Review: Die Kälte im Juli | Joe R. Lansdale (Buch)

Eigentlich ist ja viel zu gutes Wetter zum Bloggen, aber andererseits setzt der Titel des heutigen Buches, wenn der Monat auch gerade schon rum ist, einen schönen Kontrapunkt zu den derzeitigen Temperaturen und überhaupt, bei bestem Wetter passt eine Buch-Empfehlung doch eigentlich immer, oder!?

Die Kälte im Juli

Cold in July, USA 1989, 272 Seiten

Die Kälte im Juli von Joe R. Lansdale | © Heyne
© Heyne

Autor:
Joe R. Lansdale
Übersetzer:
Teja Schwaner

Verlag (D):
Heyne Verlag
ISBN:
978-3-453-41818-9

Genre:
Drama | Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Es war eigenartig, aber als ich in den Flur trat, wurde ich mir der Wände des Hauses bewusst, und ich spürte, wie eng der Flur tatsächlich war. Sogar die Decke erschien mir niedrig und erdrückend, und ich konnte den Teppichflor zwischen meinen Zehen spüren. Er kam mir so scharf wie Nadeln vor. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, ob die Noppen wohl hoch genug waren, um sich darin zu verstecken.

Familienvater Richard Dane kann es kaum fassen, als er sich eines Nachts gezwungen sieht, einen Einbrecher in Notwehr zu erschießen, nachdem dieser das Feuer auf ihn eröffnet hat. Das Familienidyll ist zunächst zerstört, auch wenn der zuständige Polizist Price ihm zu vermitteln versucht, dass er das einzig Richtige getan habe. Dane versucht zumindest, zur Normalität zurückzukehren, doch bald schon stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten um Freddy Russell handelte, dessen Vater Ben ein verurteilter Straftäter ist, der jüngst aus dem Gefängnis entlassen worden ist und der ein nachvollziehbares Bedürfnis hat, den Mörder seines Sohnes aufzusuchen.

Richard kann nicht glauben, wie ihm geschieht, als Ben Russell ihm alsbald schon auf dem Parkplatz auflauert und sieht ob der unverhohlenen Drohungen des Mannes seine Frau Ann und auch seinen Sohn Jordan in akuter Gefahr und bittet Price um dessen Hilfe. Der bittet wenn auch widerwillig seine Hilfe an, doch die Situation eskaliert und infolge der schockierenden Ereignisse wird Richard Dane mehr und mehr klar, dass nicht jeder ihm die Wahrheit gesagt hat in Bezug auf die Person, die er vor wenigen Nächten erst in seinem eigenen Heim hat erschießen müssen.

Rezension:

Joe R. Lansdales Die Kälte im Juli war ja nun nicht mein erster oder zweiter Roman des texanischen Autors und doch wusste er mich auch hier wieder zu überraschen, denn während beispielsweise Die Wälder am Fluss und Ein feiner dunkler Riss durchaus in eine ähnliche Kerbe schlagen, was Art der Handlung und den Protagonisten anbelangt, geht er hier mit seinem mittlerweile rund ein Vierteljahrhundert alten Werk – welches übrigens als Kalt brennt die Sonne über Texas bereits 1997 im Rowohlt Verlag veröffentlicht worden ist und jüngst als Cold in July mit Michael C. Hall als Richard Dane verfilmt worden ist – merklich andere Wege und hat mich im Verlauf der Handlung mehr denn je zu überraschen gewusst, denn der eigentliche Ausgangspunkt der Geschichte, dass Familienvater Dane des nächstens in Notwehr einen Einbrecher erschießt und daraufhin mit der Rache des Vaters des verstorbenen Mannes zu rechnen hat, bildet nur den Ausgangspunkt für eine immer mehr Kapriolen schlagende Story, deren weiteren Verlauf man kaum zu erahnen vermag, während sich die auch im Klappentext zu findende Inhaltsangabe bereits auf den ersten rund achtzig Seiten erschöpft.

Ich steckte den Revolver in die Tasche meines Morgenmantels und machte ein paar taumelnde Schritte. Der Raum wurde heiß, schien wie Wachs zu schmelzen und ich mit ihm. Ich sackte zusammen und streckte meine Hände aus. Ich griff nach den Knien des Toten, um nicht ganz zu Boden zu gehen. Ich konnte das Schwinden seiner Körperwärme durch die Hosen spüren.

