Bericht: Dirk Bernemann – Asoziales Wohnen (Lesung)

Ich hatte ja schon vor langer langer Zeit ins Auge gefasst, die Beiträge in meinem Blog anzureichern mit Erlebnisberichten und Kulturtipps, doch hat sich das vergangene Jahr doch als so geschäftig herausgestellt und die Arbeit am Blog neben der Fortbildung zum Betriebswirt nebst meiner Vollzeitarbeitstätigkeit als so lebensfüllend, dass ich mich bis dato nicht dazu habe aufraffen können, euch mal Ereignisse oder Örtlichkeiten meiner näheren Umgebung näherzubringen.

Die gestrige Lesung nun allerdings möchte ich einfach mal zum Anlass nehmen, diesen Umstand zu ändern, weil ich einerseits seit langen Jahren ein großer Freund der literarischen Ergüsse des Herrn Bernemann bin und wir uns andererseits immer öfter die Zeit im frisch eröffneten Leckerbisschen vertrieben haben, was nun also seine erste – und sehr gelungene – Lesung veranstaltet hat, von der ich hoffe, dass ihr noch viele folgen werden.

Lesung: Dirk Bernemann
Asoziales Wohnen

Asoziales Wohnen von Dirk Bernemann
© Unsichtbar Verlag

Wann? 14.11.12, 20:00 Uhr
Wo? Leckerbisschen, Kettwiger Straße 15, 45468 Mülheim an der Ruhr
Preis? VVK/AK: 5,00 €

Bericht:

Zunächst erwartete uns bei Ankunft ein regelrechter Menschauflauf vor dem Leckerbisschen, der die Altstadt Mülheims – du zugegebenermaßen ansonsten relativ ausgestorben vor sich hinvegetiert – mit nie gekanntem Leben füllte. Dann endlich öffneten sich die Pforten und uns wurde Einlass gewährt. Gegen das Vorzeigen unserer Tickets gab es einen beherzten Stempeldruck auf die Hand, der wohl dazu dienen sollte, den Rauchern nach der Pause den Widereintritt ins Café zu ermöglichen. Der Andrang war groß und der recht überschaubare Laden füllte sich schnell mit Menschen und ebenso wurde die Schlange an der Theke immer länger, denn es blieb nur eine gute Viertelstunde, bevor der unauffällige Mann dort vorne am Tisch mit dem Mikro – er sollte sich später als Dirk Bernemann entpuppen – mit seiner Lesung beginnen würde.

Sehr zu meinem Verdruss gab es an diesem Abend keine Heißgetränke und so musste ich auf meinen Chai Latte verzichten, aber die Hausmarke Kola trifft Kaffee tat ähnlich erfolgreich ihren Dienst. Man pferchte sich also in die engen Stuhlreihen und wartete gespannt.

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Betreiberin des Leckerbisschen und den Autor himself ging es prompt ans Eingemachte und er präsentierte der geballten Hörerschaft seine höchst eigene Interpretation von Max & Moritz, hier im Geiste der Integration Max & Murat und als Milieustudie angefertigt. Nach diesem grandiosen Auftakt ging es weiter zu Sibylle, einer Protagonistin aus Asoziales Wohnen, an deren Leben er uns einen Tag lang teilnehmen ließ und nicht müde wurde darauf hinzuweisen, welch teils geniale Satzkonstruktionen von seinem Hirn in seine Hand und aufs Papier gefunden haben, für die man – so sein Traum – einen Literaturpreis für “Geiler Satz“ kreieren sollte. Beispiel gefällig?

Der Resttag wirkt wie ein gelangweiltes Kind, das alleine an einem regnerischen Oktoberfreitagnachmittag auf der Hälfte einer Wippe sitzt und auf ein Gegengewicht wartet, das aber definitiv heute nicht mehr zum Spielen rauskommt.

Hiernach ging es weiter mit einigen älteren wie neueren Gedichten und alsbald auch mit einem weiteren Kapitel aus Asoziales Wohnen, dass sich einem Autor widmete, der verzweifelt auf der Suche nach einer niederschreibenswerten Idee für sein neues Buch ist. Weitere Anekdoten und Geschichten folgten und Höhepunkt in dem Zusammenhang war sicherlich Dirk Bernemanns die Pause einläutendes Gedicht Die schöne Raucherin, das mich dann auch prompt nach Beendigung in die Kälte trieb, um dem verpönten Nikotingenuss zu frönen.

