Review: Electric Dreams | Philip K. Dick (Buch)

Natürlich habe ich auch diese Woche wieder ein Buch für euch im Gepäck, denn ich habe mich jüngst einem Kurzgeschichtenband von Philip K. Dick gewidmet, womit dem Genuss der gleichnamigen Serie nichts mehr im Wege stehen dürfte. Jetzt aber erst einmal zu der literarischen Variante:

Electric Dreams
Die 10 Stories der Erfolgsserie

Electric Dreams, USA 1953-1955, 240 Seiten

Electric Dreams von Philip K. Dick | © Fischer
© Fischer

Autor:
Philip K. Dick
ÜbersetzerInnen:
Bela Wohl
Klaus Timmermann
Thomas Mohr
Ulrike Wasel

Verlag (D):
Fischer
ISBN:
978-3-596-90670-3

Genre:
Science-Fiction | Mystery | Drama

 

Inhalt:

Er bezahlte den Roboter, nahm seine Aktentasche und eilte die Rampe hinunter zum Amt für Geschichte. Das Hauptgebäude war bereits für Besucher geöffnet; überall schlenderten Männer und Frauen in langen Gewändern umher. Miller betrat den PRIVAT-Lift, zwängte sich zwischen zwei riesige Aufseher aus der Vorchristlichen Abteilung und war einen Moment später auf dem Weg zu seiner eigenen Ebene, der »Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts«.

In Ausstellungsstück gerät ein Historiker einer fernen Zukunft durch eine Art Zeittor zurück in das zwanzigste Jahrhundert, während die Grenzen der Realität zu verwischen beginnen, derweil Der Pendler ein Indiz für eine sich verändernde Vergangenheit darstellt, die in diesem Fall einen nicht-existenten Ort aus dem Nichts erstehen lässt. In Der unmögliche Planet wünscht sich eine alte Frau zur Erde zu reisen, gleichwohl dieser Planet nur einer Märchengeschichte entsprungen sein soll, derweil Der Gehenkte von einer mysteriösen Veränderung in einer kleinen Stadt berichtet, denn niemand außer dem Protagonisten scheint sich an der öffentlich zur Schau gestellten Leiche zu stören. Eine todsichere Masche erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich nichts sehnlicher wünscht, als den ewigen Werbeversuchen und Anpreisungen seiner Gegenwart zu entfliehen und dabei vom Regen in die Traufe gerät.

Derweil wird ein Junge durch Das Vater-Ding in Angst und Schrecken versetzt, da dieses seinen eigenen Vater ersetzt zu haben scheint. Anderswo sind telepathisch begabte Menschen darauf erpicht, dass Der Hauben-Macher unschädlich gemacht wird, dessen Hauben verhindern, dass die Telepathen die Gedanken der jeweiligen Person lesen können. Foster, du bist tot erzählt die Geschichte eines maßlos um sich greifenden Konsumwahns, der durch Schüren der Ängste der Bevölkerung zu einem regelrechten Boom von Bunkern und anderer Überlebensausrüstung beiträgt. In Menschlich ist… muss sich eine Frau damit auseinandersetzen, dass ihr Mann grundlegend verändert von einer Expedition heimkehrt, während in Autofab eine Schar Überlebender sich im Krieg mit automatisierten Fabrikanlagen befindet, die noch die letzten Ressourcen der Erde aufzuzehren drohen…

Rezension:

Lange schon habe ich ein Auge auf die Amazon-Anthologie-Serie Electric Dreams geworfen, die sich in ihren zehn Episoden an die Interpretation und Aufbereitung einer ausgewählten Kurzgeschichte von Science-Fiction-Kultautor Philip K. Dick begibt, der allerspätestens durch seine Vorlage zu Blade Runner so ziemlich jedem ein Begriff sein dürfte. Der Fischer Verlag hat nun passend hierzu einen gleichnamigen Band veröffentlicht, der die zehn zugrundeliegenden Kurzgeschichten zusammenfasst, was mir auch insofern gelegen kam, da es ja nicht nur immer schöner ist, zunächst die Vorlage in Augenschein zu nehmen, sondern auch schlichtweg so, dass ich bisher nicht die Zeit gefunden habe, mich der Serie zu widmen. Nun bin ich grundsätzlich nicht unbedingt großer Freund von Kurzgeschichten entsprechenden Sammelbänden, doch wusste mich die vorliegende Zusammenstellung durchaus zu überzeugen, auch wenn die Qualität der durchweg zwischen 1953 und 1955 veröffentlichten Stories der Natur der Sache nach schwankt.

