Review: The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind | Adrian McKinty (Buch)

Nachdem vorgestern die deutsche Ausgabe des ungemein gehypten The Chain erschienen ist, komme ich nun prompt und pünktlich mit meiner Rezension daher, denn McKinty ist mir natürlich kein Unbekannter und folglich war ich mehr als gespannt, ob er wirklich den erhofften Knaller rausgehauen hat.

The Chain
Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind

The Chain, USA 2019, 352 Seiten

The Chain - Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind von Adrian McKinty | © Droemer Knaur
© Droemer Knaur

Autor:
Adrian McKinty
Übersetzer:
Anke Kreutzer
Eberhard Kreutzer

Verlag (D):
Droemer Knaur
ISBN:
978-3-426-52485-5

Genre:
Drama | Thriller

 

Inhalt:

Kylies Gedanken rasen. Sie weiß, sie hätte nicht in den Wagen steigen dürfen. Genau so verschwinden Mädchen. So verschwinden tagtäglich Mädchen. Sobald du eingestiegen bist, war’s das. Sobald du eingestiegen bist, tauchst du nie wieder auf. Man steigt nicht in ein Auto, man macht kehrt und rennt, rennt, rennt.

Am helllichten Tage wird die dreizehnjährige Kylie von zwei Entführern an der Bushaltestelle abgepasst und einen Van verfrachtet. Kurz darauf geht bei Mutter Rachel ein Anruf ein, der sie darüber informiert, dass sie nun Teil der KETTE sei und bestmöglich Papier und Stift parat legen sollte. Es dauert nicht lange, bis Rachel erneut kontaktiert wird: diesmal ist die Entführerin selbst am Apparat, ebenfalls Mutter eines kleinen Jungen, der gleichsam entführt worden ist. Nun soll Rachel einerseits Lösegeld in Höhe von 25.000 Dollar auf ein anonymes Konto überweisen und andererseits selbst ein Kind entführen, damit der Sohn der Entführerin ihrer Tochter freikommt. Und nur wenn wiederum das nachfolgende Glied in der KETTE ebenfalls erfolgreich eine Entführung initiiert hat, wird Rachel ihre Kylie wiedersehen. Andernfalls droht ihnen beiden der Tod, denn die KETTE darf nicht unterbrochen oder verraten werden. Das Spiel beginnt…

Rezension:

Vergleichsweise früh erreichte mich der Hype um Adrian McKintys The Chain, was daran liegen mag, dass ich sowohl ihm als auch Don Winslow – einer der Testleser und somit begeisterter Promoter – bei Twitter folge und da ich schon von McKintys Sean-Duffy-Reihe mehr als angetan gewesen bin (und demnächst dann auch endlich mall den nächsten Band zur Hand nehmen werde), war ich natürlich auch auf diesen Thriller von ihm gespannt. Der hat ihm wohl zu einem richtigen Durchbruch verholfen und entsprechend schnell war man bei Knaur zur Stelle, um die Story ins Deutsche zu übertragen, so dass wir nun – auch dank der ausdauernden Übersetzungsarbeit seitens Anke und Eberhard Kreutzer – keine zwei Monate nach Ersterscheinen in den Genuss der deutschen Fassung kommen. Diese hat mich auch erst vor wenigen Tagen erreicht und es spricht schon für sich, dass ich die rund 350 Seiten umfassende Story an zwei lauschigen Abenden regelrecht verschlugen habe. Das hat zweierlei Gründe, denn einerseits konzentriert sich McKinty auf das Wesentliche und stürzt sich unmittelbar auf der ersten Seite in den Auftakt der Entführungsgeschichte, andererseits gelingt ihm dank der oft knapp gehaltenen Kapitel und dem insbesondere zu Beginn vorherrschenden Zeitdruck eine von Sturm und Drang geprägte Geschichte, die kaum Zeit zum Atem holen lässt.

»Sie müssen eine Zielperson finden und einen Menschen, den er oder sie liebt, entführen und gefangen halten, bis die Zielperson das Lösegeld zahlt und ihrerseits jemanden entführt. Dann müssen Sie denjenigen, den Sie ausgesucht haben, anrufen und ihm oder ihr haargenau dasselbe erklären wie ich jetzt Ihnen. Was ich Ihnen gerade antue, das werden Sie Ihrer Zielperson antun. Sobald Sie jemanden entführt und das Geld eingezahlt haben, kommt mein Sohn frei. Sobald Ihre Zielperson jemanden entführt und das Lösegeld bezahlt hat, kommt ihre Tochter frei. So einfach ist das. So funktioniert die KETTE, und so geht sie endlos weiter.«

Unbedarfte könnten nun schnell meinen, dass eine Prämisse wie in The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind kaum dazu taugt, sie auf Romanlänge auszuwalzen und so ist es kaum verwunderlich, dass McKinty selbst im Nachwort berichtet, es habe sich originär um eine Kurzgeschichte gehandelt. Doch keine Sorge, er hat die Story mitnichten künstlich aufgebläht, um ein Buch damit füllen zu können, sondern bedient sich eines weit gelungeneren Kniffs. So besteht der Band neben all seinen kleinen Kapiteln aus zwei großen Teilen und nach kaum mehr als der Hälfte vollzieht sich ein regelrechter Paradigmenwechsel, derweil sich im Fahrwasser dessen auch Erzählform und -stil verändern, ohne dass es zu einem inszenatorischen Bruch käme. Nichtsdestotrotz könnte sich der eine oder andere ein wenig an der zweiten Hälfte stoßen oder stören, denn insbesondere zum Ende hin geht das Buch dann doch in eine eher generische Richtung, gleichwohl es McKinty versteht, den Weg dorthin plausibel und spannend zu skizzieren und vor allem mit einer überaus befriedigenden Form der Katharsis aufzuwarten.

