So, ich habe dann auch mal wieder jüngst ein Buch beendet und es dürstet mich, euch davon zu berichten. Warum? Natürlich weil ich ähnlich angetan bin wie von den bisherigen Werken von Don Winslow, die ich mittlerweile mein Eigen nennen darf. Also eilt herbei und genießt meine neueste Buch-Kritik! Und macht euch natürlich auch sonst einen schönen Abend!
Frankie Machine
The Winter of Frankie Machine, USA 2006, 364 Seiten
© Suhrkamp Verlag
Don Winslow
Suhrkamp Verlag
978-3-518-46121-1
Krimi | Thriller
Inhalt:
»Normale Menschen setzen sich hin, wenn sie frühstücken«, hat Donna ihn belehrt.
»Ich sitze doch«, war Franks Antwort. »Ich sitze und fahre.«
Wie nennt Jill das? Die jungen Klugscheißer von heute glauben, es sei ihre Erfindung, dass man mehrere Sachen gleichzeitig machen kann. (Die hätten mal Kinder großziehen sollen wie wir früher, bevor es Wegwerfwindeln, Mikrowelle und Waschmaschinen mit Trockner gab.) Also haben sie sich eine lustige Bezeichnung dafür ausgedacht – Multitasking. Ich bin wie die jungen Klugscheißer, denkt Frank. Ich multitaske.
Frank Macchiano, ein rüstiger Mann von 62 Jahren, ist ein fester Teil der Strand-Szene von San Diego und man kennt ihn nicht nur seines Angelladens wegen, sondern auch als betagten Surfer und Teil der hiesigen Herrenrunde. Frank ist auch ein Freund guten Essens, liebt seine Freundin Donna, seine Tochter Jill und seinen frisch gemahlenen und gebrühten Kaffee. Alle lieben Frank, den Mann vom Angelladen. Früher allerdings kannte man ihn als Frankie Machine, einen gnadenlos effizienten und pragmatischen Mafiakiller, doch diese Zeiten sind lang vorbei und Frank bereut es keinen Tag, sich zur Ruhe gesetzt zu haben.
Doch eines Tages holt ihn die Vergangenheit ein und auch wenn er nicht gerade überrascht ist, dass ihm jemand nach dem Leben trachtet, gilt es zunächst, den Drahtzieher zu ermitteln. Dumm nur, dass die Liste der Verdächtigen länger ist als die kalifornische Küste. Frank taucht unter und beginnt, sich seiner Anfänge als Mobster zu erinnern, jung und noch grün hinter den Ohren. Er erinnert sich, wie er in der Hierarchie der Mafia beständig nach oben stieg und durchforstet dabei sein Gedächtnis nach dem einen Hinweis, der ihm eröffnen könnte, wer es auf ihn abgesehen haben mag. Doch nicht nur seine Feinde mobilisieren derweil ihre Kräfte, auch das FBI nimmt eine lange verloren geglaubte Fährte wieder auf, um einen der berüchtigtsten Killer schlussendlich dingfest machen zu können.
Rezension:
Es ist ja kein Geheimnis, dass Frankie Machine mitnichten der erste Roman ist, den ich von Don Winslow verschlingen durfte, doch bedeutet das auch, dass ich eine ziemlich genau Vorstellung zu haben schien, was mich erwarten würde und es ehrt Herrn Winslow sehr, dass er mich dennoch genauso mitzureißen wusste wie schon mit einem Großteil seiner vorangegangenen Romane (die durchaus teils erst später erschienen sind, ich weiß), denn er macht nicht den Fehler, Altbekanntes zu wiederholen, sondern stürzt sich, trotz der gemeinhin bekannten Grundzutaten, in immer neue Abenteuer. So ist Frankie Machine seiner Glanzzeit längst entwachsen und hat sich von der organisierten Kriminalität abgewandt, um ein ruhiges und beschauliches Leben zu führen, inklusive Angngelladen, Herrenrunde und gelegentlicher Surf-Ritte im rüstigen Rentner-Alter. Es könnte alles so schön sein und Winslow nimmt sich wirklich die Zeit, diesem Umstand zu huldigen und die Geschichte erst in Fahrt kommen zu lassen, als diese Grenzen gesteckt und verdeutlicht worden sind.
