Review: Last Night in Soho (Film)

Mensch, da hat es diese Woche ja immerhin zu drei Artikeln gereicht. Ich will nicht behaupten, dass ich unzufrieden bin, zumal die Arbeitswoche ziemlich stressig war, aber das liegt jetzt zum Glück (hoffentlich) hinter mir.

Last Night in Soho

Last Night in Soho, UK/CN 2021, 116 Min.

Last Night in Soho | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Regisseur:
Edgar Wright
Autoren:
Edgar Wright
Krysty Wilson-Cairns

Main-Cast:
Thomasin McKenzie (Eloise)
Anya Taylor-Joy (Sandie)
in weiteren Rollen:
Matt Smith (Jack)
Michael Ajao (John)
Terence Stamp (Silver-Haired Gentleman)
Diana Rigg (Ms. Collins)

Genre:
Drama | Horror | Mystery | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Last Night in Soho | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Die junge Eloise ist vollkommen euphorisiert, als sie die Zusage für einen Studienplatz am renommierten London College of Fashion bekommt und zieht fort von ihrer Großmutter in die große Stadt. Den Traum, Modedesignerin zu werden, hat sie bereits seit Jahren und ihr persönlicher Geschmack ist schwer geprägt von den Swinging Sixties, was es gleich doppelt reizvoll macht, nun im umtriebigen Szeneviertel Soho zu leben. Anschluss zu finden, fällt der eher introvertierten Eloise allerdings schwer und so sucht sie sich alsbald ein eigenes Zimmer fernab vom Studentenwohnheim. Kaum dort eingezogen, beginnt Eloise sich nachts in die glorreiche Zeit der Sechziger zu flüchten und begegnet dort in ihren Träumen der fast schon unverschämt selbstbewussten Sandie, die so etwas wie ihr Alter Ego wird. Dabei geschieht allerdings zweierlei, denn mehr und mehr beginnt Eloise hinter die schillernde Fassade zu blicken und die Abgründe dieser romantisierten Ära zu erblicken, andererseits beginnen die Schrecken von damals mehr und mehr ihre Gegenwart zu fluten und damit auch ihr Leben maßgeblich zu beeinflussen…

Rezension:

Schon bei den ersten Ankündigungen und Teasern war mir klar, dass Last Night in Soho bei mir offene Türen einrennen und einen definitiven Begeisterungsschub auslösen würde, ungeachtet dessen, worum genau es in dem Film dann gehen würde. Diese Annahme habe ich für mich festgemacht an der beispiellosen Verquickung aus Regie, Darsteller*innen und Look, denn dass ich ein großer Fan der Filme von Edgar Wright bin, brauche ich nun wirklich nicht gesondert zu betonen und so kann ich auch hier bedenkenlos, attestieren, dass, wer Baby Driver mochte, auch hier auf seine Kosten kommen dürfte, gleichwohl beide Filme thematisch wie stilistisch in gänzlich andere Richtungen driften, allerdings auch den unbedingten Stilwillen und die nahezu perfekte Musikauswahl teilen. Letztlich hat aber sein aktuellerer Wurf die Nase vorn, weil er inhaltlich mehr zu bieten hat und mehr zu erzählen weiß, was ihn umso reizvoller macht, je weniger man im Vorfeld weiß, wohin die Reise geht. Die "Warnung", dass es in Richtung Horror driften wird, halte ich dabei noch für vergleichsweise legitim, denn es soll ja durchaus Leute geben, die dem Genre gar nichts abgewinnen können und die muss man ja nicht verprellen, indem man sie dergestalt ins (Heim-)Kino lockt.

Szenenbild aus Last Night in Soho | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Ansonsten werde auch ich mich bemühen, hier erzählerisch nicht zu sehr ins Detail zu gehen, zumal es wohl ausgewiesener Wunsch des Regisseurs war, dass man den Film eben nicht spoilert und auch wenn seit seiner Veröffentlichung nun schon wieder einige Zeit vergangen ist, kann es ja dennoch gelingen, unbefangen an die Sache heranzugehen. Ich für meinen Teil wusste lediglich von den zwei Zeitebenen und davon, dass die beiden Hauptdarstellerinnen auf die eine oder andere Art verbunden sein würden, ansonsten konnte ich mich beinahe ebenso naiv und euphorisch wie Eloise an die Sache heranwagen und da wird es auch schon Zeit für das erste Lob, denn im Vergleich zu ihrem Co-Star hat Thomasin McKenzie ihr Können noch nicht so häufig unter Beweis stellen dürfen, auch wenn sie mir schon bei Jojo Rabbit begeisterungswürdig aufgefallen ist. Hier allerdings trägt sie nun einen gesamten Film und auch wenn sie da Hilfe von Taylor-Joy haben mag, ist die Leistung, Hingabe und Emotion nicht weniger bewundernswert, zumal sie wirklich zwischen zahllosen Gefühlsebenen zu changieren versteht. Anya Taylor-Joy wiederum dürfte sich hier prompt wie zuhause gefühlt haben, denn insbesondere der Beginn ihrer Karriere war ja durchaus geprägt von so manchem Horrorfilm (The Witch, Split), derweil Das Damengambit eine Art zweiten Durchbruch für sie bedeutet haben dürfte und hier wie dort gilt es unter anderem, die Mode vergangener Tage stilvoll in Szene zu setzen.

