Review: Colossal (Film)

Wir beschließen die Woche zwar nicht mit dem besten Film, dafür aber ohne Frage dem ungewöhnlichsten, denn eine so verquere Mischung unterschiedlichster Genres habe ich lange nicht mehr erlebt und ja, das hat mir imponiert.

Colossal

Colossal, CA/USA/ES/KR 2016, 109 Min.

Colossal | © Universum Film
© Universum Film

Regisseur:
Nacho Vigalondo
Autor:
Nacho Vigalondo

Main-Cast:
Anne Hathaway (Gloria)
Jason Sudeikis (Oscar)
in weiteren Rollen:
Dan Stevens (Tim)
Austin Stowell (Joel)
Tim Blake Nelson (Garth)

Genre:
Komödie | Drama | Fantasy

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Colossal | © Universum Film
© Universum Film

Nachdem die arbeitslose Autorin Gloria wieder einmal erst am späten Nachmittag und völlig verkatert bei ihrem Freund Tim aufschlägt, hat er endgültig genug von der Unzuverlässigkeit seiner baldigen Ex-Freundin, die er ohne viel Federlesens vor die Tür setzt, woraufhin die sich aufmacht, ihrem verschlafenen Heimatort einen Besuch abzustatten und im verlassenen Elternhaus unterzukommen. Kaum angekommen, begegnet sie ihrem alten Schulkameraden Oscar, der ihr bereitwillig Hilfe anbietet und sie alsbald in die hiesige Kneipe bringt, deren Besitzer er mittlerweile ist. Gloria willigt ein, als Kellnerin für ihn zu arbeiten und nach den ausgiebigen nächtlichen Trinkgelagen mit Oscar und seinen Freunden verschlägt es Gloria immer mal wieder des frühen Morgens zu einem alten Spielplatz. Als dann wiederum die Nachrichten davon beherrscht werden, dass ein riesiges Monster das ferne Seoul in Südkorea terrorisiert, erkennt Gloria alsbald, dass es ihre Bewegungen zu sein scheinen, die das Monster imitiert. Noch immer wie vor den Kopf gestoßen, zieht sie ihre neuen Freunde ins Vertrauen, die entsprechend perplex auf diese Offenbarung reagieren…

Rezension:

Jüngst habe ich mir ja Nacho Vigalondos Colossal angesehen und frage mich immer noch ein wenig, was für eine Art Film ich mir da zu Gemüte geführt habe, denn auch wenn man das nach Sichtung des Trailers nicht vermuten würde, verrät der der doch erstaunlich wie erfreulich wenig über die eigentliche Handlung des Films, abgesehen davon, dass die von Anne Hathaway (Zwei an einem Tag) verkörperte Figur der Gloria dahinterkommt, unmittelbar ein aus dem Nichts erscheinendes Monster steuern zu können, das Seoul in Angst und Schrecken versetzt. Bis es aber überhaupt zu dieser schon für sich genommen ungemein eigenwilligen Prämisse kommt, vergeht durchaus einige Zeit und bis dahin schickt sich der von Vigalondo – den ich bis dato nur aus dem mäßig spannenden, aber inszenatorisch immerhin ungemein mutigen Open Windows kannte – geschriebene und inszenierte Film an, auf den Spuren einer typischen Indie-Tragikomödie zu wandeln, so dass wir einerseits mit Gloria eine zwar reichlich dysfunktionale, destruktive und nicht gerade erwachsene Figur vorgesetzt bekommen, die nicht allein ihres Hangs zum Alkohol wegen im Leben noch nicht so recht Fuß zu fassen gewusst hat, einerseits mit einem liebenswert-kauzigen Kleinstadt-Ensemble konfrontiert werden, dass dann auch in Kombination mit der umtriebigen Gloria für einen leisen Humor innerhalb der Erzählung sorgt.

Szenenbild aus Colossal | © Universum Film
© Universum Film

Bis dahin nicht viel neues an der Front und leider schleppt sich der Film in seinem ersten Drittel auch teilweise etwas zu gemächlich dahin, um regelrecht begeistern zu können, doch einige nette Running-Gags sorgen zumindest für ein stets Schmunzeln, bevor der Erzählung mit dem Kaijū-Plot eine weitere, gänzlich neue ebene hinzugefügt wird, die ganz selbstverständlich einschlägige Monsterfilme zitiert und so gar nicht zum Rest des Geschehens passen mag, wüsste man nicht, inwieweit dieses Monster mit Hathaways Figur verbunden ist. Und natürlich sorgt auch die Erkenntnis, das Monster steuern zu können, zu einigen haarsträubenden, aber eben auch witzigen Szenen, die eine gekonnte Gratwanderung zwischen Humor und Tragik beschreiben, denn die Stimmung droht jederzeit zu kippen, hat man in einem Moment noch Spaß, sind im nächsten Moment womöglich tausende von Leben im fernen Seoul bedroht. Dieser ganze Kniff, das Monster als erweiterten Arm von Gloria zu betrachten, funktioniert derweil nur auf dem Gelände eines mäßig frequentierten Spielplatzes und das auch nur am frühen Morgen, was Vigalondo völlig zurecht dazu verleitet, die Spielplatzszenen mit den ungemein bombastischer ausfallenden Verwüstungen in Seoul zusammen zu schneiden, was für sich genommen schon für einige großartige Effekte sorgt, denn selten hatte ich einen solchen Kloß im Hals, wenn ich eine junge Frau dabei beobachte, wie sie in einem Sandkasten auf den Boden stampft und ja, allein für diese Idee und deren Umsetzung sollte man sich Colossal nach Möglichkeit auf lange Sicht nicht entgehen lassen.

