Heute habe ich mal wieder einen richtig schönen Film – beziehungsweise die passende Rezension – im Gepäck, denn auch wenn der sicherlich einiges an Schwächen mit sich bringen mag, überzeugt doch das Gesamtbild, zumal er keinen Hehl daraus macht, ein Stück weit abseits profaner Realität verortet werden zu wollen.
The Accountant
The Accountant, USA 2016, 128 Min.
© Warner Home Video
Gavin O’Connor
Bill Dubuque
Anna Kendrick (Dana Cummings)
J.K. Simmons (Ray King)
Jeffrey Tambor (Francis Silverberg)
John Lithgow (Lamar Blackburn)
Action | Krimi | Drama | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Warner Home Video
Christian Wolff verdingt sich als Steuerberater in einer unscheinbaren Ladenzeile fernab der Großstadt und führt ein durch und durch unaufgeregtes Leben, würde man meinen. Denn gemeinsam mit seinem Bruder wurde der hochfunktionale Autist, der es im Laufe der Jahre geschafft hat, sich weitestgehend den geltenden gesellschaftlichen Konventionen und Verhaltensweisen anzupassen, seit frühester Kindheit einem mehr als umfang- und abwechslungsreichen Kampftraining unterzogen und ist gleichsam bereit, als Buchhalter für Verbrecherorganisationen tätig zu werden. Seine Aufträge vermittelt ihm die Stimme einer unbekannten Frau am Telefon, die ihm nun dazu rät, zur Abwechslung auch mal einen legalen Auftrag anzunehmen, wodurch er bei dem Konzern "Living Robotics" landet. Während die Buchhalterin Dana Cummings für Christian die Unterlagen der letzten fünfzehn Jahre zusammenstellt und ihm auch ansonsten engagiert zur Seite steht, setzt Steuerfahnder Raymond King seinerseits die frisch eingestellte Marybeth Medina auf Christian an, wobei dessen Identität zu diesem Zeitpunkt für die Behörden noch ein großes Rätsel darstellt. Derweil kommt es im Umfeld des Robotikkonzerns zu immer neuen, ungeklärten Todesfällen und der hochintelligente Wolff ahnt, dass noch weit mehr im Argen liegt als bloß die frisierten Zahlen in den Geschäftsbüchern…
Rezension:
Nachdem der Film bereits seine Free-TV-Premiere hinter sich hat und man immer noch rätseln darf, ob er dereinst wirklich ein Sequel spendiert bekommen wird – was sich durchaus anböte –, bin ich ja schon wieder ein wenig spät zur Party, hatte dadurch aber nicht weniger Freude an The Accountant, auch wenn man den Film natürlich nach objektiven Gesichtspunkten kaum ernst nehmen kann. Da stellt sich dann aber schlichtweg die Frage, mit welchem Anspruch und mit welcher Erwartungshaltung man an eine solche Art Film herangeht, denn die Art und Weis, wie hier der autistische Protagonist Christian Wolff dargestellt wird, mag mit dem realen Krankheitsbild herzlich wenig gemein haben, bietet aber den Ausgangspunkt für eine ungemein spannende Figur, was in einer dergestalt als One-Man-Show aufgezogenen Chose im Grunde schon die halbe Miete darstellt. Denn freilich geht es um einiges mehr als nur den namensgebenden Buchhalter, den "Accountant", doch liegt hier eben der Fokus des Ganzen und die durchaus wendungsreiche Geschichte würde nicht halb so unterhaltsam sein, würde sie sich um eine andere Art Hauptfigur drehen. Dabei geht Regisseur Gavin O’Connor (Jane Got a Gun) zunächst sogar so weit, beinahe mehr ein Charakter-Drama zu erzählen und erst später in Richtung des zu erwartenden Action-Thrillers umzuschwenken, wobei in diesem Zusammenhang allein das Cover im Grunde schon als Spoiler gewertet werden darf (auch wenn die Offenbarung, dass Wolff mit Schuss-, Hieb- und Stichwaffen vertraut und versiert ist, nicht allzu lange auf sich warten lässt).
