So, heute ist Bescherung, denn nachdem für mich schon vorgestern Bescherung war, weil ich ein Blu-Ray-Rezensionsexemplar von Drive im Briefkasten hatte, gibt es für euch im Gegenzug heute meine nächste Mega-Kritik, bei der ich viel Spaß wünsche!
Drive
Drive, USA 2011, 100 Min.
© Universum Film
Nicolas Winding Refn
Hossein Amini
Bryan Cranston (Shannon)
Christina Hendricks (Blanche)
Ron Perlman (Nino)
Oscar Isaac (Standard)
Albert Brooks (Bernie Rose)
Thriller | Drama | Krimi
Trailer:
Inhalt:
Der namenlose Protagonist wird von allen nur „Driver“ genannt, denn fragt man ihn, was er mache, entgegnet dieser wortkarg: „ich fahre.“ Tagsüber verdingt er sich als Stuntfahrer beim Film und arbeitet in einer Autowerkstatt, nachts lässt er sich als Fluchtfahrer engagieren. Abgesehen von seinem Freund Shannon, dem Besitzer der Autowerkstatt, unterhält der Driver keine Sozialkontakte und lebt zurückgezogen in seinem kleinen Appartement. Das ändert sich, als er seine Nachbarin Irene kennenlernt und sie ihn aus seinem Versteck lockt. Ganz langsam entspinnt sich ein Band zwischen den beiden und auch um ihren Sohn kümmert sich der Driver rührend, doch die Situation schlägt abrupt um, als Irenes Mann Standard aus dem Gefängnis entlassen wird und nach Hause zurückkehrt.
Doch Standard steckt noch immer in Schwierigkeiten und kann mit seiner kriminellen Vergangenheit nicht abschließen und als der Driver Wind davon bekommt, dass möglicherweise auch Irene und ihrem Sohn Gefahr droht, bietet er Standard an, ihm bei seinem letzten Coup zu helfen, so dass er sich und seiner Familie die Freiheit erkaufen kann. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, welchen Strudel aus Gewalt er damit heraufbeschwört, doch ahnen die Kriminellen auch nicht, mit wem sie sich da anlegen.
Rezension:
Die Ursprünge:
Es war im Jahre 2005, da veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller James Sallis, der vor allem mit seiner Krimi-Reihe um Privatdetektiv Lew Griffin Bekanntheit erlangte, mit Drive einen weiteren Stand-Alone-Roman. Drei Jahre sollte es dauern, bis er für dieses Werk einerseits mit dem Deutschen Krimipreis – international ausgezeichnet wurde und Platz 1 in der KrimiZEIT-Bestenliste 2007 einnahm (damals übrigens noch KrimiWelt). Diesen Roman also nahmen sich nun die Produzenten Marc Platt und Adam Siegel vor und ließen ihn von Hossein Amini (bspw. Shanghai, Die vier Federn) zu einem Drehbuch adaptieren, wobei sich dieses ob der nicht-linearen und teils fragmentarischen Erzählweise wohl als äußerst herausfordernd darstellte.
Nachdem der Film dann schon Jahre zuvor mit Hugh Jackman in der Hauptrolle kurz angekündigt war verschwand er wieder in der Versenkung und tauchte erst 2010 wieder in der Berichterstattung auf.
Der Regisseur:
Nicolas Winding Refn gab mit Drive sein Hollywood-Debüt, was aber nicht bedeuten soll, dass er im Vorfeld keine Filme gedreht hätte. Die Wahl des Regisseurs oblag nämlich Hauptdarsteller Ryan Gosling, den man händeringend für die Rolle des Driver zu gewinnen suchte, obschon dieser bereits von der Figur sehr angetan war. Er forderte Refn und gab an, sich keinen anderen Regisseur für diesen Film vorstellen zu können und ohne etwas vorwegnehmen zu wollen, muss man einräumen, dass Gosling hier wohl den richtigen Riecher besaß und das, obwohl Winding Refn zuvor noch nie einen Action-Film gedreht hatte. Doch dieser Umstand, soviel sei ebenfalls schon verraten, macht genau die Faszination von Drive aus.
