Und weil es so schön war, komme ich heute direkt mit einer weiteren Film-Kritik um die Ecke, habe ich schließlich immerhin das Portrait gestern dazwischengeschoben. Ohne weiter große Worte zu verlieren, wünsche ich euch wenigstens so viel Freude bei der Lektüre meiner Kritik, wie ich bei Sichtung des Films hatte (und ja, das war eine gaaanze Menge)!
The Wolf of Wall Street
The Wolf of Wall Street, USA 2013, 180 Min.
© Universal Pictures
Martin Scorsese
Terence Winter (Drehbuch)
Jordan Belfort (Buch-Vorlage)
Leonardo DiCaprio (Jordan Belfort)
Jonah Hill (Donnie Azoff)
Margot Robbie (Naomi Lapaglia)
Matthew McConaughey (Mark Hanna)
Kyle Chandler (Agent Patrick Denham)
Rob Reiner (Max Belfort)
Jon Bernthal (Brad)
Jon Favreau (Manny Riskin)
Jean Dujardin (Jean Jacques Saurel)
Biografie | Komödie | Krimi | Drama
Trailer:
Inhalt:
Anfang der Neunziger könnte Jordan Belfort kein schöneres Leben führen: Er hat eine attraktive Frau, fährt er die schnellsten Autos, besitzt ein riesiges Anwesen, besucht die dekadentesten Partys, wird von seinen Mitarbeitern vergöttert und hat mit seiner Firma Stratton Oakmont im letzten Jahr satte 49 Millionen Dollar verdient. Vier Jahre zuvor allerdings war Belfort noch ein blutiger Anfänger, kam frisch an die Wall Street und war mit einer Friseurin liiert. Schnell findet er in dem Broker Mark Hanna einen Mentor, der ihn unter anderem in die Kunst des Koksens (beim Lunch) und Wichsens (nach dem Lunch) einführt (um das Gleichgewicht zu wahren). Doch kaum hat Belfort seine Prüfung zum Broker wenige Zeit später bestanden, kommt am 19. Oktober 1987 der Schwarze Montag, der größte Börsenkrach seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 und Belfort verliert seinen Job bei der bald insolventen Firma L.F. Rothschild. In dem festen Willen, wieder auf die Beine zu kommen, heuert er bei einem Kleinst-Brokerunternehmen in Long Island an und beginnt im Grunde wertlose Penny-Stocks zu verschleudern, deren Provisionen derweil weit höher liegen als von regulär gehandelten und gelisteten Aktien.
© Universal Pictures
Dank seines Verkaufstalents kommt Belfort bald zu Geld und als sein Nachbar Donnie Azoff von den Gewinnmöglichkeiten erfährt, bietet er an, bei Belfort einzusteigen und gemeinsam gründen sie Stratton Oakmont, unterziehen kurz darauf ihre Firma einem Imagewandel, wenden sich von der Arbeiterschicht ab und versuchen fortan, reiche Kunden mit Blue-Chips zu ködern, im sie infolgedessen für die risikoreicheren Penny-Stocks erwärmen zu können. Stratton Oakmont wächst und gedeiht, Belfort ist bald als der Wolf der Wall Street bekannt und die Börsenmakler reißen sich darum, für ihn zu arbeiten, feiert er schließlich auch ständig ausschweifende Feste und wilde Orgien im Büro. Und während Belforts Ehe in die Brüche zu gehen droht, als er auf einer seiner Partys Naomi Lapaglia kennenlernt, beginnt auch nach und nach das FBI, sich für die immer dubioser und undurchsichtiger werdenden Geschäfte von Stratton Oakmont zu interessieren.
Rezension:
Martin Scorseses The Wolf of Wall Street ist ein einziger, sich nie zu zügeln wissender Exzess, ein auf Gedeih und Verderb vorwärtspreschendes Vehikel voller Sex, Drogen, Geld, und noch mehr Drogen, Geld und Sex, dem das vermeintlich richtige Maß schon in den ersten Minuten abhandenzukommen scheint, wenngleich die Geschichte dann doch noch einmal kurz zurückrudert, sprich, in die Vergangenheit reist, um den Aufstieg von Jordan Belfort in aller Ausführlichkeit zu schildern und zu bebildern. Der eigentliche Clou ist hierbei aber nicht das bereits bekannte und mehrfach als Stilmittel genutzte Durchbrechen der vierten Wand, wenn sich Leonardo DiCaprio als Belfort ein ums andere Mal direkt an den Zuschauer wendet, sondern vielmehr dessen verklärte und subjektive Sicht auf das Geschehen, denn wenn ein anfänglich rotes Cabrio nach Belforts Protest, es sei aber weiß gewesen, die Farbe wechselt, ist dies noch ein beinahe dezent zu nennender Hinweis darauf, dass man nichts, aber wirklich nichts in diesem Film für bare Münze nehmen darf, entspringt es schließlich in einer Tour dem Geiste und den Erzählungen Belforts.
