Und so schließe ich heute eine weitere von vielen Lücken in meinem filmischen Repertoire und auch wenn dieser Shakespeare-Adaption durchwachsene Kritiken beschert worden sind, wusste mich diese Interpretation doch ziemlich gut in ihren Bann zu ziehen. Aber was rede ich, lest doch einfach die nun folgende Rezension!
MacBeth
MacBeth, UK/FR/USA 2015, 153 Min.
© STUDIOCANAL
Justin Kurzel
Todd Louiso (Drehbuch)
Jacob Koskoff (Drehbuch)
Michael Lesslie (Drehbuch)
William Shakespeare (Stück)
Paddy Considine (Banquo)
Sean Harris (Macduff)
Jack Reynor (Malcolm)
Elizabeth Debicki (Lady Macduff)
David Thewlis (Duncan)
Drama | Krieg | Historie
Trailer:
Inhalt:
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Nachdem der Heerführer Macbeth im mittelalterlichen Schottland ein feindliches Heer in einer blutrünstigen Schlacht zu vernichten wusste, erscheinen ihm drei Frauen, die prophezeien, er würde alsbald zum Thane von Cawdor ernannt werden und während Macbeth noch an deren Worten zweifelt, ist es der König selbst, der ihm diese Ehre tatsächlich zuteilwerden lässt. Vom eigenen Machthunger und den Einflüsterungen der Lady Macbeth getrieben, hat Macbeth alsbald aber weit größere Ambitionen und schreckt nicht einmal vor Mord zurück, um selbst König zu werden. Doch je größer die Macht von Macbeth, umso größer auch seine Angst vor seinem Fall, weshalb er sich bald selbst gegen seine engsten Vertrauten wendet, derweil Lady Macbeth langsam zu begreifen beginnt, wohin ihr Machtstreben sie und ihren Mann geführt hat…
Rezension:
Lange Zeit schon wollte ich mich dieser neuesten, jüngsten, aktuellsten Interpretation des Shakespeare’schen Klassikers widmen und derweil der Stoff von Macbeth an sich hinlänglich bekannt ist, waren es zugegebenermaßen die Beteiligung von Michael Fassbender und Marion Cotillard, die mich hellhörig werden ließen, haben beide schließlich schon des Öfteren ihr wahnsinniges Talent unter Beweis gestellt und treten hier als Macbeth und Lady Macbeth in Erscheinung. Und ja, Justin Kurzel geht in seiner Interpretation des Stoffes einen eigenwilligen Weg, der es vielen Zuschauern schwer machen dürfte, sich in den Stoff hineinzuversetzen und der Geschichte zu folgen, sich von ihr einnehmen und faszinieren zu lassen, doch gerade diese ungewöhnlich offensive Unzugänglichkeit war es, die mir auch mit am meisten imponiert hat, denn Kurzel versucht nichts zu beschönigen und inszeniert die Tragödie bewusst rau und voller Fatalismus, derweil er sich beim gesprochenen Wort doch sehr an der Prosa Shakespeares orientiert, was allein schon eine ungewohnte Verquickung unterschiedlicher stilistischer Elemente ergibt, die mich mehr als einmal an Ralph Fiennes‘ Coriolanus hat denken lassen.
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Während Fiennes aber das Geschehen der römischen Antike in die heutige Zeit verfrachtet, bleibt Macbeth voll und ganz im finsteren Mittelalter verhaftet und sucht die Schönheit in der kargen Faszination unwirtlicher Landschaften, was die vorherrschende Tristesse noch untermauert. So sind es anfänglich überwiegend nebelverhangene (Schlacht)Felder, trostlose wie endlose Landschaften und völlig verloren wirkende Ortschaften inmitten dieser Ödnis, die das Geschehen dominieren, doch am englischen Hof schließlich bleibt auch Platz für Prunk und Bombast, der im krassen Widerspruch zu Macbeth‘ zunehmend desolater werdendem Geisteszustand steht. So nimmt sich Kurzel einerseits gewisse dramaturgische Freiheiten, bleibt nach meinem Dafürhalten dem klassischen Stoff aber mehr als treu, wohingegen sich darüber streiten ließe, ob die vorgetragenen Verse mit einem Mehr an Pathos nicht eindrucksvoller hätten wirken können, als dergestalt dahin genuschelt, wie es hier häufig der Fall ist.
