Am morgigen Tage erscheint Mark Millars nächster Comic-Wurf im deutschen Handel und dafür unterbreche ich gern meine laufenden Star-Wars-Rezensionen, zumal es der Sechsteiler in diesem Band wieder einmal in sich hat.
The Magic Order
The Magic Order #1-6, USA 2018/2019, 180 Seiten
© Panini
Mark Millar
Olivier Coipel
Panini Verlag
978-3-741-61243-5
Action | Drama | Fantasy | Horror
Inhalt:
© Panini
Hinter der uns bekannten Wirklichkeit verbirgt sich die Welt der Magie, im Geheimen agierend oder sich im Offensichtlichen tarnend. Der Familie Moonstone beziehungsweise deren Familienoberhaupt obliegt die Leitung des geheimen Ordens, der die Welt zudem vor Monstern und anderen Gefahren beschützt. Doch die Zeiten des Friedens sind vorbei und die ruchlose Madame Albany trachtet nach dem Thron. Leonard Moonstone vermutet stark, dass der jüngst in Erscheinung getretene Magier-Mörder – schlicht "der Venezianer" genannt – sich mit Albany verbündet hat und beruft ein notfallmäßiges Treffen der Familie ein. Sein Bruder Edward als Hüter von Moonstone Castle, das sich hinter einem Gemälde im Art Institute of Chicago verbirgt, ist ohnehin zugegen, doch während sich die Entfesselungskünstlerin Cordelia und der Nachtclubbesitzer Regan – ihres Zeichens Kinder von Leonard Moonstone – bereitwillig einfinden, verweigert sich deren Bruder Gabriel dem Treffen, nachdem er aufgrund einer persönlichen Tragödie vor Jahren der Magie abgeschworen hat. Doch unterdessen mordet der Venezianer weiter und die Schlinge zieht sich zusehends enger…
Rezension:
Mastermind Mark Millar hat nicht nur bereits Dutzende großartige wie erfolgreiche Comics auf den Markt geworfen, sondern lieferte auch die Vorlagen zu zahlreichen, nicht minder erfolgreichen Filmen wie etwa Kingsman oder Kick-Ass, um nur einige zu nennen. Die Gründung des eigenen Labels Millarworld schien da nicht weniger konsequent als der 2017 unter Dach und Fach gebrachte Verkauf des Labels an den Streaming-Giganten Netflix, zumal der sich mit seinen Marvel-Serien ebenfalls bereits in dem Metier auskennt, sich nun aber dank Disney+ und der damit einhergehenden Absetzung all dieser Serien ein neues Betätigungsfeld suchen muss. Und schon die Adaption von Gerard Ways The Umbrella Academy zeigt, wie eine solche Betätigung aussehen könnte, derweil nun mit The Magic Order die erste Millar-Serie vorliegt, die bereits mit Netflix-Rücksprache entstanden ist und deren Adaption als sechsteilige Serie schon vor der Veröffentlichung des Comics beschlossene Sache gewesen ist. Millar scheint also mehr denn je seine Nische gefunden zu haben und nach dem, was er in diesem (ebenfalls sechsteiligen) Werk wieder an Ideen und Action abbrennt, kann ich zugegebenermaßen die Serien-Adaption kaum noch erwarten, zumal seine Geschichten schon seit jeher im besten Sinne cineastisch zu nennen gewesen sind.
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Hier nun versucht er sich also – nach eigener Aussage – an einer Verquickung aus Die Sopranos und Harry Potter, was den Nagel ziemlich auf den Kopf trifft, wobei das Gezeigte freilich alles andere als jugendfrei daherkommt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht dabei die Familie Moonstone, ihres Zeichens bestehend aus Ordens-Oberhaupt Leonard, der sich als "Moonstone the Magnificent" im Palace verdingt, seinem Sohn Regan, einem Nachtclubbesitzer sowie Tochter Cordelia, ihres Zeichens schwarzes Schaf der Familie und nach eigener Aussage eine einzige Enttäuschung, die sich bereits als Kind nicht an Regeln zu halten gedachte. Last but not least wäre da noch Gabriel, doch hat der dem Orden längst dem Rücken gekehrt und will mit Magie in jedweder Form nichts mehr zu tun haben, nachdem ein persönlicher Verlust sein Leben gänzlich aus der Bahn geworfen hat. Neben Action und Magie ist es also auch einmal mehr ein familiärer Konflikt, den Millar in The Magic Order zu behandeln gedenkt und das schafft schnell viel Sympathie oder zumindest Interesse für die handelnden Figuren, auch wenn er hier freilich auf den ersten Blick tief in die Kiste der Archetypen greift, was aber eher als Markenzeichen denn Kritikpunkt gelten dürfte, zumal Millar – folglich auch hier wieder – besonders gern mit den bestehenden Klischees bricht.
