Review: Nordische Mythen und Sagen | Neil Gaiman (Buch)

Heute reden wir mal über ein etwas andersartiges Buch, denn in den vergangenen Tagen habe ich mich ausnahmsweise mal nicht einem klassischen Roman gewidmet, sondern nordischen Mythen und Sagen, frisch und frei interpretiert von Neil Gaiman.

Nordische Mythen und Sagen

Norse Mythology, USA 2017, 256 Seiten

Nordische Mythen und Sagen von Neil Gaiman | © Eichborn Verlag
© Eichborn Verlag

Autor:
Neil Gaiman
Übersetzer:
André Mumot

Verlag (D):
Eichborn Verlag
ISBN:
978-3-847-90636-0

Genre:
Fantasy | Abenteuer

 

Inhalt:

In Nordische Mythen und Sagen schickt sich Neil Gaiman an, all die Geschichten der Götter und Riesen, der Monster und Gefahren neu zu erzählen. Er kündet von der Entstehung der Welt und warum Odin auch der Allvater genannt wird, erzählt vom Baum Yggdrasill inmitten der neun Welten und davon, wie Loki drei Kinder mit der Riesin Angrboda zeugte, welche die Midgardschlange, die Herrscherin der Unterwelt und der weltenverschlingende Wolf Fenrir werden sollten. Doch er spricht auch davon, wie Thor zu seinem Hammer kam oder Odin die Poesie in die Welt brachte. Dies und vieles weitere widerfuhr den Asen und nicht selten war der listige Loki für ihre Ungemach verantwortlich, doch wird all das nicht mehr von Belang sein, wenn die letzten Tage anbrechen, die Ragnarök…

Rezension:

Nicht erst seit der Sigurd-Saga oder den gleichnamigen Marvel-Figuren Thor, Loki etc. interessiere ich mich für die Gestalten der nordischen Mythologie, doch so richtig vertraut mit deren Mythen und Sagen war ich bislang eben nicht und da kommt Nordische Mythen und Sagen gerade recht, zumal das Buch von Neil Gaiman stammt, der auch nicht erst mit American Gods gezeigt hat, selbst ein ausgeprägtes Faible für Odin und seine Kinder zu haben, was auch der Grund sein dürfte, weshalb ein derartiger Band eben ausgerechnet von diesem gefeierten Fantasy-Autor kommt. In dem rund 250 Seiten umfassenden Hardcover-Band gibt er nun etwas mehr als ein Dutzend besagter Sagen zum Besten und spart sich auch nicht einen vorangestellten Überblick der wichtigsten Figuren, Orte und Legenden, auf denen die nordische Mythologie so fußt, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann, hier einen doch recht umfassenden, wenn auch sicherlich nicht abschließenden Einblick geliefert zu bekommen.

Loki macht die Welt zu einem interessanteren, aber auch zu einem unsichereren Ort. Er ist der Vater der Ungeheuer, der Schöpfer des Kummers, der hinterlistige Gott.
Loki trinkt zu viel, und wenn er trinkt, kann er seine Worte und seine Gedanken und seine Taten nicht im Zaum halten. Loki und seine Kinder werden bereit sein an den Ragnarök, den letzten Tagen, dem Ende von allem, und wenn sie in den Kampf ziehen, werden sie nicht auf Seiten der Götter stehen.

Im Zentrum der Erzählungen stehen dann auch tatsächlich die meiste Zeit die wohl bekanntesten Vertreter der Asen, also Odin, Thor und Loki, wobei man auch vieles über die zahllosen anderen Götter erfährt, deren Namen ich teils noch nie, teils nur aus Wikinger-Geschichten kannte. Vorkenntnisse braucht man aber selbstredend keine, um sich in der Welt zu verlieren, die Gaiman hier so sorgfältig aufbereitet offeriert, wobei es ihm durchaus gelingt, das Ganze in charmanten Erzählton zu packen, der zwar einerseits durchaus märchenhaften Charakter haben mag, andererseits aber auch sicherlich ein wenig an unsere heutigen Lesegewohnheiten angepasst worden ist. Bei Nordische Mythen und Sagen könnte ich mir zudem vorstellen, dass die Hörbuchfassung sogar einen echten Zugewinn darstellt, denn diese Sammlung lose verknüpfter Kurzgeschichten ist freilich prädestiniert dafür, dass man sie sich bestmöglich vorlesen lässt.