Warum ließ Fleming ihn nicht in Ruhe? Fleming, der diensteifrige Repräsentant der großen Hierarchie, die wie ein klebriges, graues Netz den gesamten Planeten überzog. Jede industrielle, berufliche, jede Wohn-Einheit. Ach, die Freiheit des zwanzigsten Jahrhunderts! Er verlangsamte seinen Bandabtaster einen Moment, und ein träumerischer Ausdruck glitt über seine Gesichtszüge. Das aufregende Zeitalter der Männlichkeit und Individualität, als Männer noch Männer waren …

Allein der Auftakt mit Ausstellungsstück ist nämlich überaus gelungen und stellt das Wesen der Realität infrage, wenn Protagonist Miller – aus der Geschichte stammen auch die den Artikel ergänzenden Zitate – aus unerfindlichen Gründen in der Zeit zurückkatapultiert wird und sich im Wogen der auf ihn einstürmenden Sinneseindrücke unmittelbar zu fragen beginnt, ob nicht dies die echte Welt und sein Leben in der Zukunft nur ein Hirngespinst ist. Eine konkrete Auflösung der Situation darf man sich bei dick indes nicht erwarten, ebenso, wie in den seltensten Fällen mit einem "echten" Happy-End zu rechnen ist, doch sind die jeweiligen Schlusspunkte der Geschichten oft geneigt, das Erzählte mit einem regelrechten Knall zum Abschluss zu bringen. Ganz seinem Habitus entsprechend, widmet sich Philip K. Dick in den versammelten Geschichten für ihn typischen Themen, ob es sich eben um das Wesen der Realität und deren Bedeutung handelt, dystopische Zukunftsvisionen oder psychotische Episoden, die er oft als Ausgangspunkt für eine mittelbare oder unmittelbare Bedrohung nimmt, bei der man sich nie ganz sicher sein darf, ob die Gefahr von außerhalb stammt oder dem Kopf der handelnden Figur entsprungen sein mag.

Kaum weniger spannend als der Aufmacher für Electric Dreams ist die nachfolgende Geschichte Der Pendler geraten, die sich der Bedeutung von Zeit und deren Relativität aus einer gänzlich ungewohnten Warte nähert, auch wenn speziell die ersten Szenen der Geschichte – ein Mann verlangt nach einem Fahrschein zu einem Ort, der laut Plänen nicht existiert – in der einen oder anderen Art immer wieder Einzug in Film und Literatur gehalten haben. Bei Geschichten wie dieser steht dann auch gar nicht mal so sehr der Science-Fiction-Aspekt im Vordergrund, mit dem man Dick wohl am ehesten verbindet, derweil auch die Trope "Körperfresser" ein Steckenpferd des Autors gewesen zu sein schien, was sich ja auch mit den Bezügen auf Wahrnehmung und Realität gut deckt, so dass gleich drei Geschichten in diese Kategorie fallen, wobei Das Vater-Ding gegenüber Der Gehenkte und Menschlich ist… merklich das Nachsehen hat, da hier schlichtweg der Kniff fehlt, der die Geschichte einzigartig und besonders machen würde, was ihm sonst meistenteils gelungen ist. Ebenfalls eine der schwächeren Geschichten war für mich zudem Der unmögliche Planet, da sich dessen Pointe doch recht früh abzeichnet und zwar stilistisch gelungen zu Papier gebracht worden ist, mich aber weit weniger zu fesseln wusste als manch andere Geschichte, zumal die Prämisse, dass die Existenz der Erde mittlerweile als Märchen eingestuft wird, jetzt nicht so bahnbrechend oder faszinierend gewesen ist.

