In dem Kontext der jüngst verlautbarten Absetzung der gleichnamigen Fernsehserie kommt die heutige Buch-Kritik mit einem lachenden und einem weinenden Auge daher, denn einerseits wäre es wirklich schade, würde diese großartige Sci-Fi-Show nicht von einem anderen Sender aufgegriffen werden, andererseits ist es beruhigend zu wissen, dass zumindest noch einige Bücher auf den geneigten Fan der Reihe warten, denn Ende 2018 erscheint schon der achte Band der Reihe und dessen Nachfolger scheint für 2019 bereits in trockenen Tüchern zu sein. Da bin ich ja aber noch längst nicht, weil ich auf die deutschsprachige Taschenbuchausgabe zurückgreife und entsprechend reden wir heute über:
Cibola brennt
Expanse-Serie 4
Cibola Burn (The Expanse Series Book 4), USA 2014, 656 Seiten
© Heyne
James Corey
Jürgen Langowski
Heyne
978-3-453-31804-5
Science-Fiction | Mystery | Thriller
Inhalt:
Der kupferne Geschmack der Angst erfüllte Basias Mund. Auch er starrte in die Finsternis empor. Eine Milliarde unbekannte Sterne, anscheinend ein und dieselbe Milchstraße, wie alle glaubten, aber aus einem ganz anderen Blickwinkel. Hektisch hielt er hier und dort Ausschau, dann erfasste er die Bewegung. Sie war fast unmerklich, vergleichbar mit dem Minutenzeiger einer analogen Uhr, aber er sah sie. Die Landeeinheit war unterwegs, das Lasten shuttle steuerte die Landeplattform an.
Nachdem der ominöse Ring geöffnet ist und als Portal zu einer Vielzahl fremder Welten fungiert, die dereinst von der unbekannten, verschwundenen Alienrasse besiedelt worden sind. Während man sich auf Erde und Mars noch um Zuständigkeiten und Rechte zankt, hat die AAP eine vermeintlich sichere Blockade nahe des Rings errichtet, wobei es einer Schar Flüchtlinge von Ganymed gelungen ist, durchzustoßen und sich als Kolonisten auf dem Planeten Ilus niederzulassen. Dumm nur, dass derweil der Konzern Royal Charter Energy – kurz RCE – den Zuschlag für Ilus bekommen hat – von der UN auf den Namen Neuterra getauft – und sich anschickt, die Kolonisten als vermeintliche Besetzer zu vertreiben. So kommt es bereits bei der ersten Ankunft des Shuttles der RCE zu einem Anschlag, der das Schiff nebst Landeplatz zerstört und einige Todesopfer fordert. Schnell verhärten sich die Fronten und Chrisjen Avasarala fasst den Plan, James Holden und die Crew der Rosinante als unparteiische Vermittler nach Ilus/Neuterra zu schicken, um einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. Die kleinlichen Grabenkämpfe geraten allerdings alsbald zur Nebensache, als die seit Milliarden Jahren schlummernde Alien-Technologie sich ob der Neuankömmlinge zu regen beginnt…
Rezension:
Bekanntermaßen bin ich bisher von James Coreys Expanse-Serie in einer Tour begeistert gewesen und diese Reihe lässt sich nun mit Coreys – hinter dem sich erneut die Autoren Daniel Abraham und Ty Franck verbergen – Cibola brennt beinahe vorbehaltlos fortsetzen, denn der nunmehr vierte Vertreter der Reihe steht seinen Vorgängern in kaum etwas nach, wenn man einmal davon absieht, dass ich diesmal hinsichtlich der durchaus üppigen rund 650 Seiten Umfang der Meinung gewesen bin, hier hätten sich einzelne Passagen oder Begegnungen durchaus ein wenig straffen lassen können. Das lässt sich besonders schön belegen daran, dass es beinahe hundert Seiten braucht, bis Holden und Co. überhaupt in Erscheinung treten. Bis dahin wurden uns allerdings der Ilus-Kolonist Basia Merton, die RCE-Wissenschaftlerin Elvi Okoye und der Sicherheitsoffizier Havelock vorgestellt, der ebenfalls unter der Leitung von Konzernsicherheitschef Murtry für die Royal Charter Energy tätig ist. Die Figurenwahl kommt logischerweise nicht von ungefähr und so platziert Corey die Charaktere an strategischen Punkten innerhalb des beinahe überschaubar zu nennenden Kosmos, der sich über den Planeten Neuterra und dessen Siedlung Erstlandung bis zur Israel erstreckt, dem Schiff der RCE. Als versierter Leser der Buchreihe ist man es natürlich aber auch längst gewöhnt, sich mit einem stets neuen Figurenkonsortium konfrontiert zu sehen, was hier noch weitaus naheliegender sein mag, da wir – und somit auch Holden und die Rosinante – erstmals über die Grenzen des Universums ins Unbekannte vorstoßen.
Es war ein Artefakt. Ruinen. Irgendein geheimnisvolles Gebäude, das die fremde Zivilisation zurückgelassen hatte. Die Schöpfer des Protomoleküls und der Ringe. Jetzt war es verlassen und leer. Auf einmal erinnerte Elvi sich lebhaft an eine Kunstausstellung, die sie als kleines Mädchen besucht hatte. Ein großes Bild hatte ein Fahrrad in einem Graben außerhalb der Ruinen von Glasgow gezeigt. Die Überreste einer Katastrophe, zusammengefasst in einem einzigen Bild, so komprimiert und zugleich beredt wie ein Gedicht.