© Warner Home Video
Zunächst einmal geht es aber in die Vergangenheit, bevor der eigentliche Film startet und man den distinguierten Christian Wolff im Alltag präsentiert bekommt, um von dort aus, Schicht um Schicht, hinter die Fassade des ungemein beherrschten Mannes zu blicken, dem es mit spürbarem Einsatz gelingt, sich den Anstrich von Normalität zu verleihen. Und auch wenn es wieder einige Spötter geben mag, die attestieren, dass eine solche Rolle, ein Mann, der kaum je eine Miene verzieht, geschweige denn sichtbare Emotionen zeigt, Ben Affleck (Justice League) wie auf den Leib geschrieben sei, meistert er die Darstellung dieses hochintelligenten, aber sozial extrem unbeholfenen Mannes mit Bravour und wusste mich ein weiteres Mal zu überzeugen, was insbesondere für die alltäglichen Rituale, die kleinen Obsessionen gilt, derer sich Wolff bedient, um Herr der Lage zu bleiben. Der Plot um "Living Robotics" kommt dabei erst langsam in Fahrt und gemessen an noch weiteren Rückblenden, neu auftauchenden Figuren und wie aus dem Kontext gerissen wirkenden Einschüben dauert es eine Weile, bis sich der Kern des Ganzen herausschält und eben auch die Action-Fans bedient werden, doch The Accountant ist eben mehr als nur ein anderthalbstündiger Reißer mit Geballer und Krawall, auch wenn er eine gewisse, trashige Note nicht verhehlen kann, die daher rührt, dass eben alles eine Spur zu überzogen, zu konstruiert, zu gewollt wirkt, als dass man die Story im wahren Leben verorten könne.
Nichtsdestotrotz scheint es, als sei sich O’Connor dieses Umstandes durchaus bewusst und so nutzt er die Gelegenheit auch für allerlei schwarzhumorige Einschübe, während es beispielsweise Jon Bernthal (The Punisher) sichtlich Freude bereitet, einen ungemein abgeklärten und skrupellosen Auftragskiller geben zu dürfen, der – obwohl er sich in Sachen Handgreiflichkeiten überraschend zurückhält – weit bedrohlicher wirkt als viele seiner Artgenossen. Ähnlich geht es J.K. Simmons (Whiplash), der als Leiter der Steuerfahndung in Erscheinung tritt und zwar vergleichsweise wenig zu tun bekommt, aber dennoch ein dankbarer und charismatischer Abnehmer für den Part ist, der zumindest im letzten Drittel noch ein wenig Bewandtnis bekommen wird. Bewandtnis ist hier übrigens Umschreibung für einen eher unaufgeregten, eher unspektakulären kleinen Twist, wie sie The Accountant öfter parat hält, ohne viel Aufhebens darum zu machen, was nur gut und richtig ist, denn die meisten dieser "Überraschungen" sieht man schon eine halbe Stunde vorher kommen. Last but not least wäre aber natürlich auch noch Anna Kendrick (Mr. Right) zu nennen, die hier als Dana Cummings die Geschichte im Grunde überhaupt erst ins Rollen bringt, weil sie es ist, der als erstes die Unstimmigkeiten in den Büchern von "Living Robotics" auffallen, womit sie natürlich auch schnell ins Visier von Parteien gerät, denen nicht unbedingt daran gelegen ist, dass ihre Machenschaften offenbar werden.
© Warner Home Video
Auch hier drücke ich mich bewusst vage aus, obwohl es nicht schwer zu erraten ist, wer oder was nun hinter der Sache steckt, doch bezieht The Accountant aus diesen Umständen erzählerisch auch gar nicht so sehr seinen Reiz, sondern punktet stattdessen mit einer verschachtelten Erzählweise, einem überraschend antiklimatischen Finale und anderen dramaturgischen Spielereien, die über so manch formelhaften Ansatz die meiste Zeit hinwegtäuschen. So ist der Film mitnichten frei von Mängeln und muss auch leider die ein oder andere Länge für sich verbuchen, weil teils die Erörterungen ausufernder sind als das, was man dem Zuschauer eigentlich nur offenbaren möchte, doch ändert das nichts daran, dass der Film die meiste Zeit erfrischend anders und unverbraucht daherkommt und als auf Hochglanz polierte Pulp-Story eine ungemein gute Figur macht. Und tatsächlich ist dieser vielseitig talentierte, analytisch denkende, aber auch unnahbare Protagonist Christian Wolff genau der Stoff, aus dem erfolgreiche Filmreihen gemacht sind, weshalb ich nichts dagegen hätte, sollten sich hier die Hinweise auf eine Fortsetzung demnächst hoffentlich wieder verdichten, nachdem es in letzter Zeit doch eher ruhig um das Nachfolge-Projekt geworden ist.
The Accountant
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Alltägliche Herausforderungen für einen hochfunktionalen Autisten - 7.5/10
7.5/10
Fazit & Wertung:
Gavin O’Connor präsentiert mit The Accountant einen selbstbewusst über sein Trash-Appeal hinwegsehenden Action-Thriller, der mit reichlich schwarzem Humor, virtuoser Inszenierung und einer ganzen Riege mehr als fähiger DarstellerInnen locker darüber hinwegtäuscht, dass die Prämisse des Ganzen kaum einer näheren Betrachtung standhält. Das macht aber in Anbetracht der spannenden und gekonnt skizzierten Hauptfigur und des wendungsreichen Plots aber kaum etwas aus, so dass hier von meiner Warte aus gern eine Fortsetzung ins Auge gefasst werden dürfte.
The Accountant ist am 02.03.17 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Warner Home Video erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
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