Was aber The Chain so lohnenswert und einzigartig macht, ist natürlich das dahinterstehende Konzept in Anlehnung an die allseits bekannten Kettenbriefe. Nur verleiht McKinty dem Ganzen hier einen ungemein perfiden Kniff, indem es um nichts weniger geht, als ein ahnungsloses Kind zu entführen und die Eltern zu zwingen, selbiges wieder einer anderen Familie anzutun, wollen sie ihr Ein und Alles wiedersehen. In diese Situation gerät zu Beginn der Geschichte auch Rachel, die es ohnehin bislang nicht leicht gehabt hat im Leben und jüngst darum bangt, ob ihr Brustkrebs sich weiterhin in Remission befindet, derweil sie sich als Alleinerziehende durchschlagen muss. Denkbar schlechteste Ausgangslage, um am Telefon eröffnet zu bekommen, dass die eigene Tochter just entführt worden ist. Dergestalt schildert der Autor eine beklemmende Ausnahmesituation, in der Rachel gezwungen wird, sich vom Opfer selbst zum Täter zu mausern, wenn sie die To-Do-Liste ihrer eigenen Entführungsambitionen abzuarbeiten beginnt. Dabei hat die KETTE (Großschreibweise aus dem Buch übernommen) durchaus effektive Maßnahmen ergriffen, um sich selbst zu schützen und dafür zu sorgen, dass niemand der Beteiligten aus Reihe tanzt, so dass die einzelnen – vor- wie nachgelagerten Glieder – für Rückgriffe und Interventionen zur Verfügung stehen. Ganz davon abgesehen, dass die Bedrohung des eigenen Kindes allein schon bei dem Gedanken daran beim Lesen die Kehle zuschnürt.

Der Mann schluckt hart und zieht sich die Kappe tiefer ins Gesicht. »Ich soll Ihnen sagen, dass ich jetzt seit einem Jahr aus der KETTE raus bin. Dass meine Familie in Sicherheit ist, weil ich getan habe, was mir aufgetragen wurde. Und ich soll Ihnen auch sagen, dass es Hunderte Menschen gibt wie mich, auf die die KETTE zurückgreifen kann, um eine Botschaft zu überbringen, wenn sie glaubt, Sie oder jemand anders aus Ihrer Familie habe eine Botschaft nötig.«

Ebenfalls außerordentlich gelungen bei The Chain ist, dass es sich spürbar um ein Werk der heutigen Zeit handelt, derweil ich sonst gerne des Öfteren mal bemängele, dass Smartphones oder allgemein das Internet in zeitgenössischer Literatur stillschweigend ausgeklammert werden. Hier derweil sind allein die Sozialen Medien maßgeblicher Teil der Story, wenn Rachel (nicht nur) bei Facebook und Instagram ihre Opfer auszuspionieren beginnt, worin natürlich auch eine leise Kritik an dem Mitteilungsbedürfnis und freigiebigen Informationsverbreitung mitschwingt, ohne sich mit erhobenem Zeigefinger in den Vordergrund zu drängen. Die meiste Zeit aber ist der Roman ein schnittig inszenierter und mit Dringlichkeit bestückter psychologischer Thriller, der gekonnt aufzeigt, wie weit man gehen würde, wenn die eigene Familie in Gefahr gerät und der insbesondere Eltern bei der Lektüre einen gehörigen Kloß im Hals bescheren wird. Mag die Geschichte in ihrer dramaturgischen Finesse mit Beginn des zweiten Teils auch ein wenig nachlassen, ändert das nichts daran, dass McKinty hier ein durchaus großer Wurf gelungen ist, der ihm völlig zu Recht einen Bekanntheitsschub bescheren dürfte.

Fazit & Wertung:

Adrian McKinty schafft mit The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind einen ungemein perfiden psychologischen Thriller, dessen Prämisse allein einem Schauer über den Rücken zu jagen imstande ist. Die atemlose Inszenierung, der reduzierte, auf den Punkt destillierte Schreibstil und nicht zuletzt die sich aus dem Geschehen ergebende Doppelrolle der Protagonistin als Opfer und Täter, Jäger und Gejagter sind dabei nur einige der Zutaten, die einen das Buch nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen lassen wollen.

9 von 10 Mechanismen, die Kette zu schützen

The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind

  • Mechanismen, die Kette zu schützen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Adrian McKinty schafft mit The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind einen ungemein perfiden psychologischen Thriller, dessen Prämisse allein einem Schauer über den Rücken zu jagen imstande ist. Die atemlose Inszenierung, der reduzierte, auf den Punkt destillierte Schreibstil und nicht zuletzt die sich aus dem Geschehen ergebende Doppelrolle der Protagonistin als Opfer und Täter, Jäger und Gejagter sind dabei nur einige der Zutaten, die einen das Buch nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen lassen wollen.

9.0/10
Leser-Wertung 9/10 (1 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Droemer Knaur.

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The Chain – Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind ist am 02.09.19 als Klappenbroschur bei Droemer Knaur erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

vgw

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