Haben wir aber erst einmal den Sprung von der Tragikomödie zum Fantasy-Drama aka Kaijū-Film geschafft, ist es nicht mehr weit, dem Ganzen eine weitere inszenatorische Kehrtwende hinzuzufügen, denn ausgerechnet der zunächst gutherzige, von Jason Sudeikis (Sleeping with Other People) verkörperte Jugendfreund Oscar macht hier eine zwar sprunghafte und dadurch nicht ganz saubere, zugegebenermaßen irritierende Charakterwandlung durch, die sich gewaschen hat und plötzlich wähnt man sich in einem waschechten Psycho-Schocker mit Home-Invasion-Anleihen. Spätestens hier dürfte einem dann aber auch so ziemlich jedes Lachen im Halse stecken bleiben, was der Spannung allerdings- wie sollte es auch – keinen Abbruch tut und die Story, nein, das Feeling des gesamten Films erneut ordentlich durchrüttelt. Es folgt ein Finale, dass man sich bei einem Film dieser Art niemals so und vor allem nicht in dieser Konsequenz erwartet hätte, doch gelingt Vigalondo im gleichen Atemzug das Kunststück, in der verqueren Logik seines Films eine absolut stimmige Erklärung dafür abzuliefern, was es mit dem Monster und Seoul und dessen Verbindung zu Gloria auf sich hat. Nein, Colossal ist weder ein einfacher, noch ein seichter Film, bei weitem nicht so witzig, wie ich mir das im Vorfeld erwartet hätte, aber eben auch bei weitem nicht so vorhersehbar, wie man das anfänglich meinen würde.

Szenenbild aus Colossal | © Universum Film
© Universum Film

Sicherlich, die Genre-Sprünge mögen nicht immer glücken und die inszenatorische Richtungslosigkeit könnte man dem Drehbuchautor und Regisseur auch als pures Unvermögen auslegen, doch hebt er sich durch gerade diese Umstände so wohltuend von der Masse nach Schema F gestrickter Produktionen ab, dass es allein deshalb eine wahre Freude ist, dem irrwitzigen Treiben zu folgen. Hinzukommt, dass insbesondere Hathaway den Film mühelos im Alleingang trägt, im Gegenzug aber gleich mehrfach von ausgerechnet Sudeikis an die Wand gespielt wird, den ich zwar sehr schätze und immer gerne sehe, dessen darstellerische Wandlungsfähigkeit ich aber bisher als nicht eben hoch eingestuft hätte, so dass er die größte Überraschung in einem Film darstellt, der sicherlich bei vielen auf wenig Anklang stoßen wird, denn dafür ist er schlicht zu unangepasst und regelrecht sprunghaft, was auch bei mir zu Abzügen in der B-Note führt, doch allein für den Schneid, ein dergestalt unstetes Filmerlebnis auf die Leinwand zu bannen, verdienen die Beteiligten größten Respekt. Nicht zuletzt aber – als wäre der Genre-Versatzstücke noch nicht genug – könnte man Colossal gar als Coming-of-Age-Story betrachten, wenn sich Gloria mit ungewöhnlichsten Mitteln von ihrer Vergangenheit zu lösen beginnt und schlussendlich auf eigenen (Monster-)Beinen zu stehen lernt, sich nicht nur gegenüber ihrem Ex emanzipiert, sondern endlich auch mit einer lange zurückliegenden Geschichte abschließt, die nicht von ungefähr die Entstehung des kolossalen Wesens begünstigt hat.

Fazit & Wertung:

Nacho Vigalondo vermag sich in seinem Film Colossal kaum zu entscheiden, ob er eine auf Indie-Film getrimmte Tragikomödie, ein Coming-of-Age-Drama, einen Kaijū -Film oder einen waschechten Thriller inszenieren will, doch wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen und macht speziell bei diesem Film dessen besonderen Reiz aus, denn auch wenn der Wechsel des Erzähltons nicht immer glücken mag, stellen sich insbesondere Anne Hathaway und Jason Sudeikis dieser Herausforderung mit Bravour. Sicherlich ein Film mit Schwächen, aber dafür auch einer, der sich so schnell mit nichts vergleichen lassen dürfte.

7 von 10 durchzechten Nächten mit sich anschließendem Kaijū-Angriff

Colossal

  • Durchzechte Nächte mit sich anschließendem Kaijū-Angriff - 7/10
    7/10

Fazit & Wertung:

Nacho Vigalondo vermag sich in seinem Film Colossal kaum zu entscheiden, ob er eine auf Indie-Film getrimmte Tragikomödie, ein Coming-of-Age-Drama, einen Kaijū -Film oder einen waschechten Thriller inszenieren will, doch wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen und macht speziell bei diesem Film dessen besonderen Reiz aus, denn auch wenn der Wechsel des Erzähltons nicht immer glücken mag, stellen sich insbesondere Anne Hathaway und Jason Sudeikis dieser Herausforderung mit Bravour. Sicherlich ein Film mit Schwächen, aber dafür auch einer, der sich so schnell mit nichts vergleichen lassen dürfte.

7.0/10
Leser-Wertung 6.29/10 (7 Stimmen)
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vgw

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