Review: Capote in Kansas (Graphic Novel)

Nachdem es hier nun wieder zwei Tage ruhig gewesen ist, wird es doch allerhöchste Zeit, dass ich euch mit einem neuen Artikel beglücke. Ach, machen wir doch einfach direkt zwei draus, schließlich geht es heute mal wieder um Comics respektive Graphic Novels. Also, viel Spaß mit der ersten von zwei höchst unterschiedlichen Kritiken.

Capote in Kansas

Capote in Kansas, USA 2005, 164 Seiten

Capote in Kansas | © Panini
© Panini

Autor:
Ande Parks
Zeichner:
Chris Samnee

Verlag (D):
Panini Verlag
ISBN:
978-3-862-01977-9

Genre:
Biografie | Krimi | Mystery | Drama

 

Inhalt:

Es ist das Jahr 1959 und in Garden City, Kansas wird eines Nachts die gesamte Familie Clutter auf kaltblütige Art und Weise ermordet. Im fernen New York erfährt der zunehmend gelangweilte Schriftsteller Truman Capote, der jüngst Erfolge mit seinem Roman Frühstück bei Tiffany feierte, von dem Fall und beschließt, gemeinsam mit seiner Jugendfreundin Harper Lee nach Kansas zu reisen, um die Umstände der Clutter-Morde zu recherchieren und eine neue Art Buch, einen Tatsachenroman, zu schaffen.

Ausschnitt aus Capote in Kansas | © Panini
© Panini

Vor Ort stößt der extravagante und snobistische Großstädter allerdings auf unverhohlene Ablehnung und auch die Polizei ist kaum bereit, ihn bei seinen Recherchen zu unterstützen. Nach anfänglicher Verzweiflung gelingt es Capote, sich den hiesigen Gepflogenheiten anzupassen und findet gar Zugang zu den vermeintlichen Tätern Dick Hickock und Perry Smith, wobei er speziell mit Letzterem Erinnerungen an eine verkorkste Kindheit teilt und sich nach und nach zu ihm hingezogen fühlt. Immer mehr zehren die Recherchen an Capotes Nerven und nehmen in emotional sichtlich mit, doch ist er nicht bereit, seine Ambitionen aufzugeben und ist fest entschlossen, seinen Roman schlussendlich zu vollenden.

Rezension:

Truman Capote sollte wohl selbst Literaturverweigerern zumindest dem Namen nach ein Begriff sein und zählt nicht umsonst zu einem der Meister seiner Generation, was nicht zuletzt aber auch in seinem schillernden und provokativen Auftreten und seiner offenen Homosexualität (in den 60ern noch längst nicht so normal wie heutzutage) begründet lag, zuvorderst aber natürlich mit Klassikern wie Frühstück bei Tiffany begründet werden darf. Ein anderer, weithin bekannter Roman aus seiner Feder ist nun eine der wohl ersten True Crime-Geschichten und trägt hierzulande den Namen Kaltblütig und von der Entstehung ebenselbiger Geschichte handelt nun Capote in Kansas. Schon auf den ersten Seiten wird Capote als exzentrischer Exot skizziert, den das New Yorker-Partyleben zunehmend langweilt und der sich nach neuen Herausforderungen sehnt.

Ausschnitt aus Capote in Kansas | © Panini
© Panini

Es dauert nicht lange, bis Capote in Kansas eintrifft (habe ich da nicht auf geniale Weise den Titel in den laufenden Text einfließen lassen!?) und der Kontrast zwischen ihm und der eher biederen Landbevölkerung offenbar wird, die ihm zunächst mit unverhohlenem Argwohn begegnet. Die Graphic Novel ist daher auch nicht unbedingt nur als fiktionalisierter Tatsachenroman zu bezeichnen, sondern trägt auch in der Ausgestaltung ihrer Hauptfigur überraschend stimmig interpretierte biografische Züge, die das Wesen Capotes mit nur wenigen Gesten und Blicken greifbar machen. Aber natürlich handelt es sich auch um eine Kriminalgeschichte, selbst wenn es Capote nicht zuvorderst um die Aufklärung des Verbrechens geht – sind die zwei Verdächtigen schließlich längst inhaftiert – und nicht zuletzt eine Art Geistergeschichte, denn bald schon beginnt Capote, mit dem Geist von Nancy Clutter Zwiegespräche zu führen, wobei dies natürlich eher der Charakterisierung der Familie und Capotes selbst dienlich ist und nicht zu vergleichen mit den üblichen Geisterklischees.

