Review: Sherlock: Die Braut des Grauens (Serien-Special)

Heute mal wieder eine Serienkritik der etwas anderen Sorte, denn nach Jahren habe ich mich mal wieder in die Baker Street begeben, da mir noch einige Kapitel und Fälle von Holmes fehlen, die es nach der Besprechung dieses Specials noch nachzuholen gilt.

Sherlock
Die Braut des Grauens

Sherlock: The Abominable Bride, UK 2016, 89 Min.

Sherlock: Die Braut des Grauens | © polyband
© polyband

Serienschöpfer:
Steven Moffat
Mark Gatiss
Showrunner:
Steven Moffat
Mark Gatiss

Regisseur:
Douglas Mackinnon
Autoren:
Mark Gatiss
Steven Moffat

Main-Cast:
Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes)
Martin Freeman (Dr. John Watson)
in weiteren Rollen:
Una Stubbs (Mrs. Hudson)
Rupert Graves (Inspector Lestrade)
Mark Gatiss (Mycroft Holmes)
Andrew Scott (Professor Moriarty)
Louise Brealey (Hooper)
Amanda Abbington (Mary Watson)

Genre:
Krimi | Mystery

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Sherlock: Die Braut des Grauens | © polyband
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Als hätte Sherlock nicht genug um die Ohren seit dem jüngsten Kräftemessen mit dem sinistren Charles Magnussen, scheint nun auf unerklärlichen Wegen sein alter Feind und Widersacher James Moriarty zurückgekehrt zu sein, während sich Holmes in einem Flieger befindet, der ihn außer Landes schaffen soll. Unterdessen, zu gänzlich anderer Zeit, genauer im Jahre 1895, lernt im viktorianischen London der Kriegsheimkehrer Dr. John Watson den eigenwilligen wie scharfsinnigen Sherlock Holmes kennen, der für sei beide eine Bleibe in der Baker Street 221B aufgetan hat. Watson fühlt sich von dessen Verhalten zwar vor den Kopf gestoßen, willigt aber mangels Alternativen ein und während die Zeit vergeht, schwingt er sich zum gefeierten Chronisten von Holmes‘ Fällen auf. Einer dieser Fälle beinhaltet, dass eine totgeglaubte Frau nach ihrem Selbstmord in aller Öffentlichkeit erneut in Erscheinung tritt, um ihren Mann zu ermorden. Lange kommen sie nicht voran in diesem merkwürdigen Fall, doch machen Holmes noch andere Ungereimtheiten zu schaffen, während sich die Geschichte der "Braut des Grauens" immer weiter verbreitet und den Meisterermittler alsbald fordert wie nie zuvor…

Rezension:

Ich weiß, ich bin ein wenig spät zur Party, aber irgendwann einmal muss man ja fortfahren mit lieb gewonnenen Serien und da erinnerte ich mich an das 2016er-Weihnachts-Special Sherlock: Die Braut des Grauens, das ich noch immer nicht gesehen hatte. Wie bekannt sein dürfte, spielt dieses aber nicht – wie der Rest der Serie – in der Gegenwart, sondern widmet sich dem "klassischen" Sherlock aus der viktorianischen Ära, nach Aussage der Serienschöpfer Mark Gatiss und Steven Moffat auch, um aufzuzeigen, wie die Show inszeniert worden wäre, hätte man sich eben nicht für den modernen Anstrich entschieden. Die Riege an Darstellerinnen und Darstellern bleibt freilich dieselbe und schon nach wenigen Minuten dürfte dem geneigten Fan klar sein, wie gut die BBC-Produktion auch in dieser Form funktioniert hätte, denn ich in ihren jeweils viktorianischen Ausgaben machen die Mitglieder des Ensembles eine mehr als überzeugende Figur. Der Fall indes mutet diesmal weit gruseliger und verstörender an, auch wenn Sherlock natürlich vom ersten Moment an insistiert, dass es keine Geister oder Widergänger geben würde, woran auch als Zuschauer kein Zweifel bestehen dürfte.

Szenenbild aus Sherlock: Die Braut des Grauens | © polyband
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Fernab des eigentlichen Falls ist Die Braut des Grauens aber auch ein Füllhorn der Referenzen, die nicht nur manch bedeutsamen Fall des Ermittlers nennt oder zumindest andeutet, sondern eben beispielsweise auch die Gunst der Stunde nutzt, gleich zu Beginn das Kennenlernen von Holmes und Watson in neuem, historischen Anstrich erneut zu inszenieren. Interessant auch, dass dieser "Vergangenheits-Holmes" noch einmal weit näher an seinem literarischen Vorbild zu sein scheint, so dass – beispielsweise – einerseits Moriarty seinen Tod in den Reichenbachfällen gefunden hat und Sherlocks Bruder Mycroft (Mark Gatiss, The Favourite) nun endlich die immense Leibesfülle vor sich hertragen darf, wie sie schon in den ursprünglichen Geschichten angedeutet worden ist. Am mitunter gelungensten aber dürften die Meta-Referenzen sein, wenn sich zum Beispiel Haushälterin Mrs. Hudson (Una Stubbs) bei Watson beschwert, in seinen Storys über Holmes den Leuten lediglich die Tür zu öffnen und sie nach oben zu bitten, woraufhin der ihr erklärt, dass dies nun einmal die erschöpfende Funktion ihrer Figur innerhalb der Geschichten wäre. Derlei augenzwinkernde Kniffe gibt es noch zuhauf, wobei selbst ein vermeintlicher Anachronismus im Gespräch letztlich nur ein Indiz dafür ist, dass sich weit mehr hinter der viktorianischen Fassade verbirgt, als man zunächst annehmen mag.