Nichtsdestotrotz schöpft Corey aus dem reichen Fundus an Figuren, Orten und Begebenheiten, so dass es sich bei Basia um einen Bekannten des in Calibans Krieg eingeführten Prax, derweil Havelock zusammen mit Detective Miller in Leviathan erwacht auf der Ceres Station gearbeitet hat. Solche Überschneidungen sind natürlich nett für den aufmerksamen Leser der Reihe, doch stört es tatsächlich zumindest in diesem Zusammenhang auch kaum, würde man die vorangegangenen Teile nicht kennen. Vielmehr fällt das aber ins Gewicht, wenn es um die Erwähnung des Protomoleküls und dessen Herkunft geht, zumal auch die geisterhaft blau-schimmernde Miller-Erscheinung hier wieder mit von der Partie ist und erneut eine in Relation betrachtet irritierend aktive Rolle übernimmt. Wesen, Sinn und Zweck des "Geister"-Miller wird hier übrigens mit Zwischenspielen verdeutlicht, die mit "Der Ermittler" betitelt sind und ein wenig hinter die Fassade des Protomoleküls blicken lassen, was mir als Exkurs ausnehmend gut gefallen hat.
Obwohl also Cibola brennt vergleichsweise langsam in Fahrt kommt, lohnt es sich durchaus, am Ball zu bleiben, zumal die Zwistigkeiten zwischen Kolonisten und Kornvertretern durchaus spannend und nachvollziehbar geschildert werden und durch Holdens Eintreffen noch den gewissen Kniff verliehen bekommen. Dennoch bekommt Coreys vierter Vertreter der Expanse-Reihe erst so richtig Aufwind, wenn sämtliche Figuren in Stellung gebracht worden sind und der Umstand, dass man sich auf einem ehemaligen Planeten der unbekannten Alienrasse befindet, so richtig zum Tragen kommt. Hier wartet der Autor nämlich mit einer ungemeinen Zuspitzung der Ereignisse und des damit verbundenen Gefahrenpotentials auf, was in dieser Form schnell konstruiert hätte wirken können, sich dank sorgfältiger Vorarbeit aber absolut stimmig und organisch in das Geschehen bettet. Derweil die Reihe nämlich schon des Öfteren für ihre physikalisch vergleichsweise akkuraten Schilderungen gelobt worden ist, lässt sich dies nun auch von der unbekannten Biosphäre auf Ilus behaupten, die natürlich ganz anders sein mag als auf "unserer" Erde, in der geschilderten Form aber absolut stimmig wirkt.
Murtry war schon dort. Der kleine Mann besaß eine Energie, die von ihm ausstrahlte wie eine Hitzewelle. Havelock war bekannt, dass der Sicherheitschef sein Leben lang in Firmengefängnissen und bei den Wachdiensten großer Unternehmen gearbeitet hatte. Dank dieses Hintergrundes und da er auf der Israel ohnehin der Boss war, hatte er es nicht nötig, sich um den Respekt seines Teams sonderlich zu bemühen. Die Informationsspezialistin Chandra Wei und Hassan Smith, der zweite Mann bei Bodenoperationen, schwebten mit grimmigen Mienen neben ihm.
Last but not least hat es mir enorm imponiert, dass Holden hier noch einmal zusätzliches Profil verliehen bekommt und weit mehr zum aktiven Handeln befähigt wird, als immer nur auf äußere Einflüsse reagieren zu müssen. Ähnlich verhält es sich mit Amos, der mir selten so präsent erschien wie in Cibola brennt, denn wo er sonst oft nur die dritte bis vierte Geige gespielt hat, ist er es diesmal, der Holden nach Ilus begleitet, während Alex und Naomi zunächst auf der Rosinante verbleiben, aber ebenfalls ihren Anteil an der Geschichte spendiert bekommen. So habe ich die Crew des marsianischen Kampfschiffs selten so dermaßen in Aktion erlebt, wie es hier der Fall war, derweil die Geschichte selbst sich im Vergleich "kleiner" anfühlt als zuvor, da das Geschehen samt und sonders auf den entlegenen Planeten abstellt und die klassischen Flüge von A nach B und C hier keine Rolle spielen. Das dürfte sich im nächsten Band Nemesis-Spiele bereits wieder gänzlich anders verhalten, derweil hier zum Ende hin bereits angeteasert wird, welche ebenfalls bekannten Figuren dort wieder an Bord sein dürften, doch bis dahin ist der vierte Band eine erwartungsgemäß gelungene und routiniert dargebrachte Abwechslung, die einzig um ein paar wenige Seiten und Nebenhandlungen hätte gekürzt werden dürfen, um noch schnittiger zu wirken.
Cibola brennt – Expanse-Serie 4
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Differenzen zwischen Kolonisten und RCE - 9/10
9/10
Kurzfassung
Auch Cibola brennt – Expanse-Serie 4 vermag es, das hohe Niveau seiner Vorgänger zu halten und neue Aspekte um Holden, das Protomolekül und dessen Wesen und Herkunft aufzugreifen. Speziell in der ersten Hälfte vermag die sich zunächst langsam entfaltende Story noch nicht vollumfänglich zu fesseln, steigert sich aber mit jedem Kapitel bis hin zu einem gewohnt epischen Showdown, der wiederum den nächsten Band kaum erwarten lässt.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne.
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Cibola brennt ist am 10.04.18 als Taschenbuch bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!
Falls du es noch nicht mitbekommen hast: Nach übereinstimmenden US-Medienberichten befindet sich Amazon in aussichtsreichen Verhandlungen, die TV-Serie fortzuführen. :-)
Doch doch, habe ich mitbekommen, aber erst einmal abwarten, ob das denn dann auch wirklich was wird. Daumen drücken tue ich aber auf alle Fälle! :)