Kommen wir heute mal wieder zu einem richtig großartigen Film, der mich ziemlich exakt so zu begeistern gewusst hat, wie ich es mir im Vorfeld erhofft habe, weshalb ich ihn natürlich auch wärmstens empfehlen kann.
The Favourite
Intrigen und Irrsinn
The Favourite, USA/UK/IE 2018, 119 Min.
© Twentieth Century Fox
Yorgos Lanthimos
Deborah Davis
Tony McNamara
Nicholas Hoult (Harley)
Joe Alwyn (Masham)
James Smith (Godolphin)
Mark Gatiss (Lord Marlborough)
Jenny Rainsford (Mae)
Biografie | Komödie | Drama | Historie
Trailer:
Inhalt:
© Twentieth Century Fox
Während sich im frühen 18. Jahrhundert die kränkelnde Königin Anne mit der Situation überfordert sieht, im Krieg gegen Frankreich entschlossenes Handeln und Entscheidungsfreude an den Tag zu nehmen, übernimmt Herzogin Sarah Churchill diesen Part und vertritt die Monarchin zumeist bei wichtigen Anlässen. Zu dieser Zeit trifft auch Sarahs jüngere Cousine Abigail am englischen Königshof ein und hofft auf eine Anstellung, nachdem sie ihren Adelstitel verloren hat und einzig noch Hilfe von Sarah zu erbitten weiß. Als einfaches Dienstmädchen übernimmt Abigail zunächst höchst undankbare Aufgaben, doch zielstrebig arbeitet sie sich nach oben und erregt alsbald auch die Aufmerksamkeit der Königin, was Sarah freilich zunehmend ein Dorn im Auge ist. Beiderseits darum bemüht, Anstand und Contenance zu bewahren, entbrennt zwischen den beiden Frauen eine erbitterte Fehde um Gunst und Zuspruch der Königin, die ihrerseits zunehmend unter Krankheit und Schwäche leidet…
Rezension:
Lange schon stand The Favourite – Intrigen und Irrsinn auf meiner persönlichen Watchlist und auch wenn es eine Weile gedauert haben mag, hatte ich dafür umso mehr Freude mit diesem lustvoll inszenierten Reigen von Yorgos Lanthimos, wobei sein dritter englischsprachiger Film ihm zahllose Auszeichnungen eingebracht hat und für sage und schreibe zehn Oscars nominiert worden ist, auch wenn es letzten Endes nur für eine Auszeichnung für Olivia Colman als "Beste Hauptdarstellerin" gereicht hat, den sie sich allerdings auch redlich verdient hat in ihrer Verkörperung von Königin Anne. Dabei wage ich zu behaupten, dass Lanthimos‘ neuestes Werk gar nicht einmal unbedingt ein Film für die breiten Massen sein dürfte, denn was er hier auf die Leinwand zaubert, ist zurückhaltend gesprochen schon als ziemlich eigen und exzentrisch zu bezeichnen, auch wenn es sich dem Vernehmen nach um seinen bislang wohl zugänglichsten Film handeln mag. Vor allem anderen aber gelingt ihm, mit seinem vielgepriesenen Werk einen Kostüm-, beziehungsweise Historienfilm zu schaffen, wie es keinen zweiten oder vergleichbaren gibt, was sowohl an ein paar simplen inszenatorischen wie dramaturgischen Kniffen liegt, die das Geschehen in keiner Weise gestrig oder verstaubt wirken lassen, auch wenn er sich dafür historischer Freiheiten bedienen mag, die andernorts geschichtskundigen Zuschauern sauer aufstoßen dürften, hier aber formidabel ins surreale Gesamtbild passen, das ohnehin wie ein Zerrbild der Realität wirkt.