Um hier nicht zu spoilern – denn auch wenn ich spät dran sein mag, haben sicher nicht alle, die dies lesen, die Folge bereits gesehen – hülle ich mich deshalb auch, was den weiteren Fortgang der Story betrifft, in Schweigen, doch kann ich zumindest festhalten, dass dieser vermeintlich von allem losgelöste Ausflug in die Vergangenheit doch weit mehr mit den ihn umgebenden Staffeln gemein hat, als ich dies zunächst vermutet hätte. Der Kniff, die beiden Zeitebenen in Einklang miteinander zu bringen oder überhaupt zu erklären, weshalb quasi zwei Sherlock-Versionen in unterschiedlichen Zeitaltern existieren, ist dabei durchaus gelungen und im Kontext der Charakter-Hintergründe überzeugend geraten. Nichtsdestotrotz wird nicht jeder mögen, was einem im letzten Drittel der erneut rund anderthalbstündigen Reise kredenzt wird, zumal das Geschilderte in seiner Inszenierung ab einem gewissen Punkt deutlich assoziativer und weniger stringent wirkt. Nicht nur aber als Special sowie Bindeglied zwischen der dritten und vierten Staffel macht Sherlock: Die Braut des Grauens aber eine gute Figur, sondern ist gleichsam ein ungemein unterhaltsame rund einfallsreich konzipierter Fernsehfilm geworden, dessen größtes Manko es wohl sein dürfte, dass er tatsächlich nur schwerlich ohne den Kontext der ersten drei Staffeln funktioniert, auf die er sich zu beziehen weiß, ohne sich auch nur in der entsprechenden Epoche befinden zu müssen.

Szenenbild aus Sherlock: Die Braut des Grauens | © polyband
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Allen voran gewinnt Die Braut des Grauens aber auch dadurch enorm, dass sowohl Benedict Cumberbatch (Doctor Strange) als auch Martin Freeman (Ghost Stories) sichtlich Freude daran haben, nun die historischen Pendants ihrer jeweiligen Figuren verkörpern zu dürfen, zumal diese Rückbesinnung auf "den originalen" Holmes es ermöglicht, ihn einige seiner bekanntesten Phrasen und Aussprüche auch in dieser TV-Serie zum Besten geben zu lassen. Für mich persönlich, insbesondere nach der langen Abstinenz von der Serie, präsentiert sich dieses Special demnach als ungemein reichhaltige und vielseitige Sammlung aus Ideen und Verweisen, Referenzen und Meta-Einschüben, die ich in dieser Form nicht erwartet hätte und die im Umkehrschluss auch erklären dürfte, weshalb diese Weihnachtsepisode vergleichsweise gemischte Gefühle hervorgerufen hat, denn zugegebenermaßen rückt der eigentliche Fall bei all den Spielereien und Referenzen zeitweilig doch sehr in den Hintergrund, bis es letzten Endes dann eben auch um etwas ganz anderes zu gehen scheint. Das allerdings ist "Elementar, mein lieber Watson", auch wenn die vierte Staffel wohl so konzipiert worden ist, dass man dieses Special nicht gesehen haben muss (und leider auch ansonsten ein sehr gemischtes Medien-Echo hervorgerufen hat, was ein Grund sein könnte, dass ich die Serie so lange vor mir hergeschoben habe). Diesen Ausflug nach 1895 sollte man sich aber meines Erachtens definitiv nicht entgehen lassen.

Fazit & Wertung:

Mit Sherlock: Die Braut des Grauens wagen sich Mark Gatiss und Steven Moffat in die ursprüngliche Ära von Sherlock Holmes und inszenieren ihn so, wie es gewesen wäre, hätte man die Show nicht in der Gegenwart verortet. Neben reichlich Referenzen und Meta-Einschüben erzählen sie aber auch eine gelungen verschachtelte und vielschichtige Story, auch wenn deren Fortgang nicht jedem Fan der Serie munden dürfte, dafür aber umso schöner Gegenwart und Vergangenheit in Einklang bringt.

9 von 10 exzentrischen Spleens

Sherlock: Die Braut des Grauens

  • Exzentrische Spleens - 9/10
    9/10

Fazit & Wertung:

Mit Sherlock: Die Braut des Grauens wagen sich Mark Gatiss und Steven Moffat in die ursprüngliche Ära von Sherlock Holmes und inszenieren ihn so, wie es gewesen wäre, hätte man die Show nicht in der Gegenwart verortet. Neben reichlich Referenzen und Meta-Einschüben erzählen sie aber auch eine gelungen verschachtelte und vielschichtige Story, auch wenn deren Fortgang nicht jedem Fan der Serie munden dürfte, dafür aber umso schöner Gegenwart und Vergangenheit in Einklang bringt.

9.0/10
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Sherlock: Die Braut des Grauens ist am 29.03.16 auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Polyband erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:


Blu-ray:


vgw

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