Die Darsteller:
Hatten sich also Regisseur und Hauptdarsteller gefunden, galt es freilich die weiteren Rollen zu besetzen. Zunächst einmal wäre da Irene, die weibliche Hauptfigur, die nach und nach ein zartes Band zum Driver knüpft und die dank Besetzung von Carey Mulligan und der umwerfenden Chemie zwischen Gosling und ihr zweifellos zu den am meisten anrührenden Romanzen der Filmgeschichte gezählt werden darf, weil sich selten so viel Glaubhaftigkeit in solch diffizilen Gesten und Blicken wiedergespiegelt hat wie bei diesem ungleichen und vom Pech verfolgten Paar.
Theoretisch hätte dieses umwerfende Zusammenspiel den restlichen Cast überschatten müssen, doch da sich Refn auch für die weiteren Rollen nicht lumpen ließ und beispielsweise – als großer Breaking Bad-Fan – Bryan Cranston verpflichten konnte, aber auch Christina Hendricks (Mad Men), Albert Brooks und Ron Perlman, flankieren diese teils wunderbar gegen den Strich besetzten Damen und Herren den namenlos bleibenden Driver aufs formidabelste und untermauern die hohe Qualität der gesamten Produktion.
Der Film:
Nach dem Vorgeplänkel wollen wir uns jetzt natürlich selbstredend auch dem Film als solchen widmen, der – wie ich vorausschicken darf – an inszenatorischer Wucht seinesgleichen sucht. Die Geschichte von Drive ist letztlich so klar wie einfach, aber die Art und Weise, wie hier in gänzlich dialoglosen Szenen eine nervenzerreißende Spannung aufgebaut wird kann schon als Referenz bezeichnet werden. Refn beschwört ein bedrückendes Achtziger Jahre Film-Noir-Setting und zieht dies konsequent bis zum letzten Atemzug durch und lässt die düsteren und ausdrucksstarken Bilder durch den von Cliff Martinez komponierten, ausgewählten und arrangierten Soundtrack zu einer Intensität anwachsen, dass einem Hören und Sehen vergeht, wenn Kamerafahrten über Los Angeles hinweg unweigerlich Gedanken an den vielbeschworenen Sündenpfuhl aufkeimen lassen.
Und obwohl teils treibende Beats das Geschehen untermauern ist Drive zu jedem Zeitpunkt so unterkühlt und beherrscht wie der namensgebende Driver. Hier braucht es keine übertrieben inszenierten Stunts, waghalsige Sprünge oder ohrenbetäubende Explosionen, sondern stattdessen nur handgemachte Action und einige wohlplatzierte aber dafür umso schockierender wirkende Gewaltspitzen, die aber nie selbstzweckhaft oder effekthascherisch daherkommen, sondern stets explizit im Fortgang der Geschichte begründet sind und tatsächlich nicht hätten fehlen dürfen, um dem Film nicht seine unbändige Kraft zu rauben.
Ansonsten bedient sich Refn aber gerne und häufig vieler inszenatorischer Spielereien wie Zeitsprünge, Zeitlupen- oder Makroaufnahmen und fügt diese ebenso nahtlos in seine Komposition aus Bild und Ton ein. Und obwohl ein Großteil der Figuren kaum drei Sätze miteinander zu wechseln bereit ist, hat man nie das Gefühl, durch das fehlende gesprochene Wort etwas zu vermissen, weil hier wirklich Blicke und Taten für sich sprechen. Daher rührt im Übrigen auch die Intensität der oben angesprochenen Romanze zwischen Irene und dem Driver, weil hier auf derart feinfühlige und subtile Art und Weise das zarte Anbahnen von Gefühlen angedeutet wird, dass die beinahe als im besten Sinne pathetisch zu beschreibende Kulmination in ihrer romantisch verklärten Darstellungsweise sich mühelos in die Reihe anbetungswürdiger Szenen in Drive reiht, welche schon mit der furiosen Einführungs-Verfolgungsjagd ihren Anfang nimmt, welche die Weichen stellt für die vorherrschende Atmosphäre.
Die Literaturverfilmung gibt sich im Grunde wie ein B-Movie, will Krimi-Noir sein und gleichsam könnte man die elegische Geschichte mit ihrer schnörkellosen Inszenierung ebenso im Arthouse-Bereich ansiedeln und von einer im Grunde existenzialistischen Erzählung sprechen, die mit wenigen, aber wohlplatzierten Parabeln aufzuzeigen weiß, warum die agierenden Charaktere handeln wie sie handeln und warum sie nicht anders können. Drive verquickt auf die nur beste Art und Weise Kunst und Kommerz und schafft es, sich den Charme einer Indie-Produktion zu bewahren und gleichzeitig mit einer Hollywood-Präsenz aufzutrumpfen, dabei aber zutiefst ehrlich und menschlich, vor allem aber kompromisslos zu sein.