So überzeugt ihre zunächst bewusst geheimnisvoll gehaltene Sadie als selbstbewusster Konterpart zu der doch eher schüchternen Eloise und hier vermag dann Wright zusammen mit seinem Kameramann Chung-hoon Chung recht früh im Film einige gelungene Plansequenzen zu realisieren, wenn sich die beiden jungen Frauen in Eloises Träumen erstmals begegnen und sich im wortwörtlichen Sinne zu spiegeln beginnen, was zu allem inszenatorischen Überschwang in einer großartigen Tanzchoreografie mündet, in der die beiden mehrfach die Rollen tauschen, ohne dass hierfür Tricks und CGI hätten bemüht werden müssen, wie das Making-Of verrät. Natürlich, gerade zu Beginn wirkt Last Night in Soho wie ein schillerndes Mystery-Drama mit peppigem Soundtrack, doch gibt es eben unter der Oberfläche noch einiges mehr zu entdecken, was dann auch den Vorwurf entkräften dürfte, man habe es hier mit Style-Over-Substance zu tun, denn wenn man die stilisierten Bilder, die Farbfilter, den offensiven Musikeinsatz und die erst schwelgerischen, später schockierenden Bilderwelten betrachtet, liegt der Eindruck durchaus nahe, dass man dem Stil des Films den Vorrang vor seinem Inhalt geben würde, was zum Glück in keiner Weise der Fall ist (auch wenn längst nicht jedes ambitionierte Bildwerk von Wright uneingeschränkt funktioniert). Dem fällt ein Stück weit tatsächlich auch Matt Smith (Doctor Who) zum Opfer, denn so sehr ich mich über dessen Beteiligung gefreut habe, bleibt sein "Jack" doch eher blass, wohingegen es dafür Terence Stamp und Diana Rigg durchaus gelingt, Akzente zu setzen, wobei Letztere leider vor Veröffentlichung des Films verstorben ist, weshalb dieser nun auch die Widmung "Für Diana" trägt.

Szenenbild aus Last Night in Soho | © Universal Pictures
© Universal Pictures

Im Grunde also gelingt dem Film, was auch Eloise passiert, denn zunächst verführt er mit seiner schillernden Extravaganz, seinen Tanz- und Musikeinlagen und dem audiovisuellen Stil im Gesamten, wodurch Spuren des Horrors, die im Grunde von den ersten Minuten an gesät werden, als belanglos, ja beinahe normal abgetan werden, bevor die Fassade rapide und radikal Risse zu bekommen beginnt und sich zunehmend in ein phantasmagorisches Schreckensszenario wandelt, wenn Eloises Leben zunehmend von den Schatten und Schrecken der Vergangenheit okkupiert und übernommen wird. Allein dieser Akt der Grenzübertretung, des Übergriffs, ist hier so gekonnt eingefangen und so mehrdeutig besetzt, dass man erst in der zweiten Hälfte richtig zu begreifen vermag, welche Art inszenatorischer Gratwanderung Wright gemeinsam mit Co-Drehbuchautorin Krysty Wilson-Cairns zu meistern hatte, um Botschaft und Intention von Last Night in Soho nicht durch Eigenbeschuss ad absurdum zu führen. Ob und inwieweit das gelingt, muss freilich jeder für sich selbst entscheiden, doch ich für meinen Teil war in etwa so begeistert, wie ich es mir schon im Vorfeld erwartet hatte, was schon weitaus mehr ist, als die meisten Filme von sich behaupten können.

Fazit & Wertung:

Edgar Wright inszeniert Last Night in Soho zunächst als audiovisuellen Rausch, der bewusst und gekonnt mit dem Reiz und Charme der Swinging Sixties kokettiert, doch vermag er ebenso schnell die schillernde Fassade einzureißen und in Richtung psychologischen Horror zu driften, was dann weniger die Optik, sondern eher den Inhalt in den Fokus rückt. Zusammen ergibt das ein ungemein stimmiges, stilistisch selbstbewusstes Werk, das man gesehen haben sollte.

8,5 von 10 nächtlichen Ausflügen in die Swinging Sixties

Last Night in Soho

  • Nächtliche Ausflüge in die Swinging Sixties - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Edgar Wright inszeniert Last Night in Soho zunächst als audiovisuellen Rausch, der bewusst und gekonnt mit dem Reiz und Charme der Swinging Sixties kokettiert, doch vermag er ebenso schnell die schillernde Fassade einzureißen und in Richtung psychologischen Horror zu driften, was dann weniger die Optik, sondern eher den Inhalt in den Fokus rückt. Zusammen ergibt das ein ungemein stimmiges, stilistisch selbstbewusstes Werk, das man gesehen haben sollte.

8.5/10
Leser-Wertung 9/10 (2 Stimmen)
Sende

Last Night in Soho ist am 27.01.22 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar