Um den guten Vorsätzen auch Taten folgen zu lassen kommt hier nun also die nächste Review im Rahmen meines groß angekündigten Comebacks als (nahezu) täglicher Blogger. Viel Spaß und allseits einen schönen Abend!
Du stirbst zuerst
The Hollow City, USA 2011, 447 Seiten
© Piper Verlag
Dan Wells
Piper Verlag
978-3-492-26900-1
Mystery | Thriller
Inhalt:
Michael Shipman ist zwanzig Jahre alt und erwacht im Krankenhaus, ohne Erinnerung an die vergangenen zwei Wochen. Alsbald wird er in eine psychiatrische Klinik verlegt und mehr und mehr offenbaren sich durch seine Technikphobie und die vermeintliche Wahrnehmung gesichtsloser Männer seine Psychosen. Gefangen zwischen Wahn und Wirklichkeit weiß Michael lange Zeit nicht, was von seinen Erinnerungen real und was nur eingebildet ist, zumal er immer öfter auf neue Medikamente eingestellt wird. Einerseits scheinen die Gesichtslosen real, andererseits ist ihm in wacheren Phasen durchaus bewusst, dass es sie im Grunde nicht geben kann, nicht geben darf.
Allerdings wären da noch zwei wissbegierige FBI-Ermittler, die sich an Michael wenden, während sie auf der Suche nach dem sogenannten Wellnesskiller sind. Dabei holen sie nicht etwa Michaels Rat als schizophrenen Patienten ein, sondern ziehen eine Linie zu den Kindern der Erde, einer Sekte, der sämtliche Opfer des Killers vor ihrem Ableben angehört haben. Zunehmend wird Michael von der Frage geplagt, was Wahn, was Wirklichkeit ist, doch als er eines Tages einen Gesichtslosen erblickt, während er nachweislich unter dem Einfluss hochwirksamer Psychopharmaka steht, beginnt er daran zu zweifeln, ob alles, was er sich bis dato zusammengereimt hat, nicht möglicherweise doch ein Körnchen Wahrheit enthält und flieht aus der Klinik, um den Ort aufzusuchen, an dem die Polizei ihn aufgegriffen hat, den Ort, an den er keine Erinnerung mehr hat. Sein Weg führt ihn auf verschlungenen Pfaden geradewegs in seine Vergangenheit, hin zu einem unvorstellbaren Geheimnis.
Rezension:
Dan Wells hat zugegebenermaßen mit seiner Serienkiller-Trilogie die Messlatte für seine Folgewerke extrem hoch gelegt und auch ich habe die Bände um John Wayne Cleaver verschlungen, weshalb es für mich außerfrage stand, mich auch seinem neuesten Streich, Du stirbst zuerst zu widmen. Zugegebenermaßen hat man versucht, den vorliegenden Band im Fahrwasser der ursprünglichen Trilogie anzusiedeln, denn der deutsche Titel macht im Grunde überhaupt keinen Sinn und das amerikanische Original The Hollow City trifft den Kern der Sache deutlich besser. Nichtsdestotrotz ist auch Wells‘ neuer Roman ungemein mitreißend und entpuppt sich als regelrechter Page-Turner, wenngleich er kaum die Klasse der Vorgänger erreicht.
Geschildert wird die Geschichte Michael Shipmans aus dessen eigener Sicht und im Präsens. Dies unterstützt natürlich die Nähe des Lesers zu dessen schizophrenen Anwandlungen und ähnlich wie er stolpert man lange Zeit völlig unwissend durch die Geschichte und fragt sich, inwiefern dessen Wahnvorstellungen womöglich doch in der Realität fußen könnten, zumal er selbst die Einsicht besitzt, dass manche seiner Visionen kaum real sein können. Das Spiel mit der Frage nach Wahn und Wirklichkeit zieht sich durch einen Großteil des Buches und wird das erste Mal halbwegs aufgebrochen, als Michael letztendlich die Flucht aus der Klinik realisiert.
Ärgerlich ist diesbezüglich natürlich, dass es sich bei Shipmans Klinikaufenthalt um den ungleich spannenderen Teil der Erzählung handelt, da dessen Hadern mit dem eigenen Schicksal und vor allem die Unsicherheit bezüglich der eigenen Sinneswahrnehmung einen Großteil der Faszination der Geschichte ausmachen. Es ist nicht etwa so, dass Du stirbst zuerst urplötzlich an Spannung verlieren würde, doch fällt der Teil nach dem Klinikaufenthalt deutlich hinter dem nun folgenden Konglomerat verschiedener Genres zurück. Zu diesem Zeitpunkt wird der Leser auch auf die womöglich doch übersinnliche Auflösung des Spektakels vorbereitet und dieses ist auch nicht per se schlecht, doch wirkt sie in ihrer gehetzten Art und der Flut an Informationen und Erkenntnissen arg gehetzt. Plötzlich offenbart sich auch der Sinn des amerikanischen Titels The Hollow City, ebenso wie die Verbindung zu der immer wieder erwähnten Sekte der Kinder der Erde offenbart wird.
Inwieweit man sich dann mit der teilweise fast gehetzt wirkenden Auflösung anfreunden kann, hängt davon ab, ob man sich mit dem übernatürlichen Touch von Du stirbst zuerst anfreunden kann, wenngleich Kenner der Werke Wells‘ diesbezüglich vorgewarnt sein müssten, während Neulingen womöglich vor den Kopf gestoßen wird. Vor allem aber hat es mich geärgert, dass die im Prolog großspurig eingeführten FBI-Agenten Leonard und Chu kaum eine Bewandtnis für den Fortgang der Geschichte hatten und irgendwann unerwähnt ins Nirwana entschwunden sind. Freilich dienten sie nur dazu, Michael Shipman mit den Morden des Wellnesskillers in Verbindung zu bringen, doch hätte man dies deutlich eleganter lösen können.
Du stirbst zuerst
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Gesichtslose - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Dan Wells‘ Du stirbst zuerst ist ein im Grunde durchweg überzeugender Roman eines an Schizophrenie erkrankten jungen Mannes. Der übernatürliche Einschlag zum Ende hin und die teils unausgegoren wirkende Dramaturgie kosten ihn jedoch wertvolle Punkte und machen ihn zwar zu einem durchaus lesenswerten, keineswegs aber uneingeschränkt empfehlenswerten Thriller mit einer gehörigen Portion Mystery.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Piper Verlages.
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Du stirbst zuerst ist am 01.10.11 als gebundene Ausgabe im Piper Verlag erschienen und wurde am 09.10.12 auch als Taschenbuch veröffentlicht. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!