Review: Nemesis-Spiele – Expanse-Serie 5 | James Corey (Buch)

Wie schon im Rahmen der Montagsfrage angekündigt, geht es heute um den jüngst (als Taschenbuch) erschienenen fünften Band der Expanse-Serie, die mich einmal mehr zu fesseln und zu begeistern gewusst hat, wie ich nachfolgend gern konkretisieren möchte.

Nemesis-Spiele
Expanse-Serie 5

Nemesis Games (The Expanse Series Book 5), USA 2015, 608 Seiten

Nemesis-Spiele von James Corey | © Heyne
© Heyne

Autor:
James Corey
Übersetzer:
Jürgen Langowski

Verlag (D):
Heyne
ISBN:
978-3-453-31940-0

Genre:
Science-Fiction | Mystery | Thriller

 

Inhalt:

Ein Jahr nach dem Angriff auf Callisto, fast drei Jahre nach dem Aufbruch mit seiner Crew nach Ilus und etwa sechs Tage nach ihrer Rückkehr schwebte James Holden neben seinem Schiff und sah dem Abbruchteam dabei zu, wie es die Rosinante zerlegte. Acht straff gespannte Kabel verankerten das Schiff an den Wänden des Liegeplatzes. Es war nur einer unter vielen im Reparaturdock der Tycho-Station, und diese Abteilung war nur eine unter vielen in der riesigen Konstruktionsanlage. In der kilometergroßen Kugel waren gleichzeitig noch tausend andere Projekte im Gange, aber Holden hatte nur Augen für sein Schiff.

Beinahe drei Jahre sind vergangen, seit Holden mit seiner Crew nach Ilus aufgebrochen ist und der Ring – das Portal zu unzähligen, unerforschten Welten – lockt noch immer Kolonisten, Abenteurer und Draufgänger sondergleichen an, während Erde, Mars und AAP sich noch immer die üblichen Grabenkämpfe liefern. Das alles tangiert die Crew der Rosinante nach ihrer Rückkehr aber wenig, denn während sie sich auf der Tycho-Station befinden, muss ihr geliebtes Schiff einer mehrere Monate in Anspruch nehmenden Generalüberholung unterzogen werden. Zur Untätigkeit verdammt, entschließt Amos sich kurzerhand aus persönlichen Gründen, der Erde einen Besuch abzustatten und auch Alex kündigt alsbald eine Art Urlaub an. Hatte holden bei deren Verabschiedung allerdings schon ein mulmiges Gefühl im Bauch, trifft es ihn regelrecht wie ein Schlag, als auch Naomi andeutet, für einige Zeit verschwinden und etwas erledigen zu müssen, zumal sie sich außerstande sieht, ihm irgendwelche Details zu verraten. Plötzlich ist Holden allein auf der Tycho-Station und da erscheint ihm selbst ein Treffen mit der Journalistin Monica Stuart als willkommene Abwechslung, zumal sie ihn prompt in einen mehr als mysteriösen Fall einer Reihe spurlos verschwundener Schiffe verwickelt, hinter dem sich mit ziemlicher Sicherheit noch weitaus mehr verbirgt, als es zunächst den Anschein hat…

Rezension:

Nach Monaten des Wartens ist nun also auch endlich Nemesis-Spiele, der fünfte Band der noch immer stetig wachsenden Expanse-Serie als Taschenbuch erschienen und wieder einmal konnte ich kaum an mich halten, mit der Lektüre zu beginnen, so dass ich die rund 600 Seiten in nur wenigen Tagen regelrecht inhaliert habe. Dabei beginnt dieser Band sogar vergleichsweise gemächlich und statt sich direkt kopfüber ins nächste Abenteuer zu stürzen, hat die vierköpfige Crew der Rosinante hier erst einmal ausgiebig Zeit, kontemplative Selbstreflexion zu betreiben, zumal ihr Schiff gehörig in Mitleidenschaft gezogen worden ist und es Monate dauern soll, bis ihre fliegende Heimat wieder raumtauglich sein wird. Während Amos nun lediglich wortkarg verlauten lässt, in ihrem "Zwangsurlaub" gen Erde reisen zu wollen, beschließt Alex, seinerseits dem Mars einen Besuch abzustatten und endlich einen Schlussstrich unter seine verpatzte Beziehung zu ziehen, die in der Vergangenheit bereits mehrfach Erwähnung gefunden hat. Am spannendsten aber mag Naomis Part sein, die wiederum unvermittelt von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, über die man als Leser bislang beinahe völlig im Unklaren gelassen worden ist.