Gerade dieser Clou ist es auch, der die Geschichte aus 2005 dann wohltuend von den beiden 2006er-Verfilmungen Capote und Kaltes Blut abhebt, die sich ebenfalls dieser Epoche in Capotes Leben widmen und der Graphic Novel Trittbrettfahrerei unterstellen könnten, wäre sie nicht eigentlich vorher entstanden. Wenn Autor Ande Parks bei dem Veröffentlichungszeitpunkt kein allzu glückliches Händchen bewies, tut das der Qualität der Geschichte keinen Abbruch und insbesondere aufgrund der großartigen, kongenialen Zeichnungen von Chris Samnee wird Capote in Kansas zu einem packenden Erlebnis, denn die sehr sparsam akzentuierten Schwarzweiß-Zeichnungen, die mehr durch Auslassungen denn Detailreichtum punkten und virtuos mit Licht und Schatten spielen, fördern ein derart intensives Erleben der Geschichte, wie ich es nur selten erlebt habe, während Blicke und Mimik der Protagonisten ihresgleichen suchen und die vorherrschende Farblosigkeit das nostalgische Flair und den melancholischen Grundton der Erzählung noch unterstützen.

Ausschnitt aus Capote in Kansas | © Panini
© Panini

Zwar räumt Ande Parks ein, manches Detail im Sinne der Geschichte fiktionalisiert zu haben, was sich natürlich zuvorderst in der Erscheinung von Nancy Clutters Geist äußert, aber auch an der vergleichsweise frühen Rückreise seiner Begleitung und Freundin Harper Lee festgemacht werden kann, die wohl einen deutlich größeren Anteil an der Entstehung seines Tatsachenromans hatte, als die Graphic Novel zu vermitteln weiß, aber einfach nicht in das Konzept der geisterhaften Gesprächspartnerin für Capote passte, wie Parks in einem informativen wie lohnenswerten Nachwort zu Capote in Kansas erläutert. Davon abgesehen finden sich in dem hochwertig gestalteten Hardcover-Band noch eine Vielzahl Skizzen und Entwürfe seitens Samnee, welche die Graphic Novel überzeugend abrunden und zu einem Pflichtkauf nicht nur für Freunde des literarischen Schaffens von Capote machen, einfach, weil die Geschichte mit einer enormen Detailfülle und behutsam interpretiert dargebracht wird, dass die Faszination für den Schriftsteller in Wort und Bild erfahrbar wird.

Fazit & Wertung:

Anspruchsvoll und mitreißend, melancholisch und nostalgisch huldigt Capote in Kansas auf die wohl denkbar beste Art und Weise einem großartigen Schriftsteller und skizziert nicht nur die Entstehung eines seiner berühmtesten Bücher, sondern portraitiert auch in selbst auf kongenial Weise. Der Rechercheaufwand und die Liebe fürs Detail sind der aufwändig gestalteten Graphic Novel dabei jederzeit anzumerken und machen sie zu einem regelrechten Pflichtkauf.

10 von 10 fiktiven Konversationen mit der verstorbenen Nancy Clutter

Capote in Kansas

  • Fiktive Konversationen mit der verstorbenen Nancy Clutter - 10/10
    10/10

Fazit & Wertung:

Anspruchsvoll und mitreißend, melancholisch und nostalgisch huldigt Capote in Kansas auf die wohl denkbar beste Art und Weise einem großartigen Schriftsteller und skizziert nicht nur die Entstehung eines seiner berühmtesten Bücher, sondern portraitiert auch in selbst auf kongenial Weise. Der Rechercheaufwand und die Liebe fürs Detail sind der aufwändig gestalteten Graphic Novel dabei jederzeit anzumerken und machen sie zu einem regelrechten Pflichtkauf.

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Meinungen aus der Blogosphäre:
Tofu Nerdpunk

Capote in Kansas ist am 20.05.14 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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