Als er diesmal in seine Straße einfährt, steht ein Auto in der Durchfahrt.
Ein Auto, das er nicht kennt.
Frank kennt die Nachbarn, kennt alle ihre Fahrzeuge. Keiner hat einen Hummer. Und selbst bei dem strömenden Regen sieht er die zwei Typen auf dem Vordersitz.
Das sind keine Profis, soviel ist klar.
Profis würden niemals eine so auffällige Karre benutzen. Und Cops sind es auch nicht, weil nicht mal das FBI den Etat dafür hat.
Dann allerdings gibt es kein Halten mehr und der Thriller entwickelt sich ein weiteres Mal zum Page-Turner, obwohl zugegebenermaßen zunächst in der Gegenwart herzlich wenig passiert und Frankie sich die Zeit nimmt, zu rekapitulieren, wie es ihn zu dem Punkt im Leben gebracht hat, an dem er in der Gegenwart des Romans steht und wer ihm nach dem Leben trachten könnte. Aus diesem Grund unterzieht er vergangene Geschehnisse und vergessene Freundschaften einer neuerlichen Betrachtung, um hinter dieses Rätsel zu kommen, stochert dabei zunächst jedoch im Dunkeln, ohne zu ahnen, dass er sich der schlussendlichen Wahrheit natürlich mit jeder Überlegung, jeder Erinnerung unweigerlich nähert.
In diesen Rückblenden erfahren wir eine ganze Menge über Frankies Werdegang, während der eigentliche Plot der Geschichte auch konsequent im Präsens verfasst ist und sich damit auch in Stil und Darbietung von Frankie Machiannos Vergangenheit wohltuend abhebt. Ebenso wie Frank tappt auch der Leser von Frankie Machine zunächst gänzlich im Dunkeln und es dauert eine ganze Weile, bis man hinter die Fassade zu blicken beginnt, doch Winslow wäre nicht Winslow, wenn er nicht auch noch Überraschungen aus dem Ärmel zaubern würde, wenn man sich schon längst der Auflösung sicher wähnt, wobei diese Kniffe – und das kann nicht häufig genug betont werden – nie wie aus dem Hut gezaubert wirken, sondern sich stets auf der vorangegangenen Geschichte gründen und sich folglich stimmig und überzeugend in den Kontext betten lassen.
Mike grinste. »Du bist eine Maschine«, sagte er. »Frankie Machine.«
»So hieß doch der Mann, den Sinatra gespielt hat, oder?«, fragte Frank.
»Der Mann mit dem goldenen Arm«, sagte Mike. »Der war ein Junkie.«
»Na toll.«
»Aber du«, sagte Mike, »bist der Mann mit der goldenen Hand. Frankie Machine.«
Der Name blieb an ihm hängen.
Einzig der Schlussakt selbst, die letzten paar Seiten, waren mir persönlich dann aber nur allzu bekannt und ein unnötiges Einlenken im Vergleich zu der bis dahin offerierten Geschichte, die an Spannung, überraschenden Wendungen und genialen Einfällen kaum zu überbieten war, darstellt und den Gesamteindruck – wenn auch nur unerheblich – schmälert. Davon abgesehen lässt Winslow den Leser allerdings über rund 350 Seiten tief in die Psyche des ehemaligen Gangsters blicken und weiß ihn durch seine Integrität und Moralvorstellungen auch überzeugend von den anderen Ganoven abzugrenzen, so dass Frankie Machine trotz seiner umtriebigen Vergangenheit nie die Sympathien des Lesers verspielt.
Frankie Machine
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Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Nachdem Frankie Machine recht beschaulich beginnt, entpuppt er sich nach kurzer Zeit als überraschend vielschichtiger, clever konstruierter Thriller um einen berüchtigten Mafiosi, der mit seiner Vergangenheit eigentlich abgeschlossen hat, nun aber, um sein Leben zu retten, die letzten Jahrzehnte notgedrungen Revue passieren lässt.
Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Suhrkamp Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.
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Frankie Machine ist am 21.09.09 im Suhrkamp Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den Link und unterstützt damit das Medienjournal!