»Es ist doch so«, schaltete sich Holden ein. »Wenn es weiter so läuft wie bisher, wird es für ein privates Kriegsschiff wahrscheinlich ziemlich schwer, neue Auftraggeber zu finden.«
Amos lachte. »Lass mich vorsorglich sofort ein ›Ich hab’s doch gleich gesagt‹ einwerfen. Denn wenn sich mal wieder herausstellt, dass es anders kommt, bin ich möglicherweise gar nicht mehr da, um darauf herumzureiten.«

So ist Nemesis-Spiele im Grunde auch der bislang persönlichste Band der Reihe, denn endlich erfährt man ein wenig mehr über die einzelnen Crew-Mitglieder, während bislang Holden eindeutig und unumstößlich im Vordergrund gestanden hat und insbesondere Alex und Amos doch eher skizzenhaft charakterisiert worden sind. Hier nun aber bedienen sich die Autoren Abraham und Franck – Entschuldigung, natürlich James Corey – nicht wie sonst üblich weiterer Figuren, um unterschiedliche Blickwinkel auf ihr stetig wachsendes Universum zu ermöglichen, sondern erzählen die Geschichte stattdessen aus dem Blickwinkel der Rosinante-Besatzung, was einem die ohnehin längst liebgewonnenen Figuren noch einmal deutlich näher bringt (und zumindest in den folgenden zwei Bänden beibehalten werden wird). Grob die erste Hälfte des Buches mag dabei zwar durchaus beschaulich geraten sein, doch verzeiht man das einerseits aufgrund der tiefer gehenden Charakterisierung, andererseits in dem Wissen, dass hier die notwendigen Weichen für ein fulminantes Finale gestellt werden, das sich letztlich aber im Grunde auch nur als Vorgeschichte zu Babylons Asche, dem sechsten Teil der Reihe entpuppt. Die Geschichte mag nämlich durchaus in sich abgeschlossen sein, doch sowohl der auf den letzten Seiten befindliche Cliffhanger als auch die vielen losen Enden verstärken das Gefühl, es mit einem ausgedehnten Prolog zu tun zu haben.

Was aber auf den ersten Blick abwertend klingen mag, ist so überhaupt nicht gemeint, sondern soll lediglich unterstreichen, wie eng verzahnt die Geschichte mittlerweile ist, die man natürlich bestmöglich chronologisch und vollständig genießt, während man beispielsweise den direkten Vorgänger-Band Cibola brennt noch vergleichsweise ohne größere Vorkenntnisse hätte genießen können, was den Kern-Plot auf dem Kolonieplaneten Ilus anbelangt. Hier aber erstreckt sich die Geschichte beinahe auf die gesamte, bisher bekannte Welt des Expanse-Universums und reicht von der Erde über Luna, die Tycho-Station bis hin zum Mars und darüber hinaus, wobei der Ring und damit das Protomolekül hier erstmalig eine ganz und gar untergeordnete Rolle spielt. Ebenfalls wartet Nemesis-Spiele aber auch mit weiteren, alten Bekannten wie Chrisjen Avasarala oder Bobbie Draper auf, um nur die zu nennen, die nicht den Fortgang der Handlung nachhaltig spoilern würden, womit der Eindruck einer lebendigen, glaubhaften, sich entwickelnden Welt nur noch verstärkt wird.