Die ersten Kapitel und somit Hefte dienen aber letztlich zunächst einmal der atmosphärischen Exposition der zahlreichen Figuren und zeigen den mysteriösen "Venezianer" bei seiner blutigen Arbeit, wenn er die Mitglieder des Ordens sukzessive ausdünnt und dabei mit zahlreichen innovativen Tötungsarten aufwartet. Als Drahtzieherin und Auftraggeberin wird dabei schnell Madame Albany ausgemacht, die zwar zugegebenermaßen gerne noch ein wenig mehr Profil hätte bekommen können, statt es bei vagen Andeutungen zu belassen, doch zentriert die Geschichte eben auch weit mehr auf die Familie Moonstone und deren gewichtiges Erbe. Der Ideenreichtum beim Skizzieren der magischen, vor dem menschlichen Auge verborgenen Welt scheint dabei keine Grenzen zu kennen und so kommt es The Magic Order sehr zupass, dass neben dem routiniert zu Werke gehenden Autor Millar auch Zeichner Olivier Coipel durchweg zu überzeugen weiß, zumal dessen reduzierter, oft beinahe skizzenhafter, aber ungemein dynamischer Stil das Setting und den Fortgang der Story bestens unterstützt und trägt.
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Ohne ins Detail gehen zu wollen, möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass sich The Magic Order in der zweiten Hälfte dann (oder besser im letzten Drittel) zu ungeahnten neuen Höhen aufschwingt. Und was als inszenatorisch gelungene, sorgsam aufgebaute Storyline beginnt, kulminiert hier schnell in einer regelrechten Aneinanderreihung von großartigen WTF-Momenten, die man so nicht hat kommen sehen dürfte, die im Kontext des bisher Bekannten aber absolut stimmig und nachvollziehbar sind. Damit verleihen sie vor allem der Geschichte noch einmal einen ganz neuen Dreh, wenn Geheimnisse gelüftet, Motivationen offenbart und offensichtlich gezinkte Karten ausgespielt werden, um die Oberhand im magischen Duell zu gewinnen. Zwar mag man der Geschichte mancherorts anmerken, dass sie bereits mit dem Hintergedanken einer Serien-Adaption bereits konzipiert worden ist, doch ließe sich das auch über frühere Werke Millars sagen, nur dass es hier eben aufgrund der Hintergründe noch ein wenig offensichtlicher (und schlichtweg zum Fakt) geworden ist. Verschmähen sollte man dieses großartige Gesamtwerk aber deshalb keineswegs, denn auch diesmal trifft der Autor wieder sowohl inszenatorisch als auch dramaturgisch den Nagel auf den Kopf und ich für meinen Teil konnte den Band ab einem gewissen Punkt nicht mehr aus der Hand legen.
The Magic Order
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Perfide magische Tricks - 9/10
9/10
Fazit & Wertung:
Mit The Magic Order liegt nun also die erste von vornherein mit Netflix gemeinsam konzipierte Mark-Millar-Serie vor, deren Adaption für den Streamingdienst längst beschlossene Sache ist. Das macht sich allerdings mitnichten negativ bemerkbar, sondern betont im Grunde noch die Stärken des Millar’schen Schaffens, das sich ohnehin schon immer durch eine sehr cineastische Erzählweise ausgezeichnet hat, ganz davon abgesehen, dass Story und Setting auch hier wieder vor Ideen- und Einfallsreichtum sprühen.
The Magic Order ist am 28.05.19 im Panini Verlag erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über den nachfolgenden Link und unterstützt damit das Medienjournal!