Miller sank schwach am Tisch nieder. Er spielte nervös mit seiner Pfeife. Er legte sie in den Kupferaschenbecher und untersuchte seinen Jackettärmel. Was ging hier vor? In seinem Kopf drehte sich alles. Er stand abrupt auf und eilte zum Fenster über der Spüle.
Häuser, Straßen. Die fernen Berge jenseits der Stadt. Er sah und hörte Menschen. Der dreidimensionale projizierte Hintergrund war absolut überzeugend; oder war es kein projizierter Hintergrund? Wie konnte er da sicher sein? Was ging hier vor?

Weitaus spannender war da beispielsweise die von Dick in Eine todsichere Masche ersonnene Zukunft, die von Werbung jedweder Art zu jeder Zeit und in jedem Moment dominiert wird und ein nicht enden wollendes Stakkato aus Stimmen und Klängen generiert, denen der Protagonist aus Frust und Überdruss zu entfliehen sucht. Diese Konsumkritik greift Philip K. Dick ebenso in Foster, du bist tot auf. Hier entwirft der Autor das Bild einer sich vor der nuklearen Katastrophe fürchtenden Gesellschaft, die längst den "normalen" Konsum eingestellt hat, um nun mit immer besseren, größeren, luxuriöseren Bunkern als neuem Statussymbol gegenüber ihrer Nachbarschaft aufzutrumpfen, wodurch der namensgebende Foster zum Außenseiter wird, da sein Vater sich dem "Bunker-Wahn" konsequent verweigert. Die Parallelen zur heutigen Konsumgesellschaft und dem Markendiktat und –wahn liegen wohl auf der Hand und werden hier mit einem nicht so unterschwelligen Fatalismus versehen. Autofab derweil findet einen anderen Ansatz und erzählt von einer Welt, in der die Güterproduktion einzig in den Händen von Maschinen liegt, die unbeirrbar weiterproduzieren und durch die Ressourcenausbeutung des Planeten letztlich das Leben der Menschen gefährden, die sie eigentlich versorgen sollten, doch kommt man gegen Maschinenintelligenz eben schlecht an. Zuletzt findet sich noch die Geschichte Der Hauben-Macher in dem Band und wartet mit einer spannenden Prämisse und einer gelungen konstruierten Auflösung auf, derweil ich mir ansonsten gewünscht hätte, dass die Welt noch weiter ausformuliert worden wäre, aber damit wird man bei Kurzgeschichten wohl des Öfteren leben müssen.

Fazit & Wertung:

Der Kurzgeschichtenband Electric Dreams ist eine überzeugende Zusammenstellung von insgesamt zehn Kurzgeschichten, welche die Basis für die gleichnamige Anthologie-Serie von Amazon bilden. Mag auch nicht jede der Stories im selben Maß begeistern ist die (ohnehin quasi vordiktierte) Auswahl durchaus wertig und abwechslungsreich, wenngleich ein erläuterndes Vorwort oder dergleichen noch nett gewesen wäre, um das rund 240 Seiten zählende Büchlein nicht ganz so mager wirken zu lassen.

8 von 10 dystopischen Zukunftsvisionen

Electric Dreams

  • Dystopische Zukunftsvisionen - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Der Kurzgeschichtenband Electric Dreams ist eine überzeugende Zusammenstellung von insgesamt zehn Kurzgeschichten, welche die Basis für die gleichnamige Anthologie-Serie von Amazon bilden. Mag auch nicht jede der Stories im selben Maß begeistern ist die (ohnehin quasi vordiktierte) Auswahl durchaus wertig und abwechslungsreich, wenngleich ein erläuterndes Vorwort oder dergleichen noch nett gewesen wäre, um das rund 240 Seiten zählende Büchlein nicht ganz so mager wirken zu lassen.

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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite von Fischer.

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Electric Dreams ist am 22.02.18 bei Fischer erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den folgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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