Review: Kings of Cool | Don Winslow (Buch)

Es wird wieder Zeit und die nun folgende Buch-Kritik hat man beinahe vorhersehen können, denn wer mich ein wenig kennt oder mein Treiben hier verfolgt, der weiß, dass ich, wenn ich erst einmal Blut geleckt habe, kaum noch an mich halten kann, mich im besten Fall intermedial auf alles zu einem Thema zu stürzen und so führte mich mein Weg unweigerlich von Savages über Zeit des Zorns hin zu:

Kings of Cool

The Kings of Cool: A Prequel to Savages, USA 2012, 349 Seiten

Kings of Cool von Don Winslow | © Suhrkamp Verlag
© Suhrkamp Verlag

Autor:
Don Winslow

Verlag (D):
Suhrkamp Verlag
ISBN:
978-3-518-46400-7

Genre:
Krimi | Thriller

 

Inhalt:

Es wird allgemein angenommen, dass sich der Name Kalifornien von einem fiktiven Paradies herleitet. Hier, 2005, am Laguna Beach, leben Ben, Chon und O und genießen das Leben, das der Verkauf des reinsten und beliebtesten Hydrograses für sie bereithält. Als jedoch rivalisierende Dealer und andere Gangster nebst korrupten Polizisten auch ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen, geraten Ben und Chon mehr und mehr in Bedrängnis, sind aber klug genug, einen kühlen Kopf zu bewahren und gezielt gegen die Bedrohung anzugehen, wobei sie auch nicht davor zurückschrecken, denn Bundesbeamten Dennis auf ihre Seite zu ziehen.

Noch ahnen sie nicht, dass ihre Geschichte eng verknüpft ist mit Geschehnissen, die bis in das Jahr 1967 zurückreichen, als John McAllister den als Taco Jesus bekannten Doc kennenlernt und seine Karriere als Dealer ihren Anfang nimmt, als Stan und Diane in ihrem Souvenirladen die ersten Drogen umzuschlagen beginnen und als einige Jahre später Kim beschließt, sich einen reichen Ehemann zu angeln. Doch es wird nicht immer der Summer of Love bleiben, Gras auch nicht die einzige profitable Einnahmequelle und die Gier der Menschen schlussendlich ist grenzenlos. Die Fehltritte und Sünden der Eltern wirken dabei noch eine Generation später nach und bergen in sich das fehlende Puzzleteil in der Geschichte von Ben, Chon und O.

Rezension:

Nachdem ich kürzlich erst Don Winslow für mich entdeckt habe und insbesondere Zeit des Zorns – Savages mich nachhaltig zu begeistern wusste, war schnell klar, dass ich baldmöglichst auch Kings of Cool, das Prequel zu besagter Geschichte zu lesen hatte, allein des Wiedersehens mit Ben, Chon und O wegen. Wer aus ähnlichen Beweggründen zu Winslows momentan aktuellstem Werk greift wird diesbezüglich auch nicht enttäuscht werden, denn unsere Hauptprotagonisten verhalten sich genauso, wie man sie aus dem vorangegangenen Nachfolger in Erinnerung hat und so steigt man beinahe augenblicklich in die gewohnt mitreißend konzipierte Geschichte ein.

»Wollt ihr einen Taco?«, fragt der Doc.
»Willst du Acid?«, fragt Diane zurück.
Jetzt die Titelmelodie von 2001.
Das ist der Moment.
Der bahnbrechende Hirnfick, der zur Entstehung der Gruppe führt, die bekannt wird als
The Association.
(Und jetzt Musik: »Along comes Mary«.)

Dabei bleibt sich Winslow seinem Stil durchweg treu und glänzt erneut mit geschliffenen, pointierten Dialogen, einer teils grenzenlos scheinenden lakonischen Ader und widersprüchlichen, manchmal radikalen Ansichten und Handlungen. Diesmal werden es gar über 300 Kapitel auf 350 Seiten, so dass es nicht verwunderlich ist, dass manches Kapitel aus einem schlichten Nein. besteht. Auch das Konzept, einzelne Kapitel wie Drehbuchskripte abzufassen setzt Winslow konsequent fort und erzielt damit einen beeindruckenden Effekt. Ansonsten erinnert er mich mit seinem lakonisch-poetischen Stil auch hier immer wieder an die altgedienten Beat-Poeten und offenbart ein Gespür für Sprache, das selbst in der deutschen Übersetzung noch mehr als deutlich ist, wofür wiederum der Übersetzerin Conny Lösch Tribut zu zollen ist.

