Review: Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert (Film)

Es ist jetzt zwar auch schon wieder Mitte September aber dann doch noch nicht zu spät für die Rezension eines so sommerlichen Films, dass er diesen Umstand bereits im Namen trägt.

Gemma Bovery
Ein Sommer mit Flaubert

Gemma Bovery, FR/UK 2014, 99 Min.

Gemma Bovery - Ein Sommer mit Flaubert | © Prokino/EuroVideo
© Prokino/EuroVideo

Regisseurin:
Anne Fontaine
Autoren:
Pascal Bonitzer (Drehbuch)
Anne Fontaine (Drehbuch)
Posy Simmonds (Graphic-Novel-Vorlage)

Main-Cast:
Fabrice Luchini (Martin Joubert)
Gemma Arterton (Gemma Bovery)
in weiteren Rollen:
Jason Flemyng (Charlie Bovery)
Isabelle Candelier (Valérie Joubert)
Niels Schneider (Hervé de Bressigny)
Mel Raido (Patrick)
Pip Torrens (Rankin)
Kacey Mottet Klein (Julien Joubert)

Genre:
Komödie | Drama | Romantik

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Gemma Bovery - Ein Sommer mit Flaubert | © Prokino/EuroVideo
© Prokino/EuroVideo

Martin Joubert führt als ansässiger Bäcker in der französischen Normandie ein beschauliches Leben mit Frau und Sohn, verbringt seine Tage mit Backen, Träumen und der Liebe zur Literatur, weshalb er auch schnell Feuer und Flamme ist, als nebenan ein englisches Pärchen einzieht, die tatsächlich Charlie und Gemma Bovery heißen und somit beinahe dieselben Namen tragen wie Charles und Emma Bovary in dem berühmten Roman-Klassiker "Madame Bovary" von Gustave Flaubert. Schnell versteift sich Joubert auf die Idee, dass hier Weltliteratur zum Leben erwacht, ganz davon abgesehen, dass er vom ersten Moment an dem Charme der bezaubernden wie attraktiven Gemma verfallen scheint. Während sich das junge Paar im ländlichen Idyll einzuleben versucht, beginnt Flaubert in Tagträumereien Parallelen zwischen Gemma Bovery und Emma Bovary zu ziehen, die sich in seiner Wahrnehmung kaum von der Hand weisen lassen, zumal Gemma alsbald eine Affäre mit dem Adelsspross Hervé de Bressigny beginnt. Sehr zum Leidwesen von Joubert, der nicht nur selbst ein Auge auf Gemma geworfen hat, sondern alsbald auch um ihr Wohl bangt, schließlich wählt die Romanfigur in letzter Instanz den Freitod…

Rezension:

Wieder einmal ein Film, der es im deutschen Handel nicht bis zur Blu-ray gebracht hat und bei dem ich einmal mehr auf die digitale HD-Variante von Prime Video zurückgegriffen habe. Darum soll es aber heute natürlich nicht gehen, sondern vielmehr um Anne Fontaines Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert also solchen, den ich mir – wie sollte es auch anders sein – in erster Instanz zunächst einmal hauptsächlich aufgrund der Beteiligung von Gemma Arterton ansehen wollte. Dabei handelt es sich um die Adaption der gleichnamigen, aus England stammenden Graphic Novel von Posy Simmonds, die ich – man ahnt es fast – aber natürlich nicht kenne und die ursprünglich im "The Guardian" als fortlaufende Serie erschien. Nun bin ich auch mit dem referenzierten Roman Madame Bovary nicht sonderlich vertraut, doch tut das beides dem Spaß am Film keinen Abbruch, wie ich immerhin anzumerken imstande bin, zumal eine bessere Kenntnis der Roman-Handlung ja letztlich einem Spoiler gleichgekommen wäre, da Filmfigur Martin Joubert ja mehrfach attestiert, das Leben von Gemma (Bovery) wiese beunruhigende Parallelen zum Leben von Emma (Bovary) auf.

Szenenbild aus Gemma Bovery - Ein Sommer mit Flaubert | © Prokino/EuroVideo
© Prokino/EuroVideo

Und dieser von Fabrice Luchini wirklich bravourös verträumt gespielte Joubert ist es auch, der durch die Handlung des Films führt und den Erzähler gibt, gleich zu Beginn gar kurzzeitig die Vierte Wand durchbricht und sich direkt an das Publikum wendet, dem eine beschwingte wie verspielte Sommerromanze bevorsteht, die einzig daran scheitert, dass Gemma auf dieser Ebene so wirklich gar kein Interesse für Joubert aufzubringen versteht. Der wiederum steigert sich zunehmend in seine Neurosen und Obsessionen, beginnt in einem gewissen Maß der attraktiven Gemma nachzusteigen und malt sich aus, wie ihre heimlichen Treffen mit dem Jura studierenden Adelsjüngling Hervé (Niels Schneider) vonstattengehen könnten. Dabei gelingt Gemma Bovery der Balanceakt, Joubert noch als liebenswerten wie harmlosen Träumer erscheinen zu lassen, denn in der Tendenz geht sein Verhalten natürlich mehr in Richtung Stalking, doch will sich der Film zunächst mit einer solchen inhaltlichen Schwere gar nicht belasten. Die Handlung weist dann auch erwartungsgemäß reichlich Parallelen zum referenzierten Roman auf und versucht sich an ironischer Brechung, derweil die Motivation einzelner Figuren, die nicht Joubert sind, doch reichlich vage bleiben, da wir der Handlung eben allein aus seiner Warte zu folgen imstande sind und bei den Szenen um Gemma oft nicht ganz klar ist, ob es sich wirklich um die Realität handelt oder lediglich das, was Joubert sich zusammenfantasiert.