© Universal Pictures
Von diesem Grundsatz ausgehend ist es auch kaum verwunderlich, dass sich Belforts Entourage wie eine Aneinanderreihung von Klischees ausnimmt und genüsslich over the top agiert, nicht so sehr selbstverständlich wie Scorseses Stammschauspieler DiCaprio, der hier so energetisch und leidenschaftlich spielt, schreit, kokst, flucht, trinkt, lügt und natürlich herumhurt, dass es eine wahre Freude ist. Eine Rolle übrigens, für die er einmal mehr sicherlich den Oscar verdient hätte, den er dieses Mal Matthew McConaughey für Dallas Buyers Club überlassen musste, der aber auch in The Wolf of Wall Street ganz zu Beginn eine kleine, aber überaus markante und vor allem richtungsweisende Rolle als Belforts anfänglicher Mentor bekleidet. Doch selbst Jonah Hill gefällt in seiner Rolle, wenn er auch merklich dazu dient, den komödiantischen Aspekt des Films noch hervorzuheben und tatsächlich ist der Film über weite Strecken zum Brüllen komisch, verpasst es aber gleichsam nicht, über den Film gewordenen Exzess und viele zugegebenermaßen extrem überdrehte und exzentrische Szenen hinaus auch leise Töne anzuschlagen und sich als Drama zu empfehlen, wenn derartige Entgleisungen aber selbstredend alsbald von der nächsten eskapistischen Orgie abgelöst werden.
© Universal Pictures
Glanzstück des Films ist aber unzweifelhaft Leonardo DiCaprio, vor allem, weil es ihm ein ums andere Mal gelingt, den Zuschauer auf die Seite Belforts zu ziehen oder zumindest gewisse Sympathien zu wecken und das in dem festen und unumstößlichen Wissen, dass es sich bei dem Lebemann und Dandy um ein absolutes, opportunistisches Arschloch handelt, dem nichts mehr am Herzen liegt als das eigene Wohl – und natürlich Geld, Sex, Drogen und noch mehr… – ach nein, das hatten wir ja schon. Dadurch, dass The Wolf of Wall Street aber dermaßen auf One-Man-Show getrimmt ist, geraten auch einige vielversprechende Figuren ins Hintertreffen, seien es Jon Bernthal (The Walking Dead) als über die Maßen gebräunter Bodybuilder, Jon Favreau als Anwalt oder auch Rob Reiner als Belforts sprunghaft cholerischer wie sanftmütiger Vater Max, wobei dieser zumindest einige großartige Szenen spendiert bekommt. Am ehesten aus der Masse heraus sticht aber vor allem das in der Kinolandschaft noch beinahe unbeschriebene Blatt Margot Robbie, die sich im Verlauf der Handlung nicht nur vom bloßen Eye-Candy zu einer ernstzunehmenden und komplexen Figur entwickelt, sondern diesen Wandel auch noch glaubhaft darzustellen versteht. Ebenfalls dem subjektiven Storytelling von Belfort geschuldet, bleibt Kyle Chandler als FBI-Agent Patrick Denham wiederum auffallend blass und das, obwohl er den direkten Antagonisten zu dem aufstreben Börsen-Guru geben darf, der aber nun einmal in Belforts Augen pedantisch und langweilig, abgehalftert und borniert wirkt und folglich auch die meiste Zeit so dargestellt wird.
© Universal Pictures
Besonders auffällig bei The Wolf of Wall Street, neben den zahlreichen Darstellern und deren vortrefflichen Leistungen sowie der exzessiven Party, die sich mit nur kurzen Unterbrechungen über die nicht gerade magere Laufzeit von drei Stunden auf die Leinwand ergießt, ist aber vor allem, dass Scorsese es versteht, das Verhalten seiner Figuren nicht zu werten und sich auch den erhobenen Zeigefinger spart, so dass man ihm zwar einerseits vorwerfen könnte, er glorifiziere diesen ausschweifenden und rücksichtslosen Lifestyle, andererseits aber attestieren – und dieser Lesart bin ich deutlich mehr zugetan – , dass er es dem Zuschauer selbst überlässt, sein Urteil zu fällen, zumal der Film nicht nur himmelhochjauchzend Satire schreit, sondern vor allem allein aus Belforts Sicht geschildert wird – und das der einen Hang zur Übertreibung und Schönfärberei hat, weiß man spätestens nach zehn Minuten. Und so bleibt für mich am Ende einer der frischesten, frivolsten Filme der letzten Jahre, der trotz 180 Minuten Laufzeit wie im Fluge vergeht und die Messlatte der mittlerweile zahlreichen Scorsese-DiCaprio-Kooperationen erneut ein gutes Stück höher legt.