Kurze Zeit später hatte man sich dann aber wieder im Innenbereich des Leckerbisschen eingefunden und weitere Texte wurden zum Besten gegeben. Erfreulich dabei war die erfrischende Art des Autors, stets schwankend zwischen Melancholie und Wut, mit ein wenig Pathos, großen Gesten und Sprachgefühl, die seine Geschichten erlebbar machten und lebendig werden ließen, während er durch das Elend der Welt mäanderte und in seinem Text Heilig Rock Trier beschwingt Seitenhiebe auf das Christentum verteilte, freilich erst, nachdem er sich versichert hatte, dass keine Hardcore-Gläubigen anwesend waren.

So bezog sich die Lesung zwar weniger auf sein neuestes Buch Asoziales Wohnen, präsentierte dafür aber einen interessanten Querschnitt seines literarischen Schaffens und dabei insbesondere Texte aus den jüngst veröffentlichten Miniaturbüchlein Kotzen am Gefühlsbuffet (Details hier) und Therapiebedarf (Details hier) aus der Edition kleinLAUT, welche ich dort auch prompt käuflich erwerben musste und die Gunst der Stunde genutzt habe, mir auch gleich noch ein Autogramm von einem meiner Lieblingsautoren zu besorgen.

Alles in allem also ein buntes, subversives und von kreativen Wortkonstellationen dominiertes Hörvergnügen von knapp über zwei Stunden, dass nicht nur mir als Kenner der Werke Bernemanns, sondern auch den mit mir anwesenden Personen ausnehmend gut gefallen zu haben scheint!

Fazit:

Dirk Bernemann hat in gewohnter Großartigkeit eine Lesung bestritten, die hoffentlich den Auftakt bildet für eine Reihe ähnlich begeisterungswürdiger Abende, die zudem die kulturelle Szene des Ruhrgebiets und insbesondere von Mülheim nachhaltig bereichern würden.

– – –

Jetzt nützt euch mein Bericht natürlich herzlich wenig, wenn ihr ebenfalls den werten Bernemann einmal in Aktion erleben wollt, denn der Natur der Sache nach wird es euch fraglos schwerfallen, euch in die Vergangenheit zurückzuversetzen – was aber immerhin erklären würde, warum während der Lesung immer wieder Leute vor der Tür erschienen sind und um Einlass gebettelt haben (vermutlich sind eure Zeitreisefähigkeiten noch nicht so ausgeprägt, um eine konkrete Uhrzeit anzuvisieren) – und deshalb kommen hier nun alle noch folgenden Lesetourtermine und wer schnell ist und heute Abend noch nichts vorhat, der kann sich jetzt direkt nach Dortmund begeben.

  • 15.11.12 Dortmund – Cakes n Treats Café
  • 22.11.12 Leipzig – Helheim
  • 04.12.12 Dresden – Chemiefabrik
  • 05.12.12 Chemnitz – Subway to Peter
  • 20.12.12 Erlangen – E-Werk
  • 06.01.13 Stemwede – Life House
  • 15.01.13 Bochum – Bahnhof Langendreer
  • 01.02.13 Bremerhaven – Yesterday Club

– – –

Um nun aber auch noch diesem Artikel zu einem runden Abschluss zu verhelfen, freue ich mich, bei der Recherche auch prompt auf Dirk Bernemanns Blog DER UNaufFÄLLIG FALLENDE gestoßen zu sein, der direkt seinen Weg in meine Blogroll gefunden hat. Beschließen wir den Artikel nun also schlicht und sachlich mit einer Liste der bisherigen (und durchweg empfehlenswerten) Veröffentlichungen von Dirk Bernemann.

Bibliographie:

2005: Ich hab die Unschuld kotzen sehen
2007: Ich hab die Unschuld kotzen sehen – Und wir scheitern immer schöner
2008: Satt. Sauber. Sicher.
2009: Ich bin schizophren und es geht mir allen gut
2009: Ich hab die Unschuld kotzen sehen 3 (E-Book)
2010: Vogelstimmen
2011: Ich hab die Unschuld kotzen sehen 3 (Print)
2011: Trisomie so ich dir
2012: Asoziales Wohnen
2012: Kotzen am Gefühlsbuffet (Edition kleinLAUT)
2012: Therapiebedarf (Edition kleinLAUT)

Sharing is Caring:

Kommentare (2)

  1. Kim 17. November 2012
    • Wulf | Medienjournal 17. November 2012

Hinterlasse einen Kommentar