Jetzt ist die Woche auch fast schon wieder rum und ich offeriere einmal mehr eine neue Film-Kritik, bevor ich mich in den wohlverdienten Feierabend verabschiede, den ich aller Wahrscheinlichkeit nach entspannt auf der Couch verbringen werde, denn irgendwie waren die vergangenen vier Arbeitstage dann doch ganz schön anstrengend. Umso schöner, dass bald ja auch schon wieder Wochenende ist.
Haus des Zorns
The Harvest
The Harvest, USA 2013, 104 Min.
© Koch Media
John McNaughton
Stephen Lancellotti
Meadow Williams (Sandra)
Charlie Tahan (Andy)
Leslie Lyles (Grandmother)
Natasha Calis (Maryann)
Peter Fonda (Grandfather)
Drama | Horror | Mystery | Thriller
Trailer:
Inhalt:
© Koch Media
Andy ist gelähmt und wird von seinen Eltern im ländlich gelegenen Haus zwar nicht regelrecht gefangen gehalten, doch insbesondere die dominante und vor allem bisweilen regelrecht jähzornige Mutter Katherine verbietet ihm beinahe alles, was einen wahlweise ans Bett oder den Rollstuhl gefesselten Jungen interessieren könnte, während sich Vater Richard kaum je durchzusetzen weiß. So bleibt Andy abgesehen von der täglichen Routine und gelegentlichem Konsolenspiel nicht viel, was sich erst ändert, als nebenan die ähnlich alte Maryann einzieht. Schnell schließen sie und Andy Freundschaft, was Katherine in schiere Rage versetzt. So unternimmt sie alles, um den Kontakt zwischen den beiden zu unterbinden, doch Maryann lässt sich nicht so leicht verscheuchen. Bald schon aber kommt sie dahinter, weshalb es Katherine ein solches Anliegen ist, Andy vor der Außenwelt abzuschotten, wobei diese Entdeckung letztlich schrecklicher ist, als sich das junge Mädchen je hätte ausmalen können…
Rezension:
Vorrangig aufgrund des prestigeträchtig auf dem Cover prangenden Michael Shannon – der sich bekanntermaßen binnen weniger Jahre und mehr als einem Dutzend Filme prompt zu meinen Lieblingsdarstellern gemausert hat – habe ich vor nunmehr geraumer Zeit zu Haus des Zorns – The Harvest gegriffen, gleichwohl die Aufmachung im Grunde schon sehr etwas in Richtung B-Movie-Ware vermuten ließe. Dabei ist Regisseur John McNaughton mitnichten ein unbeschriebenes Blatt, derweil seine letzte Spielfilm-Regie-Arbeit allerdings nun auch schon rund zwei Dekaden zurückliegt und er auch seit diesem 2013 veröffentlichten Film nichts mehr produziert hat. Nun sollte mich dieser erste Eindruck aber trügen, denn in erster Instanz präsentiert sich der Film zunächst einmal als reichlich beklemmendes Familiendrama, in dem insbesondere Samantha Morton (Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind) als herrische Mutter Katherine zu brillieren versteht, denn ihre bedrohliche Art und die herzlose Weise, ihren eigenen Sohn zu behandeln, später auch mit bloßen Blicken Maryann in die Flucht zu schlagen, spricht schon sehr für ihr darstellerisches Talent und verdient in diesem Kontext Hochachtung.
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Leider aber werden zunächst die Beweggründe für ihr Handeln nicht im Ansatz erklärt und auch wenn Michael Shannon (Nocturnal Animals) als deren duckmäuserischer und sich in Schicksal fügender Ehemann Richard gleichsam überzeugt, fehlen ihm schlichtweg dramaturgisch die Chancen, echte Akzente zu setzen. So mag sein Talent zwar nicht regelrecht verschwendet sein, bildet er schließlich die innere Zerrissenheit und den Zwiespalt von Richard gekonnt ab, vermag aber auch nicht dergestalt zu glänzen, wie man das aus seinen besten Arbeiten kennen mag. So gerät das Paar zwar immer wieder und immer öfter in Streit miteinander, insbesondere was die Medikamentierung und Behandlung ihres Sohnes Andy betrifft, was eine zutiefst desolate, regelrecht zerrüttete Familiensituation skizziert, die merklich unter Andys Lage zu leiden hat, doch gibt es eben auch nie Zweifel darüber, dass sich hinter all dem noch mehr verbergen muss. Was bis dahin aber überzeugendes, weil beklemmendes Familien-Drama gewesen ist, verliert mit der letztlichen Offenbarung durch Entdeckung seitens Maryann auch viel von ihrem Reiz, weil es insbesondere das bis dahin so irrational wirkende Verhalten der Mutter schnell vollends entzaubert.
