Review: Nightmare Alley (Film)

Auch heute noch einmal ein großartiger Disney-Vertreter, den ich auf meiner Agenda stehen hatte und von dem ich jetzt natürlich berichten möchte. Mittlerweile, weil ich wieder so schön spät dran bin, ist der Film übrigens auch in den üblichen Disc-Formaten im Heimkino eingetroffen.

Nightmare Alley

Nightmare Alley, USA 2021, 150 Min.

Nightmare Alley | © Walt Disney
© Walt Disney

Regisseur:
Guillermo del Toro
Autoren:
Guillermo del Toro (Drehbuch)
Kim Morgan (Drehbuch)
William Lindsay Gresham (Buch-Vorlage)

Main-Cast:

Bradley Cooper (Stanton Carlisle)
Cate Blanchett (Dr. Lilith Ritter)
Toni Collette (Zeena the Seer)
Willem Dafoe (Clem Hoatley)
Richard Jenkins (Ezra Grindle)
Rooney Mara (Molly Cahill)
Ron Perlman (Bruno)
Mary Steenburgen (Mrs. Kimball)
David Strathairn (Pete)

Genre:
Krimi | Drama | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Nightmare Alley | © Walt Disney
© Walt Disney

Als wortkarger und abgebrannter Eigenbrötler landet Stan Carlisle mehr zufällig du ohne Vorsatz beim Jahrmarkt des Schaustellers Clem Hoatley, der Stan aufgrund seiner zupackenden Art prompt einen Gelegenheitsjob anbietet. Stan kommt das gerade recht, versucht er schließlich, genügend Raum zwischen sich und seine Vergangenheit zu bekommen, ganz davon abgesehen, dass ihm schnell die attraktive Molly mit auffällt, die in ihrer Show vorgibt, selbst größte Strommengen kontrollieren und durch ihren Körper leiten zu können. Dass Hochstapelei und Scharlatanerie großgeschrieben werden beim Jahrmarkt versteht sich von selbst, doch Stan ist vor allem fasziniert von den Tricks des Mentalistenpaares Zeena und Pete, deren Tricks und Kniffe er begierig aufsaugt. Nichts allerdings währt ewig und eine Reihe Ereignisse bewegen Stan dazu, dem Jahrmarktsleben den Rücken zu kehren und gemeinsam mit Molly sein Glück in der Großstadt zu suchen und dort die gut betuchte Gesellschaft mit seinen erlernten Mentalistentricks zu begeistern. Dann allerdings droht ihm bei einer seiner Shows die Psychiaterin Lilith Ritter auf die Schliche zu kommen und fordert das Ego des Emporkömmlings gehörig heraus…

Rezension:

Im Grunde ist es eine Schande, dass Nightmare Alley weder in den Staaten noch hierzulande ein sonderlicher Kinoerfolg beschieden war, ganz davon abgesehen, dass die Chancen dafür dieser Tage so schlecht stehen wie selten, zumal es sich eben nicht um einen leichtfüßig-unterhaltsamen Bombast-Blockbuster handelt sondern vielmehr ein vielschichtiges und abgründiges Drama vor schwelgerischer wie phantasmagorischer Kulisse, das ganz unverkennbar die Handschrift von Regisseur und Mit-Drehbuchautor Guillermo del Toro (Shape of Water, Crimson Peak) trägt. Im Umkehrschluss hat es natürlich auch sein Gutes, wenn man – wie ich – noch nicht recht gewillt ist, in die Lichtspielhäuser dieser Welt zurückzukehren, denn so hat es der Film keine drei Monate nach deutschem Kinostart zum hauseigenen Streamingdienst Disney+ geschafft und steht nun dort seit dem 16. März ohne Zusatzkosten und in bester Qualität zum Abruf bereit. Nicht, dass der Film dank fulminanter Optik und liebevollster Kulisse und Ausstattung auch auf der großen Leinwand zu glänzen gewusst hätte, gefiel mir letztlich die vergleichsweise intime Atmosphäre hier ganz besonders, um mich auf dieses zweieinhalbstündige Drama der besonderen Art und Güte einlassen zu können, dass del Toro hier kredenzt.

Szenenbild aus Nightmare Alley | © Walt Disney
© Walt Disney

Und dieses Drama ist nicht nur in Sachen Ausstattung geradezu schwelgerisch inszeniert, denn lässt man die Geschichte im Nachgang Revue passieren, erscheint es doch beinahe erstaunlich, wie del Toro und seine Mitverschwörer damit zweieinhalb Stunden zu füllen gewusst haben. Das soll aber mitnichten Kritik an der Länge darstellen, sondern vielmehr Hochachtung vermitteln, dass man dieser im Kern doch so stringenten Geschichte derartig viel Raum zugesteht, dass sie sich in all ihrer absurden Schönheit, ihrem dräuenden Fatalismus und ihrer unterschwelligen Garstigkeit entfalten darf, um damit auch die Fallhöhe der Figuren zu maximieren. Denn unweigerlich mag einem hier die durch Tom Wolfes Buch bekannt gewordene Formulierung "Fegefeuer der Eitelkeiten" in den Sinn kommen, wenn man den opportunistischen Emporkömmling Stan erlebt, der, ganz von Hochmut, Stolz und Gier befeuert, sämtliche Warnsignale in den Wind schlägt, Bedrohungen unterschätzt und das eigene Talent als etwas Unfehlbares, ja schier Gottgleiches begreift, was ihn als Protagonisten von Nightmare Alley gleichsam zur wenig bemitleideten, tragischen Figur macht, die sich ihrer eigenen Fehlbarkeit und Sterblichkeit nicht bewusst zu werden vermag. Bravourös indes, wie Bradley Cooper (Joy – Alles außer gewöhnlich) diesen Part übernimmt und Stan in all seiner Ambivalenz zum Leben erweckt und oftmals im Alleingang den Film zu schultern vermag, denn abgesehen vielleicht von Blanchett und Mara sind es doch alles nur Begegnungen am Wegesrand, wenn auch mit teils bemerkenswerten Auswirkungen.