Drive
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Fahrten durch das nächtliche L.A. - 10/10
10/10
Fazit & Wertung:
Drive besticht durch eine in sämtlichen Gesichtspunkten überzeugende Inszenierung, die - durch die poetische und elegische Erzählung mit ihren stilsicheren Bildern und dem epochalen Soundtrack - dem Film bei mir schon jetzt den Kult-Status eingebracht haben.
Meinungen aus der Blogosphäre:
City of Cinema: 7/10 Punkte
Cellurizon: 9,5/10 Punkte
Filmherum: 10/10 Punkte
Owley.ch: 9,5/10 Punkte
Tonight is gonna be a large one.: 8/10 Punkte
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Sehe den Film zwar schwächer als du (aber ich glaube, du bist generell euphorischer was Medien angeht als ich), aber bisher ist er dennoch der Beste aus 2012.
Ja, das kann tatsächlich gut sein, mir ist auch schon aufgefallen, dass ich recht selten so richtig miese Wertungen gebe, das liegt aber auch daran, dass ich ja nur Sachen schaue die mich interessieren und denen kann ich – auch wenn sie nicht so dolle sind – immer auch noch genug positives abgewinnen.
Aber darauf, dass er bisher der Beste aus 2012 ist, können wir uns gerne einigen!
Ganz klar ein großes Ausrufezeichen im Filmkalender 2012. Ein vollkommen ungewöhnlicher Mix aus Arthaus-Drama und unerbittlicher Action.
Hmm, bei diesem Streifen gehen unsere Meinungen offenbar extrem weit auseinander. Meins war er so überhaupt nicht, diese ellenlangen Passagen, in denen der Driver und Irene sich nur anstarren, diese plötzliche extreme Veränderung in der Verhaltensweise des Mannes… der Soundtrack, der für mich überhaupt nicht ging. Aber nun ja, man kann sich schließlich nicht immer einig sein ;-)
Ja, ich habe auch gerade deine Review gelesen^^ Alles, was dir nicht gefallen hat, scheint mir großartig gemundet zu haben – angefangen beim Soundtrack!
Und stimmt, man kann sich nicht immer einig sein – wäre ja auch blöd, weil dann müssten die Film-Blogger ja nur noch abstimmen, wer am schnellsten/besten/schönsten schreibt und alle anderen könnten ihren “Job” an den Nagel hängen… irgendwie fände ich das extrem doof ;-)
Ich glaube, dass Drive einfach unglaublich polarisiert. Ich habe nur wenige Reviews zum Film gelesen, die ihn irgendwo im Mittelmaß angeordnet haben. Meistens richtig gut oder richtig schlecht. Irgendwie auch schon wieder eine sehr interessante Sache.
Stimmt, Vielfalt muss absolut sein – zumindest so lange man in der Lage ist, die Ansichten des anderen zu akzeptieren. Wenn´s in der Hinsicht nicht mehr hinhaut, läuft irgendwas grundlegend falsch.
Ach, in punkto Meinungsakzeptanz habe ich aber noch keine gravierend schlechten Erfahrungen (in der Blogosphäre) gemacht.
Also wenn ich einen Blick auf meine Verlinkungen werfe sind da aber mit City of Cinema und Wie ist der Film? zumindest zwei Blogs vertreten, die ihn grob im Mittelfeld verorten mit 7 und 6 Punkten, du bist da tatsächlich noch der Exot ;-)
Ich glaube, dass das aber auch immer sehr von der Stimmung abhängig ist und ich habe mich riesig auf den Film gefreut, hatte meine Ruhe, Wochenende und ein kühles Bier und ich konnte so richtig eintauchen in die weitschweifigen Bilder, den Bombast-Soundtrack und überhaupt alles und von daher hat er mich dann auch restlos begeistert, aber um zwei Ecken gedacht verstehe ich dennoch gut, warum man ihn blöd finden mag, weil allein die Stimmungsumschwünge (des Films, nicht der Figuren) sind teils schon arg extrem.
Super Kritik!!Stimmt mit meiner Meinung zum Film
1 zu 1 überein, hatte auch eine Kritik gemacht mit 9 von 10 Punkten, nach dem dritten Mal schauen würd ich ihm jetzt aber auch 10 v0n 10 geben!:-) Viele Grüße Chris