Erhellend zum Verständnis der Geschichte trägt derweil bei, dass die Neuausgabe des Heyne Verlages noch im gleich zwei Nachworte ergänzt worden ist, wobei ich hier speziell die Worte von Lansdale selbst hervorheben möchte, der zu seinem eigenen Werk Stellung nimmt und erörtert, wie es zu der Idee und Umsetzung der Geschichte kam. Die Kälte im Juli beginnt also dementsprechend mit nur wenigen Überraschungen und verläuft zunächst in recht geordneten Bahnen, doch mit jedem weiteren der oft extrem knapp bemessenen Kapitel, die übrigens samt und sonders aus der Ich-Perspektive von Richard Dane geschildert werden und damit Dringlichkeit und den unmittelbaren Charakter des Erlebten noch unterstreichen, fügt Lansdale ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu und ist sich für keine Wendung zu schade, die nicht nur die Rahmenhandlung und Prämisse mehr als einmal rundheraus auf den Kopf stellt, dabei aber doch in sich immer schlüssig und nachvollziehbar bleibt, wenn man einmal unberücksichtigt lässt, dass zumindest Danes Absichten ein Stück weit auch schlicht akzeptiert werden müssen und für Außenstehende nicht immer hundertprozentig nachvollziehbar sind.

Doch auch hierfür findet der Autor Lösungen und stellt immer wieder recht diffizil heraus, warum Dane handelt, wie er handelt, ohne dass er sich gegenüber dem Leser erklären müsste. Überhaupt gehört eine glaubhafte Figurenzeichnung ja schon seit jeher zu den Stärken des Texaners und so überzeugt auch hier jede einzelne Figur, wenngleich das Konsortium an Protagonisten und Antagonisten diesmal durchaus begrenzt ist, wohingegen sich dafür auch mal Feind zu Freund wandelt. Einzig Danes Ehefrau wirkt leider oftmals ein wenig stereotyp und scheint sich ihrem Mann nur allzu bereitwillig für Mitleids- oder Aufmunterungssex anzubieten, was wohl eher männlichen Wunschträumen als einer nachvollziehbaren Charakterskizze geschuldet sein mag, doch davon abgesehen handelt auch sie durchaus nachvollziehbar, steht aber sowieso kaum im Zentrum der Handlung, die sich ganz auf Dane und Russell, später noch den Ermittler Jim Bob Luke – der auch gleich den Part des spleenigen Sidekicks übernehmen darf – konzentriert und kaum Platz lässt für die sie umgebenden Randfiguren.

«Wundern Sie sich nicht. Manchmal sind Burschen wie der mit Absicht unvorsichtig, weil sie hoffen, erwischt zu werden und wieder in den Knast zu kommen, wo sie´s leichter haben. Oder sie hoffen, dass sie sich was Längerfristiges einfangen. ´ne Kugel zum Beispiel.»
«Er hatte nicht vor, sich umbringen zu lassen, als er auf mich schoss.»
Price lächelte. «Gut gesagt. Soviel zur Amateurpsychologie.»
«Danke, dass Sie versuchen, mich aufzumuntern. Sehr anständig von Ihnen.»

Doch auch davon abgesehen verzichtet Lansdale in Die Kälte im Juli auf unnötige Nebenschauplätze und Schlenker in der Handlung, sondern braust zielgerichtet zum unerwarteten und unerwartet blutigen Finale, das man sich in dieser Form sicher zu Beginn in keiner Weise erwartet hätte, weshalb man selbst nach Beendigung des Romans noch ins Staunen darüber gerät, wie man auf gerade einmal 250 Seiten vom Ausgangspunkt der Erzählung zu dessen Ende hat gelangen können, doch macht dies mitunter die Faszination dieses kleinen Büchleins aus, das auch ich beinahe in einem Stück verschlungen habe und kaum noch aus der Hand zu legen wusste, so eindringlich und packend sind die Schilderungen Danes geraten, dem man nichts sehnlicher wünscht als ein Happy-End, doch dessen innere Dämonen auch verstehen lassen, weshalb er sich gemeinsam mit mehr oder zwielichtigen Gestalten immer tiefer in einen immer unentrinnbarer werdenden Strudel ziehen lässt, der tief an die Substanz geht.

Fazit & Wertung:

Auf rund 250 Seiten gelingt Joe R. Lansdale in seinem Roman Die Kälte im Juli das Kunststück, eine ganz und gar unvorhersehbare, von Wendungen und schockierenden Ereignissen geprägte Handlung voranzutreiben, die kaum noch dazu befähigt, das Buch auch nur eine Minute aus der Hand zu legen und einmal mehr unter Beweis stellt, weshalb der Texaner unbestreitbar zu den Größen seiner Zunft zählt und das, obwohl seine Geschichte mittlerweile mehr als 25 Jahre alt ist.

9 von 10 unabwendbaren Entscheidungen

Die Kälte im Juli

  • Unabwendbare Entscheidungen - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Auf rund 250 Seiten gelingt Joe R. Lansdale in seinem Roman Die Kälte im Juli das Kunststück, eine ganz und gar unvorhersehbare, von Wendungen und schockierenden Ereignissen geprägte Handlung voranzutreiben, die kaum noch dazu befähigt, das Buch auch nur eine Minute aus der Hand zu legen und einmal mehr unter Beweis stellt, weshalb der Texaner unbestreitbar zu den Größen seiner Zunft zählt und das, obwohl seine Geschichte mittlerweile mehr als 25 Jahre alt ist.

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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Heyne Verlag. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Die Kälte im Juli ist am 09.03.15 als Paperback bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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