Review: The Patient (Serie)

Gerade was Serien angeht, habe ich zum Rezensieren noch einiges an Rückstau, aber ich starte heute mal mit einer vergleichsweise eher untergegangenen Serie, die sicherlich ein wenig mehr Beachtung verdient hat.

The Patient

The Patient, USA 2022, ca. 31 Min. je Folge

© Disney+

Trailer:

Inhalt:

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Das Leben von Psychotherapeut Dr. Alan Strauss nimmt eine unerwartete und einschneidende Wendung, als dieser eines Tages erwacht, und feststellen muss, entführt worden zu sein. Statt aber Lösegeld zu erzwingen oder dergleichen, hat Alans Entführer ganz anderes im Sinn, denn der gibt sich schnell als Sam Fortner, einer von Dr. Strauss‘ Patienten, zu erkennen. Gepaart mit dieser Offenbarung folgt die Erkenntnis, dass Sam in den bisherigen Sitzungen nicht ganz aufrichtig und ehrlich gewesen ist, vor allem nicht hat erkennen lassen, dass er ein waschechter Serienkiller ist – der sich allerdings bessern und nicht mehr morden möchte! Zu diesem Zweck hat Sam nun also Alan entführt und möchte sich von ihm therapieren lassen, um seine Mordlust im Zaum zu halten. Alan, hilflos und angekettet, fügt sich zunächst in sein Schicksal und setzt alles daran, zu Sam durchzudringen, doch ist ihm auch bewusst, dass dieses Umfeld alles andere als ideal ist für eine Therapie, ganz davon abgesehen, dass er verständlicherweise um sein eigenes Leben bangt. Doch Alan läuft in vielerlei Hinsicht die Zeit davon, schließlich kämen auch Andere zu Schaden, sollte es ihm nicht gelingen, Sam ruhigzustellen…

Rezension:

Es ist teilweise schon regelrecht erstaunlich, mit wie wenig Tamtam und Werbegebaren mittlerweile bei Disney+ neue Serien und dergleichen veröffentlicht werden, die andernorts sicherlich aggressiv beworben würden. So zumindest meine Annahme im Fall von The Patient, einer in sich abgeschlossenen Miniserie, die es von "FX on Hulu" nun zu uns verschlagen hat. Immerhin ist nicht nur die Besetzung ungemein namhaft und vielversprechend, nein, auch der Plot vermag Neugierde zu wecken, zumal anfänglich gänzlich unklar ist, wohin die Reise binnen zehn Episoden gehen könnte. Auffällig allerdings ist die zunächst äußerst knapp bemessene Laufzeit von kaum über zwanzig Minuten, die eher an ein Sitcom-Format denken lässt, doch relativiert sich das mit fortschreitender Dauer, so dass die Episoden eigentlich nur immer länger werden. Auch sollte man nicht einschalten in der Hoffnung auf eine Komödie, denn auch wenn es einige wenige, meist extrem schwarzhumorige Momente geben mag, handelt es sich doch um ein reinrassiges Drama, das die meiste Zeit ungemein beklemmend daherkommt und den Fatalismus der schier ausweglosen Situation selbstbewusst vor sich her trägt.

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So ist das Ganze dann auch weniger als Thriller angelegt, sondern sucht seine Erfüllung – ganz getreu dem Titel der Serie – im therapeutischen Ausloten der charakterlichen Fahrwasser und Untiefen. Dabei steht allerdings, so kristallisiert sich mehr und mehr heraus, weniger der Hilfe suchende Serienkiller im Vordergrund, sondern vielmehr der ihn notgedrungen behandelnde Dr. Alan Strauss, dem seine Gefangenschaft viel Zeit zur Selbstreflexion bietet. Von Erinnerungen an seine Familie, frühere Zerwürfnisse und Schicksalsschläge bis hin zu imaginierten Therapiesitzungen, die Strauss seinerseits bei seinem früheren Therapeuten wahrzunehmen meint, loten die Serienschöpfer und Showrunner Joel Fields und Joe Weisberg vermehrt das Innenleben desjenigen aus, der eigentlich selbiges bei dem selbsterklärten Serienkiller tun sollte. Überhaupt aber lebt The Patient von der offensiven Umkehr dessen, was man erwarten würde, was eben schon bei den Therapiesitzungen im abgelegenen Haus beginnt, die Therapeut Strauss eben stets angekettet absolvieren muss. Dabei taugen die jeweiligen Folgen durchaus noch für den einen oder anderen Cliffhanger und manch garstige Überraschung, doch bleibt der Fokus zum Glück die meiste Zeit auf den Gesprächen zwischen Alan und Sam.

Und hier kommen wir dann natürlich auch zum Kern und Paradestück dieser Produktion, denn so unterschiedlich die Rollen und Ausgangslagen sind, brillieren hier Steve Carell (Battle of the Sexes) und Domhnall Glesson (Goodbye Christopher Robin) gleichermaßen. Carell hat sich ja nicht erst seit gestern auch als Charakterdarsteller verdient gemacht und sich von dem Komiker-Image freigespielt, doch liefert er dessen ungeachtet hier eine neue Bravourleistung ab, denn mit jeder neuen Erinnerung, mit jeder dissoziativen Episode, ja selbst mit jeder Gewaltfantasie, die Alan zuweilen ereilt – die abrupten Gewaltspitzen sind nichts für zarte Gemüter! –, erfährt sein Charakter eine weitere, nuancierte Vertiefung. Da ist der Part für Gleeson schon vergleichsweise klar ausformuliert und das will einiges heißen, wenn man die Darstellung des Therapeuten mehr lobt als die des Serienkillers, was im Umkehrschluss aber in keiner Weise bedeutet, dass Gleeson nicht in jeder Sekunde absolut glaubhaft und absolut bedrohlich erscheint.

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Nein, The Patient ist nichts für Zartbesaitete und wahrlich keine leichte Kost, auch wenn die Handlung die meiste Zeit eher ruhig und getragen daherkommt, denn atmosphärisch kommt hier einiges an Beklemmung auf und dass die Lage nicht eben dazu geneigt sein dürfte, sich für beide Parteien in friedvolles Wohlgefallen aufzulösen, muss wohl auch nicht gesondert erwähnt werden. Dementsprechend vermag sich die Serie aber auch mit beinahe jeder weiteren Folge zu steigern, denn mit dem Fortschreiten der Handlung verdichten sich nicht nur die Probleme und grundlegenden Dilemmata dieser Art von Therapie, sondern es werden sukzessive die alternativen Auflösungen ausgemerzt. Ab einem gewissen Zeitpunkt scheint das aber schon gar nicht mehr dergestalt relevant zu sein, denn beide Charaktere sehen sich mit gänzlich anderen Herausforderungen konfrontiert. Das ist auf der einen Seite ein Serienkiller, dem es ein Anliegen ist, ein besserer Mensch zu werden, der aber daran scheitert, seine eigene Kindheit zu überwinden oder auf der anderen Seite ein Therapeut, der in seiner wohl intensivsten und längsten Sitzung noch am ehesten sich selbst erforscht und dabei Fundamentales zu seinem jüdischen Glauben und seiner Rolle als Vater verhandelt. Und so aufgesetzt und konstruiert die Prämisse der Serie auch wirken mag, verbirgt sich doch viel Wahrhaftiges und – im Fall der Figur von Alan Strauss – wohl auch Autobiografisches der Serienverantwortlichen in dieser Produktion.

 
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The Patient ist seit dem 30.11.22 bei Disney+ verfügbar.