorengegangen ist, denn zahllose Anekdoten und liebevoll rekonstruierte Geschehnisse lockern den geschichtlichen Abriss, den er aus seiner Sicht der Dinge schildert, gehörig auf. Das Buch musste Elijah Wald zwar schlussendlich im Alleingang vollenden, da Van Ronk leider im Februar 2002 seinem Krebsleiden erlag, doch scheint Wald das Material, das ihm zur Verfügung stand, anch bestem Wissen und Gewissen aufbereitet zu haben und insbesondere das lohnenswerte Nachwort aus seiner Feder lässt daran keinen Zweifel aufkommen. Zwar muss ich zugeben, mit dem Name-Dropping im Buch größtenteils nicht viel anfangen zu können, da mir die meisten der genannten MusikerInnen kein Begriff waren und sind, aber für versiertere Leser in punkto Folk-Musik mögen selbst diese Aufzählungen aufschlussreich und interessant sein.

Doch wie gesagt liegt die eigentliche Stärke von Der König von Greenwich Village in den subjektiven Eindrücken und Erlebnissen Van Ronks, die, in den historischen Kontext gebetet, ein facettenreiches und spannendes Bild dieser Epoche zeichnen, das weit über eine historische Abhandlung oder einen nüchternen Sachbeitrag hinausgeht und viel von der Person Van Ronk durchscheinen lässt. Immerhin manche Namen sind natürlich selbst mir ein Begriff und so war es spannend zu lesen, was Van Ronk über Berühmtheiten wie Bob Dylan, Tom Paxton oder Joni Mithcell zu berichten weiß, mit denen ihn mehr oder weniger innige Freundschaften verbunden haben und deren Wege er mehr als nur einmal kreuzte.

Nachdem mein erstes Album fertig war, rief er mich an und sagte; »Wir haben einen Titel für die Platte, und ich finde ihn sehr treffend. Ich nenne sie Dave Van Ronk: New York’s Finest.«
Ich sagte: »Bob, um Himmels willen, damit sagst du, dass ich ein Bulle bin!«
Es folgte eine lange Pause, dann meinte er: »Oh. Daran hab ich nicht gedacht.«
Ich sagte: »Du kannst die Platte nennen, wie du willst, aber so bestimmt nicht.« Also veröffentlichte er sie als Dave Van Ronk: Folksinger, worauf ich nur schulterzuckend murmelte: »Lieber Trottel als Spitzel.«

So erklärt sich dann auch anhand eines Zitates von Bob Dylan, den der Verlag clevererweise direkt auf das Cover hat drucken lassen, der Titel des Buches: »In Greenwich Village war Van Ronk der König der Straße, er war der unbestrittene Herrscher« Van Ronk hätte sich wohl in aller Bescheidenheit nie so gesehen und gemessen an beispielsweise Bob Dylan war er auch sicher nicht die schillerndste oder berühmteste Gestalt des damaligen Folk-Revivals, dennoch erscheint es nach Lektüre von Der König von Greenwich Village absolut nachvollziehbar und sinnvoll, warum gerade Van Ronk diesen geschichtlichen Abriss, der gleichzeitig seine Autobiografie darstellt, zum Besten gegeben hat. Unter der Prämisse ist das Buch dann auch tatsächlich für all jene interessant, die nichts mit all den Namen und illustren Gestalten im Greenwich Village der damaligen Zeit anzufangen wissen und es könnte keine bessere Möglichkeit geben, sich dieser Dekade zu widmen, als durch die Augen des sympathischen Vollblutmusikers Van Ronk.

Fazit & Wertung:

Der König von Greenwich Village ist sowohl Autobiografie als auch geschichtliche Aufarbeitung des Folk-Revivals in den 1960er-Jahren und für alle Musikfreunde eine Empfehlung wert, weil Van Ronk es einfach verstanden hat, das damalige Lebensgefühl wie auch seine Ansichten und Gedanken auf ansprechendste und unterhaltsamste Weise aufs Papier zu bringen. Ein literarisches Vermächtnis, das mit spürbarer Hingabe und Liebe von einer spannenden Zeit im Greenwich Village berichtet.

8,5 von 10 Berühmtheiten des New Yorker Folk-Revivals

Der König von Greenwich Village

  • Berühmtheiten des New Yorker Folk-Revivals - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Der König von Greenwich Village ist sowohl Autobiografie als auch geschichtliche Aufarbeitung des Folk-Revivals in den 1960er-Jahren und für alle Musikfreunde eine Empfehlung wert, weil Van Ronk es einfach verstanden hat, das damalige Lebensgefühl wie auch seine Ansichten und Gedanken auf ansprechendste und unterhaltsamste Weise aufs Papier zu bringen. Ein literarisches Vermächtnis, das mit spürbarer Hingabe und Liebe von einer spannenden Zeit im Greenwich Village berichtet.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und den Autoren findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Der König von Greenwich Village ist am 09.04.13 als Taschenbuch bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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Eine Reaktion

  1. Frank Wehrmann 20. August 2015

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