Und diese frisch in die Normandie gezogene Gemma, verkörpert von der wunderbaren Namensvetterin Gemma Arterton, ist ohne Zweifel die unbestrittene – und nicht zuletzt eben auch namensgebende – Hauptattraktion in Gemma Bovery, derweil die Kameraeinstellungen ihr Übriges tun, um Jouberts Obsession zu verdeutlichen und unterstreichen. Gerade deshalb ist es aber auch schade, dass ihre Figur im Kern so unnahbar und distanziert bleibt, denn abgesehen von körperlichen Attributen und einem bestechenden Charisma erfährt man herzlich wenig über ihr Gefühls- und Innenleben, so dass auch kaum klar wird, weshalb sie ihren Ehemann Charlie – ebenfalls charismatisch interpretiert von Jason Flemyng (Der seltsame Fall des Benjamin Button) – überhaupt hintergeht. Dessen aber ungeachtet erinnern die Aufmerksamkeit, das Buhlen und Werben um Gemma durchaus ein wenig an Immer Drama um Tamara, nicht nur, aber insbesondere dank Arterton als Hauptdarstellerin in beiden Fällen, gleichwohl das Geschehen hier eben in der französischen Normandie stattfindet, was dem Reigen schon rein atmosphärisch ein spezifisches Flair verleiht.

Szenenbild aus Gemma Bovery - Ein Sommer mit Flaubert | © Prokino/EuroVideo
© Prokino/EuroVideo

Überhaupt ist die Verquickung aus englischem und französischen Flair eines der lohnendsten Elemente des Films, was sich auch in der Sprache widerspiegelt, wenn sich die zugezogenen Engländer mit gebrochenem Französisch verständlich zu machen versuchen und die Franzosen ihrerseits ein mehr schlecht als recht kultiviertes Englisch hervorkramen, wenn das gemeinsame Vokabular zur Erörterung nicht reichen mag. So ist Gemma Bovery dank der beschwingten und leichtfüßigen Art zuvorderst ungemein charmant und kurzweilig geraten, wirkt selbst wie ein sommerlicher Trip ins idyllische Landleben, wodurch aber auch der letzte Akt des Films einen dramaturgisch enorm einschneidenden Bruch bedeutet, zumal auffallend dramatisch und fatalistisch in seiner Art und Weise. Ein kleiner, augenzwinkernder Schluss-Gag versucht das zwar ein wenig zu übertünchen, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass dem Film von Fontaine auf den letzten Metern sein Esprit abhandenkommt. Nichtsdestotrotz für weitestgehend locker-leichte Unterhaltung eine gute Wahl, insbesondere, wenn man Gemma Arterton etwas abgewinnen kann.

Fazit & Wertung:

Anne Fontaine inszeniert auf Basis der gleichnamigen Graphic Novel in Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert eine leichtfüßige Sommer-Romanze oder besser Obsession, in deren Zentrum die charmante Gemma Arterton zu verzaubern weiß, die ansonsten aber ganz von der verträumt-neurotischen Art des von Fabrice Luchini verkörperten Protagonisten Joubert getragen wird. Was aber atmosphärisch gelungen ist, hätte durchaus ein wenig mehr dramaturgische Stringenz und Tiefe erfahren dürfen.

6,5 von 10 verträumten Sommertagen

Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert

  • Verträumte Sommertage - 6.5/10
    6.5/10

Fazit & Wertung:

Anne Fontaine inszeniert auf Basis der gleichnamigen Graphic Novel in Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert eine leichtfüßige Sommer-Romanze oder besser Obsession, in deren Zentrum die charmante Gemma Arterton zu verzaubern weiß, die ansonsten aber ganz von der verträumt-neurotischen Art des von Fabrice Luchini verkörperten Protagonisten Joubert getragen wird. Was aber atmosphärisch gelungen ist, hätte durchaus ein wenig mehr dramaturgische Stringenz und Tiefe erfahren dürfen.

6.5/10
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Sende

Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert ist am 26.02.15 lediglich auf DVD bei Prokino im Vertrieb von EuroVideo erschienen und alternativ bei Prime Video verfügbar. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Prime Video:

vgw

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