So gibt beispielsweise Willem Dafoe (Van Gogh) den Schausteller Clem Hoatley und schafft es mit traumwandlerischer Sicherheit, ihn gleichsam bedrohlich und sympathisch wirken zu lassen, wenn er eingangs als eine Art Vaterfigur-Ersatz Stan in die schützenden Arme der Jahrmarktsgemeinschaft aufnimmt, derweil Ron Perlman (Pacific Rim) beim Jahrmarkt den bärbeißigen Aufpasser Bruno gibt, der sich auch als Beschützer von Molly begreift, auf die Stan schnell ein Auge wirft. Ausgeprägter und vielschichtiger erscheint da schon das Mentalistenpaar, dessen bahnbrechende Shows lang zurückliegen, was mitunter daran liegt, dass sich der von David Strathairn (The Expanse) verkörperte Pete an den Alkohol verloren hat, was auch Zeena (Toni Collette, Knives Out) in eine gewisse Resignation getrieben hat. Für Stan allerdings sind die beiden auch schnell so etwas wie Familie, vor allem aber ein unvergleichlicher Wissensfundus, wenn es darum geht, Fremden vorzugaukeln, man könne ihre Gedanken lesen oder Kontakt mit deren verstorbenen Angehörigen aufnehmen. In diesem Zusammenhang werden zu einem späteren Zeitpunkt auch Richard Jenkins (Bone Tomahawk) und Oscar-Gewinnerin Mary Steenburgen (Book Club) zu brillieren wissen, wobei Guillermo del Toro hier ohnehin mit einem geradezu beispiellosen Cast aufwartet, der sich samt und sonders gegenüber der opulent ausgestatteten, getragen vorgetragenen Geschichte zu behaupten weiß.

Szenenbild aus Nightmare Alley | © Walt Disney
© Walt Disney

Gesonderte Erwähnung und allgemein bemerkenswert sind aber die rollen für Cate Blanchett (Carol) einerseits, die hier als Femme fatale par excellence das Ego von Stan herausfordert und wieder einmal alle Warnsignale mit sich bringt, aber eben auch alle Verlockungen, denen sich der Protagonist in seiner ihm ureigenen Art nur schwer entziehen kann. So knistert es bei jeder einzelnen Begegnung und es ist einzig der natürlichen Präsenz und Grandezza von Blanchett zu verdanken, dass ihre Figur nicht zur Karikatur verkommt. Dem gegenüber steht Rooney Mara als anfängliches Love-Interest (Ein verborgenes Leben) für Stan, der aber gleichsam die Rolle der guten Seele und der verlorenen Unschuld zukommt, was sie zu einer sehr einsamen Gestalt in diesem vor Düsternis und Tristesse strotzenden Reigen macht, der mit einer Nonchalance in Richtung Abgrund steuert, die ihresgleichen sucht. Und das ist nicht nur superb besetzt und exquisit bebildert, sondern auch erzählerisch mehr als einnehmend, wenn man sich für diese Art fatalistischer Erzählung erwärmen und begeistern kann. Das macht Nightmare Alley zu einem weiteren Glanzstück in del Toros filmischer Vita, auch wenn dieser Beitrag längst nicht so zugänglich und massentauglich sein mag wie manch anderer Vertreter seines Œuvre.

Fazit & Wertung:

Guillermo del Toro liefert mit Nightmare Alley ein phantasmagorisches Thriller-Drama mit Noir-Anstrich und opulenter Kulisse, dass sich gleichermaßen unbequem und verführerisch gibt und in eine Zwischenwelt der Abgründe und Begehrlichkeiten entführt, in der sich ein von Bradley Cooper kongenial verkörperter Opportunist und Emporkömmling verzweifelt zu behaupten versucht.

8 von 10 perfektionierte Tricks eines Mentalisten

Nightmare Alley

  • Perfektionierte Tricks eines Mentalisten - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Guillermo del Toro liefert mit Nightmare Alley ein phantasmagorisches Thriller-Drama mit Noir-Anstrich und opulenter Kulisse, dass sich gleichermaßen unbequem und verführerisch gibt und in eine Zwischenwelt der Abgründe und Begehrlichkeiten entführt, in der sich ein von Bradley Cooper kongenial verkörperter Opportunist und Emporkömmling verzweifelt zu behaupten versucht.

8.0/10
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Nightmare Alley ist seit dem 16.03.22 bei Disney+ verfügbar und am 31.03.22 auf DVD und Blu-ray bei Walt Disney erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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