Tatsächlich aber dachte ich auch, es würde sich lediglich um eine simple Zusammenstellung grundsätzlich für sich allein stehender Mythen handeln und war entsprechend positiv überrascht, dass man einerseits zunächst einen Überblick über die neun Welten und deren Entstehung sowie das Wesen der Asen geliefert bekommt, während mir andererseits nicht bewusst gewesen ist, dass die einzelnen Geschichten sich durchaus gegenseitig referenzieren und Geschehnisse in der einen Sage Auswirkungen auf den Fortgang einer anderen Sage haben. Die Storys selbst könnten derweil aber auch kaum unterschiedlicher sein und verschaffen einen guten Überblick über das Spektrum göttlicher Fähigkeiten und Taten, die man den Asen unter Allvater Odin seinerzeit hat angedeihen lassen.

Odin und seine Brüder formten den Erdboden aus Ymirs Fleisch. Seine Knochen stapelten sie auf zu Bergen und Klippen.
Unsere Steine und Kiesel, der Sand und der Kies, auf dem wir gehen, waren Ymirs Zähne und die Bruchstücke seiner Knochen, die von Odin und Vili und Ve in ihrem Kampf mit Ymir zertrümmert wurden.
Die Meere, die die Welten umschließen, waren Ymirs Blut und sein Schweiß.
Nun schaut auf zum Himmel: Was ihr seht, ist das Innere von Ymirs Schädel. Die Sterne, die ihr in der Nacht erblickt, die Planeten und all die Kometen und Sternschnuppen sind die Funken, die von den Feuern Muspells aufstiegen. Und die Wolken, die bei Tag über den Himmel ziehen? Es sind die Überreste von Ymirs Verstand, und wer weiß, welche Gedanken auch jetzt noch in ihnen treiben.

Den Abschluss von Nordische Mythen und Sagen derweil bildet erwartungsgemäß die Geschichte um Ragnarök, die Götterdämmerung oder finale Schlacht, in der sämtliche Asen wie auch Riesen zu Tode kommen werden und mit solch einem epischen Abschluss hat man im Nachgang beinahe das Gefühl, doch irgendwie auch eine Art Roman gelesen zu haben, denn auch wenn mancher Gott selten oder kaum Erwähnung findet und man nicht behaupten könne, Loki oder Thor machen eine echte, nachvollziehbare Entwicklung durch, wachsen einem die nordischen Gottheiten schon allein durch ihre episodischen Abenteuer so sehr ans Herz, dass man es bedauert, wenn der Band viel zu schnell zu seinem Ende findet. Das nämlich stellt ein kleines Manko dar, denn während der Umfang selbst schon nicht unbedingt üppig sein mag, ist jede einzelne Geschichte noch einmal durch gleich zwei (fast) leere Seiten von den anderen getrennt, was effektiv noch einmal mehr als dreißig Seiten Umfang schluckt, die man sich ebenso gut hätte sparen können. An der Qualität und Güte der Geschichten ändert das freilich nichts, aber unerwähnt lassen wollte ich es nun auch nicht.

Fazit & Wertung:

Mit Nordische Mythen und Sagen widmet sich der preisgekrönte und kultige Fantasy-Autor Neil Gaiman einem seiner persönlichen Steckenpferde und diese Hingabe zum Stoff merkt man ihm bei der liebevollen Zusammenstellung und Schilderung der Heldensagen an, die sich erwartungsgemäß oft und gerne auf Thor, Loki und Odin konzentrieren und bis hin zu Ragnarök reichen. Für einen liebevoll aufbereiteten Überblick zu diesem Thema sicherlich die erste Wahl und somit uneingeschränkt empfehlenswert für Interessierte.

8,5 von 10 Abenteuern nordischer Gottheiten

Nordische Mythen und Sagen

  • Abenteuer nordischer Gottheiten - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Mit Nordische Mythen und Sagen widmet sich der preisgekrönte und kultige Fantasy-Autor Neil Gaiman einem seiner persönlichen Steckenpferde und diese Hingabe zum Stoff merkt man ihm bei der liebevollen Zusammenstellung und Schilderung der Heldensagen an, die sich erwartungsgemäß oft und gerne auf Thor, Loki und Odin konzentrieren und bis hin zu Ragnarök reichen. Für einen liebevoll aufbereiteten Überblick zu diesem Thema sicherlich die erste Wahl und somit uneingeschränkt empfehlenswert für Interessierte.

8.5/10
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Weitere Details zum Buch und dem Autor findet ihr auf der Seite des Eichborn Verlages. Dort findet sich übrigens auch eine Leseprobe.

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Nordische Mythen und Sagen ist am 16.02.17 im Eichborn Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!

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