Der Clou an Kings of Cool indes ist es aber, dass die Handlung zunächst im Jahre 2005 einsetzt und nach geraumer Zeit ins Jahr 1967 zurückspringt. In stetem Wechsel geben sich fortan Vergangenheit und Gegenwart die Klinke in die Hand und dem Umstand geschuldet, dass die Ereignisse in der Gegenwart teilweise beinahe minutiös, Ereignisse in der Vergangenheit vielmehr im Zeitraffer geschildert werden, nähern sich beide Zeitachsen nach und nach aneinander an und offenbaren auf den letzten 50 bis 70 Seiten auch die im Grunde offensichtlichen Zusammenhänge, die dennoch zu Teilen dem Leser vorher kaum klar gewesen sein dürften. Tatsächlich wirkt die Geschichte nur halb so konstruiert wie man es vielleicht erwarten würde und neben dem übergeordneten Generationen-Konflikt erfährt man gleichwohl wie nebenbei, wie Chon, Ben und O sich kennengelernt haben, wie die Idee für das Hydrogras entstanden ist oder wie Ben und Chon an Dennis geraten sind. Alles Dinge, die zweifelsohne auch in Zeit des Zorns angedeutet werden, hier aber, ohne den Erzählfluss zu hemmen, eingehender behandelt werden.

Vor allem aber schreibt Don Winslow auch in Kings of Cool merklich fundiert: Allerorten werden geschichtliche Fakten, politische Seitenhiebe und popkulturelle Anspielungen verbaut und fügen sich nahtlos in das stimmige Gesamtbild, das dadurch aber auch erheblich lebendiger wirkt. Auch spürt man deutlich, dass er sich in dem Metier des War on Drugs auskennt und wohlfühlt. Nicht zuletzt ist es aber erschreckend, wie dieser mittlerweile beinahe als alt zu bezeichnende Autor es vermag, eine derartige Jugendlichkeit zu versprühen und seinen Charakteren eine Ausdrucksweise angedeihen zu lassen, die so wenig aufgesetzt wirkt wie hier und gleichzeitig so viel – zweifellos gewollte – Coolness vermittelt.

Chon hält Neo-Hippies für schmuddelige, aufgrund ihrer veganen Ernährung teiggesichtige (»Friss’n Cheeseburger, Casper«), nach Patchouli-Öl stinkende, Birkenstock tragende, mit kleinen (grundsätzlich total verdreckten) Stoffsäckchen jonglierende, die Bürgersteige verstopfende, beschissene Fahrräder direkt vor dem Eingang von Starbucks (wo sie grünen Tee bestellen und sich von anderen Laptops borgen, um E-Mails zu checken und stundenlang sitzen, ohne jemals auch nur einen Cent Trinkgeld zu geben) parkende und halbnackt (so dass alle ihre bleichen, ausgemergelten Körper sehen müssen) im Park Yoga praktizierende Parasiten.

Alteingesessene Winslow-Fans dürfen sich übrigens noch über Gastauftritte von Frankie Machine und Booby Z freuen, die mir natürlich bis dato nur der Buchtitel wegen ein Begriff sind. Bleibt schlussendlich nur der Rat, nicht den Fehler zu begehen, zu glauben, es würde Sinn machen, Kings of Cool im Sinne eines Prequels vor Zeit des Zorns zu lesen, denn damit würdet ihr euch in vielen Belangen die Spannung verderben; schließlich findet alles, was noch passieren wird, bereits in diesem Roman seinen Anfang, ungeachtet der Tatsache, dass Winslow es erst hinterher geschrieben hat.

Fazit & Wertung:

Kings of Cool kommt genauso wortgewaltig und lakonisch daher wie der Vorgänger und hebt die Story um Ben, Chon und O durch die hinzugefügten Hintergründe auf eine neue Stufe. Den parallel verlaufenden Handlungssträngen zu unterschiedlichen Zeiten geschuldet, ist Winslows Werk diesmal allerdings nicht ganz so rasant und atemlos wie zuvor.

8,5 von 10 Nachwirkungen der Vergangenheit

Kings of Cool

  • Nachwirkungen der Vergangenheit - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Kings of Cool kommt genauso wortgewaltig und lakonisch daher wie der Vorgänger und hebt die Story um Ben, Chon und O durch die hinzugefügten Hintergründe auf eine neue Stufe. Den parallel verlaufenden Handlungssträngen zu unterschiedlichen Zeiten geschuldet, ist Winslows Werk diesmal allerdings nicht ganz so rasant und atemlos wie zuvor.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe als PDF.

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Kings of Cool ist am 17.09.12 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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Kommentare (3)

  1. Zeilenkino 2. Oktober 2013
  2. Lucky 16. April 2014

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