© Twentieth Century Fox
Zerrbild ist dabei nicht nur metaphorisch, sondern tatsächlich auch wörtlich zu verstehen, denn die eigenwillige Inszenierung beginnt schon damit, dass Lanthimos sich oft und ausgiebig eines Fischaugenobjektivs bedient, dass die Perspektive verzerrt und verschiebt, wodurch die Figuren – egal ob auf dem ausladenden Schlossgelände oder inmitten der prunkvollen Säle und Gemächer – klein und verloren wirken. Überhaupt mag die Kameraarbeit für Robbie Ryan (ebenfalls mit einer Oscar-Nominierung bedacht) gleichermaßen fordernd wie faszinierend gewesen sein, denn The Favourite punktet in beinahe jeder Einstellung mit ungewöhnlichen Perspektiven, ohne dass es gewollt oder prätentiös wirken würde, zumal sich der Bruch eben allein durch das Thema und Setting ergibt, denn in einem Film um den Königshof des 18. Jahrhunderts würde man wohl eher keine Zeitlupen-Sequenzen von geckenhaften Adligen erwarten, die in frenetischer Ekstase einem ungewöhnlichen Rennen beiwohnen oder einen nackten Mann mit Obst bewerfen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass dem Regisseur hier auch ein gelungenes Spiel mit den Geschlechterrollen gelingt, denn ganz anders, als man sich das erwarten würde, sind die Männer hier nur schmückendes Beiwerk, von dem man mehr als alles andere erwartet, dass es sich herausputzt und zurechtmacht, woran insbesondere Nicholas Hoult (Equals) mit Perücke und reichlich Rouge in der Rolle des exzentrischen Harley sichtlich Freude hat.
Nein, der Fokus der Erzählung liegt – ebenso wie die damaligen Machtstrukturen – fest in weiblicher Hand und während sich der männliche Adel noch über Kriegsentscheidungen echauffiert und die Königin auf die eine oder andere Seite zu ziehen versucht, finden die eigentlichen Entscheidungen wie auch Ränkeschmiede hinter den königlichen Mauern statt. Hier begeistert insbesondere Rachel Weisz (Ungehorsam) als tatkräftige wie zielstrebige Herzogin Churchill, die aber auch nie zur plumpen Intrigantin und Opportunistin degradiert wird, sondern merklich etwas übrig hat für die kränkelnde Königin Anne, die sie zu ihrem eigenen Wohl unter ihre Fittiche zu nehmen, aber auch zuweilen zu bevormunden gedenkt. Das geht natürlich nur so lange gut, bis sich die forsche Abigail – nicht minder bravourös verkörpert von Emma Stone (Maniac) – zunehmend in das bestehende Machtgefüge drängt und ihrerseits mit anderen Mitteln die Gunst der Königin zu erlangen versucht. So sind die im deutschen Untertitel Intrigen und Irrsinn genannten Machtspielchen auch weit weniger politischer, sondern eher persönlicher Natur, auch wenn das natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die Lage des Landes hat, womit Lanthimos zusätzlich unterstreicht, welche Macht diesen drei Frauen innewohnt.
© Twentieth Century Fox
Unbestrittenes Highlight aber ist dabei die Verkörperung der kränkelnden Königin Anne durch Olivia Colman (The Night Manager), die sie irgendwo zwischen bockigem Kind, verunsicherter und weinerlicher Frau und überforderter Monarchin anlegt, was im ersten Drittel einiges an humoristischen Momenten mit sich bringt, im weiteren Verlauf – und mit schwindender Konstitution – aber auch gerne mal ins Tragische kippt. Überhaupt gelingt hier eine seltene Mischung aus ernstzunehmenden und einnehmenden Drama und surrealem, albernen Lustspiel, zumal die Stimmung so abrupt zu wechseln vermag, wie man es nicht für möglich hält, was einem gerne mal das Lachen im Halse stecken bleiben lässt. Dabei sind die Intrigen der drei differenziert gezeichneten Frauen so unterhaltsam und kurzweilig, sind ihre Ausbrüche so emotional und amüsant, dass man dem griechischen Regisseur nur zu diesem Wurf beglückwünschen kann, auch wenn ich mir wie erwähnt vorstellen könnte, dass dies womöglich nicht in allen Fällen die Art Film ist, die sich jemand erwartet, der sich bewusst für einen Historienfilm entscheidet. Gerade diese unangepasste und erfrischende Art ist es aber auch, die The Favourite so ungemein lohnend und so unnachahmlich einzigartig macht.
The Favourite – Intrigen und Irrsinn
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Intrigen am königlichen Hof - 8.5/10
8.5/10
Fazit & Wertung:
Yorgos Lanthimos offeriert mit The Favourite – Intrigen und Irrsinn einen Kostümfilm, wie man ihn noch nicht gesehen haben dürfte und schafft es auch dank seiner drei herausragenden Hauptdarstellerinnen, eine Dreiecks-Farce sondergleichen zu inszenieren, die mit ihrer Vorliebe fürs Surreale und Skurrile dennoch nie versäumt, auch betroffen machendes Drama zu sein, in dessen Verlauf sich die Sympathien gleich mehrfach zu wandeln verstehen.
The Favourite – Intrigen und Irrsinn ist am 13.06.19 auf DVD und Blu-ray bei Twentieth Century Fox erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!
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