© Universal Pictures
The Wolf of Wall Street
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Bis zum Äußersten getriebene Exzesse - 10/10
10/10
Fazit & Wertung:
Mit The Wolf of Wall Street ist Martin Scorsese nicht nur eine umwerfend einnehmende Satire gelungen, sondern auch ein mit Witz und Esprit gespicktes Feuerwerk an Absurdität und Exzess, das seinesgleichen suchen dürfte, einen Leonardo DiCaprio in Höchstform zeigt und nicht zuletzt ein ganzes Sortiment an denkwürdigen wie kultverdächtigen Szenen offeriert.
Meinungen aus der Blogosphäre:
Cellurizon: 9,5/10 Punkte
ERGOThek: 4,5/5 DeLoreans
Filmherum: 3,5/5 Punkte
The Wolf of Wall Street ist am 30.05.14 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universal Pictures erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
DVD:
Blu-ray:
Mich hat der Film (und ja er ist maßlos übertrieben) schon in den ersten Minuten gepackt und das er so lange dauert, merkt man wirklich nicht. Schauspielerisch finde ich DiCaprio wieder extrem gut und je älter er wird umso besser kommt mir vor. Es stimmt leider auch, das sämmtliche Schauspieler in diesem Film (außer seine gelegentlichen Spielgefährtinen) nicht wirklich hervorgehoben werden und etwas verblassen. Das ist wieder ein Film, den mag man oder nicht, wie Sin City ;-)
Liebe Grüße
Bezüglich DiCaprio schließe ich mich an, der wird wirklich mit jedem Jahr und Film besser. Daneben muss man auch blass aussehen, ganz klar, wobei ich jetzt die ‘Spielgefährtinnen’, abgesehen von seiner zweiten Ehefrau, doch noch deutlich blasser und austauschbarer fand als Hill, McConaughey, Reiner etc. Türlich, den Film – oder die Art von Film – muss man mögen und ich kann auch eher die Negativ-Stimmen verstehen (die sich dann sicherlich etwas völlig anderes erwartet haben) als die So-la-la-Wertungen.
Liebe Grüße zurück ;-)
Oh das mit den Spielgefährtinnen hat sich nicht auf deren schauspielerische Leistung bezogen ;-) *gg*
Mir war da ja etwas zu lang. Aber da sist bei mir generell bei 3 Stunden Film so. Der Film selber hat mir aber auch durchaus gefallen. Das einzige, was ich ihm ankrieden muss, ist, dass es keine wirklichen Charaktere gibt. Das sind eigentlich alles die selben Figuren, die nur Party machen, sich zukoksen und eben geldgeil sind ohne Ende. Mit etwas mehr Charaktertiefe wäre das wohl noch besser geworden. Aber trotzdem ein guter Film, den ich nur nicht ganz so abfeier, wie die meisten Leute.
Stimmt, wirkliche Charaktere gibt es nicht, was ich für mich eben darauf zurückgeführt habe, dass eben Belfort selbst eine Geschichte erzählt, aber es stimmt schon, dass es in der Beziehung doch deutlich tiefer hätte gehen und den Film noch bereichern können.
Also mir hat der Trailer gereicht. Diesen drei Stunden langen Verherrlichungslobgesang auf widerliche Supermacho-Börsen-Blutsauger und ihre Exzesse muss ich mir nicht geben, auch wenn alle sagen dass der ja soooooo toll ist.
Also nen Verherrlichungslobgesang ist es eigentlich nicht, auch wenn der Film sich dieser Lesart nicht verschließt, aber muss dich ja auch nicht reizen – ich verweigere auch bis zum heutigen Tage das ‘Harry Potter’-Franchise, obwohl alle sagen, dass die Filme (teilweise) sooo toll seien ;-)
Der Reiz dieses Films ist für mich eines der größten Rätsel unserer Zeit. Hab in meinem Leben nur sehr wenig noch Schlechteres gesehen als das hier.
Ich habe auch eigentlich nichts anderes erwartet, aber wenn du mal etwas (noch) Schlechteres sehen möchtest, kann ich dir – ohne ihn zu kennen – diesen Film ans Herz legen: http://derfilmtipp.blogspot.de/2014/12/der-filmtipp-poseidon-rex-monstermaig.html ;-)
Der ist vermutlich unterhaltsamer in all seiner Trashiness als der Scorsese hier ;-)