Nichtsdestotrotz ist es ein Aspekt speziell, der diese Fassung von Macbeth so lohnenswert macht und ihr die nötige Eigenständigkeit verleiht und das ist tatsächlich die Beteiligung von Michael Fassbender (12 Years a Slave), der eine ungemein rohe, maskuline Präsenz zu verströmen weiß und sich gerade im Wechselspiel mit der nicht minder packenden Darbietung von Marion Cotillard (Midnight in Paris) zu entfalten weiß, die auf den ersten Blick nicht unbedingt wie die erste Wahl für Lady Macbeth wirken mag, hier aber eine dermaßen packende Darbietung abliefert, dass ich mir lange Zeit niemand anderen mehr in der Rolle vorstellen könnte, denn die Gratwanderung in Bezug auf die einerseits manipulative Ader, andererseits auf die ihr innewohnende Zerbrechlichkeit und den tief in ihr verwurzelten Schmerz bezogen ist nur schwer zu meistern und hat mich mehr als einmal in Staunen versetzt.
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Und derweil es wenig überraschend die Hauptfiguren sind, die das Geschehen nachhaltig dominieren, beweist Kurzel auch beim Rest des Casts ausgesprochenes Gespür für charismatische Charakterdarsteller, sodass sich weder Paddy Considine (Kind 44) als Macbeth‘ getreuer Weggefährte Banquo zu verstecken braucht, noch Sean Harris in der Rolle des Macduff, derweil einzig die nun vermehrt auf der Leinwand anzutreffende Elizabeth Debicki (Codename U.N.C.L.E.) hier quasi nichts zu tun bekommt. Nicht unerwähnt bleiben soll last but not least aber auch der wie immer großartige David Thewlis (Legend) als König Duncan, wenngleich man ihn – der Handlung des Stücks geschuldet – nur anfänglich zu Gesicht bekommt. Macbeth mag nicht frei von Mängeln sein, doch lohnt sich diese Neuinterpretation für all diejenigen, die einerseits nicht auf Shakespeare’sche Sprache verzichten möchten, andererseits ein auf Realismus setzendes Szenenbild nicht zu verachten wissen, zumal sich Kurzel zuweilen trotz des vorherrschenden Feelings von roher, wilder, ungezähmter Wildnis und der derben und blutigen Ausgestaltung seines Settings mehr als einmal darauf verlegt, geradezu poetische Bildeinstellungen und Szenen zu generieren, bei denen man selbst in den tragischsten und brutalsten Momenten einer merkwürdigen Schönheit gewahr wird, die dem Geschehen gemeinsam mit der formvollendeten Sprache eine einmalige Atmosphäre und Ausstrahlung angedeihen lassen, wenn man denn bereit ist, sich voll und ganz auf diese Interpretation der klassischen Tragödie einzulassen.
Macbeth
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Sich bewahrheitende Prophezeiungen - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Mit seiner Interpretation von Shakespeares Macbeth erfindet Regisseur Justin Kurzel das Rad sicherlich nicht neu, doch findet er wahrhaft eindrucksvolle, düstere und teils brachiale Bilder, die gerade in Kombination mit poetischen Sprache eine ungemeine Wirkung entfalten, die durch die exzellente Wahl der DarstellerInnen noch verstärkt wird, denn nicht nur Fassbender und Cotillard überzeugen in dieser Adaption auf ganzer Linie.
MacBeth ist am 07.04.16 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von STUDIOCANAL erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
Bei der visuellen Eindringlichkeit gehe ich mit. Die ist hier tatsächlich gelungen. Aber ich bin mit den Figuren überhaupt nicht warm geworden. Weder Fassbender, noch Cotillard konnten mich nachhaltig beeindrucken. Ihr Spiel empfand ich als zu aufgesetzt.
Da stimme ich dir zu! Visuell ist der Film äußerst beeindruckend, sowohl in den Bildern, die die schottische Landschaft zeigen, als auch in der Farbgebung, als auch, was die Bildkomposition anbelangt. Aber ich hatte auch mit den Figuren meine Probleme: Für mich kam weder rüber, warum Macbeth seinen König Duncan tötet, noch ab welchem Zeitpunkt seiner ehrgeizigen Frau Lady Macbeth das Ganze dann doch über den Kopf wächst und was genau sie in den Selbstmord treibt. Dabei fand ich Fassbenders Spiel noch ganz gut, aber Cotillard hat mir überhaupt nicht gefallen – und das, obwohl ich sie sonst sehr mag!
Ich fand die Bilder, die Atmosphäre und die Musik auch stark, aber durch die inhaltliche Reduzierung wirkte die Sprache auf mich sehr sperrig.
http://www.kino.vieraugen.com/kino/macbeth-2015/