Schweigen breitete sich aus. »Aber du kommst doch wieder zurück, oder?«, fragte Naomi.
»Ich will’s versuchen.« Alex entging nicht, dass die Antwort ehrlicher war als ein einfaches Ja. Amos wollte zurückkommen, aber es konnte alles Mögliche geschehen. In all den Jahren, die sie zusammen auf der Canterbury und der Rosinante geflogen waren, hatte Amos so gut wie nie, und wenn überhaupt, dann höchstens in sehr allgemeinen Begriffen, über seine Vergangenheit auf der Erde gesprochen. Alex fragte sich, ob es daran lag, dass die Vergangenheit nicht erwähnenswert war, oder ob sie zu schmerzlich war, um sich an sie zu erinnern. Bei Amos war es sogar denkbar, dass beides zugleich zutraf.

Überhaupt sind es auch hier wieder packende Schilderungen, ein großangelegter, sorgsam ineinander verschachtelter Plot und eine nachvollziehbare Welt, die zusammen die großen Stärken der Buchreihe ergeben, die sich gleichermaßen als Space Opera wie auch Abenteuer-Story, als Krimi und zuweilen gar Charakter-Drama zu behaupten weiß und ihren Kult-Status völlig zu Recht genießt, auch oder gerade weil Nemesis-Spiele in vielen Belangen anders ist als die vorherigen vier Bände. Und wem die erste Hälfte des Bandes wirklich zu ruhig oder unspektakulär geraten sein mag, der möge sich bitte bis zur Halbzeit gedulden, wenn nicht nur die sprichwörtliche Hölle losbricht, sondern auch die einzelnen Plots wenn auch zunächst langsam ineinander zu driften beginnen. Spätestens hier nämlich spielt Corey wieder sämtliche Stärken aus, für die die Reihe geliebt wird, wobei mir persönlich auch der etwas intimere, unaufgeregtere Blick auf die Gedanken und Gefühle – nicht zuletzt auch die Vergangenheit – der einzelnen Crew-Mitglieder sehr gut gefallen hat.

Fazit & Wertung:

Mit Nemesis-Spiele – Expanse-Serie 5 geht das Autoren-Duo hinter dem Pseudonym James Corey in vielerlei Hinsicht neue Wege und lässt erstmalig aus dem Blickwinkel der gesamten, vierköpfigen Besatzung der Rosinante, die hier – ebenfalls ungewohnt – im halben Universum verstreut sind. Das Protomolekül mag in dieser Erzählung zwar nur eine untergeordnete Rolle spielen, doch liest sich dieser auf persönliche wie politische Konflikte fokussierende Band dadurch nicht weniger spannend, zumal er in weiten Teilen Wegbereiter für eine (noch) epischere Fortsetzung zu sein scheint, die man nach der Lektüre kaum noch erwarten dürfte.

9 von 10 Differenzen zwischen Erde und Mars

Nemesis-Spiele – Expanse-Serie 5

  • Differenzen zwischen Erde und Mars - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Mit Nemesis-Spiele – Expanse-Serie 5 geht das Autoren-Duo hinter dem Pseudonym James Corey in vielerlei Hinsicht neue Wege und lässt erstmalig aus dem Blickwinkel der gesamten, vierköpfigen Besatzung der Rosinante, die hier – ebenfalls ungewohnt – im halben Universum verstreut sind. Das Protomolekül mag in dieser Erzählung zwar nur eine untergeordnete Rolle spielen, doch liest sich dieser auf persönliche wie politische Konflikte fokussierende Band dadurch nicht weniger spannend, zumal er in weiten Teilen Wegbereiter für eine (noch) epischere Fortsetzung zu sein scheint, die man nach der Lektüre kaum noch erwarten dürfte.

9.0/10
Leser-Wertung 9.5/10 (2 Stimmen)
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Heyne.

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Nemesis-Spiele ist am 13.08.18 als Taschenbuch bei Heyne erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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