Grundsätzlich bin ich ja ein großer Fan von Filmen, die sich entweder einer Genre-Zuordnung verweigern oder im Verlauf ihrer Handlung eine Hundertachtziggrad-Wende durchmachen, doch glückt dies McNaughton bei Haus des Zorns leider nicht wirklich, zumal man schnell ahnt, in welche Richtung es gehen könnte oder müsste, was dann wiederum dem einen großen Überraschungsmoment seine Faszination nimmt. Und womit Morton zunächst beeindruckt hat, wirkt in der zweiten Hälfte dann auch immer öfter wie zunehmend verzweifeltes Overacting, während sich Shannon weiter in die stille Melancholie seiner Figur flüchtet. So hätte ich mir hier beinahe gewünscht, es wäre bei dieser Art Familien-Drama geblieben und man hätte eine bodenständigere und alltäglichere Storywendung nutzen können, um dem Ganzen noch einen gewissen Kniff zu verleihen, denn die Marschrichtung des Films, wenn er sich dann zu dem angepriesenen Psycho-Thriller mausert, wusste mich kaum hinter dem Ofen hervorzulocken, geschweige denn zu fesseln.
© Koch Media
Es gibt aber freilich auch Lichtblicke, denn nicht nur die erste Hälfte von Haus des Zorns – vielleicht sogar zwei Drittel – ist außerordentlich gelungen, nein, auch die Jungdarsteller wissen zu überzeugen und sowohl der aus Wayward Pines bekannte Charlie Tahan als Andy, besonders aber die mir bis dato unbekannte, Maryann verkörpernde Natasha Calis, spielen mit entwaffnender Natürlichkeit und wissen die aufkeimende Freundschaft der beiden Jugendlichen glaubhaft in Szene zu setzen, während man unweigerlich mitzufiebern beginnt, wenn diese sich verzweifelt gegen die Umstände (und vor allem Katherine) aufzulehnen versuchen. Das tröstet aber auch nicht darüber hinweg, dass McNaughtons Film mit seinem Twist und der damit einhergehenden Kehrtwende dann doch noch schnell und unweigerlich in die befürchteten B-Movie-Abgründe schlittert. Damit macht er einiges zunichte von dem, was er bis dahin sorgsam aufzubauen wusste, zumal der inszenatorische Bruch auch mitnichten frei von dramaturgischen Schlaglöchern vonstattengeht und in seiner überstürzten Art wirkt, als wäre dem Regisseur sein Film schlichtweg entglitten. Und da hilft dann auch kein vermeintlich reißerisches Finale nicht mehr, denn das Interesse an den Figuren und ihrem Schicksal ist bis dahin leider weitestgehend verpufft, zumal man ab einem gewissen Moment ohnehin weiß, wie alles enden wird, ja enden muss.
Haus des Zorns – The Harvest
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Wutausbrüche einer kontrollsüchtigen Mutter - 6/10
6/10
Fazit & Wertung:
John McNaughton schafft mit Haus des Zorns – The Harvest zunächst ein eindringlich inszeniertes und beklemmend vorgetragenes Familien-Drama, das gerne in diesem Metier hätte bleiben dürfen, doch stattdessen entschließt er sich, mithilfe eines wenig überraschenden Twist das Ganze noch in Richtung Psycho-Thriller zu scheuchen, was leider viele der zuvor so sorgsam gehegten Qualitäten ad absurdum führt und in ein vorhersehbares wie enttäuschendes Finale mündet.
Haus des Zorns – The Harvest ist am 23.11.17 auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!